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13.05.2022 |

G7-Treffen: NGOs fordern mehr Geld für die Hungerbekämpfung

Frau
Millionen Menschen haben nicht genug für die nächste Mahlzeit (Foto: CC0)

Mehrere Nichtregierungsorganisationen haben zum Auftakt des am 13. und 14. Mai in Stuttgart stattfindenden Treffens der G7-Agrarminister*innen mehr Geld für den Kampf gegen den Hunger eingefordert. Deutschland hat aktuell die G7-Präsidentschaft inne. Angesichts rasant steigender Lebensmittel-und Energiepreise warnten die Organisationen einhellig vor einer drohenden Hungerkrise. Das Hilfswerk „Brot für die Welt“ etwa prognostizierte einen massiven Anstieg der Zahl der Hungernden. Allein in Ostafrika seien aktuell rund 20 Millionen Menschen aufgrund der Dürre von akutem Hunger bedroht. Der rasante Preisanstieg infolge des Ukraine-Kriegs verschärfe die Lage. „Wenn die internationale Gemeinschaft nicht gegensteuert, kommt es zu Hungersnöten enormen Ausmaßes“, mahnte Dagmar Pruin, die Präsidentin des Hilfswerks. „Deutschland muss jetzt seiner Verantwortung gerecht werden. Ein Einfrieren des Entwicklungsetats in der globalen Ernährungskrise wäre fatal.“ Brot für die Welt fordert, die Haushaltstitel für den Kampf gegen den Hunger in den Etats des Entwicklungs- und des Landwirtschaftsministeriums sowie im Budget des Auswärtigen Amtes um insgesamt 2,7 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr anzuheben.

Auch die Entwicklungsorganisation Germanwatch erwartet vom G7-Ministertreffen und der Bundesregierung „wegweisende Beschlüsse“. „Durch den Angriff auf die Ukraine sind auch die Preise für wichtige Grundnahrungsmittel wie Weizen drastisch gestiegen“, heißt es in der Pressemitteilung. Daher würden sie für die Katastrophenhilfe des Welternährungsprogramms und viele importabhängige Entwicklungsländer zu teuer und könnten nicht in ausreichender Menge beschafft werden. „Die G7 muss auf die drohende Hungerkatastrophe kurzfristig reagieren, indem sie zum einen die Zahlungen an das Welternährungsprogramm erhöht und Getreide frei gibt, das bislang für Sprit oder Fleischproduktion eingesetzt wird. Zum anderen sollte sie den importierenden Entwicklungsländern zum Beispiel durch einen Schuldenerlass mehr Mittel für den Kauf von Getreide und ländliche Entwicklung zur Verfügung stellen“, fordert Konstantinos Tsilimekis, Leiter des Teams Welternährung, Landnutzung und Handel bei Germanwatch.

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen beklagt schon seit Langem, dass das Budget nicht ausreiche, um die Hungernden zu versorgen und dass die ohnehin sparsam bemessenen Essensrationen weiter gekürzt werden müssen. Besonders schlimm ist die Situation am Horn von Afrika und in einigen Ländern Südasiens sowie in Afghanistan und im Jemen. Schon vor Kriegsbeginn war die Lage dramatisch: Laut dem Anfang Mai erschienenen „Global Report on Food Crises“ des Globalen Netzwerks gegen Ernährungskrisen (GNAFC), einem internationalen Bündnis aus den Vereinten Nationen, der EU sowie Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen, waren schon im Jahr 2021 rund 193 Millionen Menschen in 53 Ländern oder Gebieten von akutem Hunger auf Krisenniveau oder schlimmer betroffen. Dies bedeutet einen Anstieg um fast 40 Millionen Menschen im Vergleich mit dem Höchststand 2020. Besonders verheerend war die Lage für mehr als eine halbe Million Menschen (570.000) in Äthiopien, im Süden Madagaskars, im Südsudan und im Jemen: Sie litten „akuten Hunger“ (IPC/CH-Phase 5) und benötigten dringend Hilfe, um den weitgehenden Zusammenbruch von Lebensgrundlagen, Verhungern und Tod zu verhindern. Schaut man auf 39 Länder und Gebiete, die jedes Jahr im Bericht des Netzwerks geführt wurden, so hat sich die Zahl der Menschen, die sich in einer Krise oder einer noch schlimmeren Situation befinden (IPC/CH-Phase 3 oder höher), zwischen 2016 und 2021 fast verdoppelt. Die Zahlen steigen seit 2018 jedes Jahr unvermindert weiter. Das zweite UN-Nachhaltigkeitsziel (SDG 2), bis 2030 den Hunger komplett zu beseitigen, rückt immer weiter in die Ferne.

„Der akute Hunger erreicht ein noch nie dagewesenes Ausmaß und die globale Situation wird immer schlimmer. Konflikte, die Klimakrise, COVID-19 und steigende Lebensmittel- und Treibstoffkosten haben einen perfekten Sturm ausgelöst - und jetzt kommt der Krieg in der Ukraine hinzu, der die Katastrophe noch verschlimmert“, lautet das Fazit von David Beasley, Exekutivdirektor des WFP. „Millionen von Menschen in Dutzenden von Ländern werden an den Rand des Verhungerns getrieben. Wir brauchen dringend Nothilfe, um diese Menschen vor dem Abgrund zu bewahren und die globale Krise zu überwinden, bevor es zu spät ist“, betonte er. Wieder einmal. Eines der Ergebnisse des „Global Report on Food Crises“ ist, dass der kleinbäuerlichen Landwirtschaft bei der humanitären Hilfe eine höhere Priorität eingeräumt werden muss. Nur so könne fehlender Zugang zu Nahrung überwunden und eine Lösung zur Umkehrung negativer langfristiger Trends gefunden werden. Darüber hinaus könnten Hungerursachen durch die Förderung struktureller Veränderungen bei der Verteilung externer Finanzmittel bekämpft werden, damit die humanitäre Hilfe mit der Zeit durch längerfristige Entwicklungsinvestitionen reduziert werden könne. Auch Brot für die Welt fordert neben mehr Geld für die rasche Nothilfe zudem mehr Mittel zur Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft, um Länder im Globalen Süden unabhängiger von Lebensmittelimporten zu machen. Zudem brauche es mehr Investitionen in den Auf- und Ausbau sozialer Sicherungssysteme, damit nicht mehr so viele Menschen nach Einkommensverlusten in existenzbedrohenden Hunger fallen.

Es kommt aber nicht nur auf mehr Geld und entschlosseneres Handel an, sondern auch, wo dies gebündelt und diskutiert wird. Mit Blick auf das vom Entwicklungsministerium initiierte „Globale Bündnis für Ernährungssicherheit“, das die Bundesregierung auf dem G7-Gipfeltreffen Ende Juni in Elmau an den Start bringen will, äußerte Pruin: „Die Bundesregierung sollte nicht nur mit der Weltbank kooperieren, sondern vor allem dem Komitee für Ernährungssicherheit (CFS) unter dem Dach der Welternährungsorganisation (FAO) der Vereinten Nationen eine Führungsrolle geben.“ Denn hier säßen auch die Betroffenen wie etwa die Organisationen der kleinbäuerlichen Familienbetriebe mit am Tisch. Die Forderung von Germanwatch geht in eine ähnliche Richtung: „Die G7-Länder dürfen diese Initiativen nicht im Alleingang vorantreiben, sondern sollten zudem schnellstmöglich eine Dringlichkeitssitzung des UN-Komitees für Welternährungssicherheit initiieren“, so Tsilimekis.

Auch die Umweltorganisationen BUND, Greenpeace, NABU, WWF Deutschland und der Dachverband Deutscher Naturschutzring meldeten sich zum Auftakt des G7-Treffens zu Wort. Sie riefen die Minister*innen ebenfalls dazu auf, das Welternährungsprogramm finanziell deutlich zu stärken, um die Versorgung in den besonders betroffenen Regionen sicherzustellen. Sie verwiesen darauf, dass es zudem notwendig sei, die Getreidemärkte wirksam zu entlasten und die begrenzte landwirtschaftliche Fläche sinnvoller zu nutzen. Angesichts der drohenden globalen Hungerkrise dürften Lebensmittel, etwa Pflanzenöle oder Backweizen, nicht länger zu Biokraftstoff verarbeitet oder an Tiere verfüttert werden. Stattdessen müssten sie zur Verfügung stehen, um in der jetzigen Situation Menschen ausreichend mit Lebensmitteln zu versorgen. „Die Bundesregierung muss sich im Rahmen ihrer G7-Präsidentschaft dafür einzusetzen, dass Lebensmittel nicht länger in Tank oder Trog landen. Wir brauchen ein gemeinsames Signal der G7 im Kampf gegen den Hunger“, fordern die Verbände in einer gemeinsamen Pressemitteilung. Gleichzeitig seien die größtmöglichen Anstrengungen zu unternehmen, um resiliente, krisenfesten Agrarsystemen zu erreichen – in Europa und weltweit. „Wir brauchen eine Landwirtschaft, die Arten und Klima schützt und damit dauerhaft die Produktionsgrundlagen und Ernten gewährleistet“, lautet ihr abschließender Appell an die Politik. (ab)

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