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13.02.2019 |

„Kollaps der Natur": Forscher warnen vor globalem Insektensterben

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Schmetterling ade! (Foto: A. Beck)

Über 40% der Insektenarten könnten in den nächsten Jahrzehnten aussterben und damit einen „katastrophalen Kollaps der Ökosysteme“ auslösen, warnt eine Ende Januar im Fachblatt „Biological Conservation“ erschienene Studie. Wenn es so weitergeht wie bisher, könnten Insekten in 100 Jahren nur noch im Museum oder in Büchern zu bewundern sein. Schon 2017 hatte eine Studie gestützt auf Ergebnisse des Entomologischen Vereins Krefeld für Aufsehen gesorgt, die belegt, dass die Gesamtmasse der Fluginsekten in Deutschlands in den letzten 30 Jahren um 75% abnahm. Ende 2018 stellten Forscher einen dramatischen Schwund der Gliederfüßer im Regenwald von Puerto Rico fest. Nun hat Francisco Sánchez-Bayo von der Universität Sydney mit Kris Wyckhuys von der China Academy of Agricultural Sciences insgesamt 73 Studien ausgewertet, um sich ein Gesamtbild zu verschaffen und die Ursachen für das Insektensterben zu ermitteln. Das wenig überraschende Ergebnis: Die Artenvielfalt von Insekten ist überall auf der Welt gefährdet.

„Unsere Arbeit zeigt dramatische Rückgangsraten, die in den nächsten Jahrzehnten zum Aussterben von 40% aller Insektenarten führen könnten“, schreiben sie im Abstract der Studie. Die Aussterberate ist achtmal höher als bei Säugetieren, Vögeln und Reptilien. Die jährliche Verlustrate bei Insekten von 2,5% in den letzten 25 bis 30 Jahren sei „schockierend“, sagte Sánchez-Bayo der britischen Zeitung The Guardian. „Es geht rasant. In 10 Jahren wird es ein Viertel weniger Insekten geben, in 50 Jahren ist nur noch die Hälfte übrig und in 100 Jahren wird es gar keine Insekten mehr geben.“

In terrestrischen Ökosystemen waren Schmetterlinge, Hautflügler wie Wespen, Bienen und Ameisen sowie Mistkäfer am stärksten betroffenen. Außerdem haben Wasserinsekten wie Libellen, Steinfliegen, Köcherfliegen und Eintagsfliegen bereits einen beträchtlichen Anteil an Arten verloren. Die Autoren schreiben, dass zu den betroffenen Insektengruppen nicht nur Spezialisten gehören, die bestimmte ökologische Nischen besetzen, sondern auch viele häufige Arten und „Generalisten“. Einige Insekten profitieren aber auch: „Das sind alles anpassungsfähige, generalistische Arten, die die freigewordenen Nischen besetzen, die von den abnehmenden Arten hinterlassen wurden. Bei den Wasserinsekten ersetzen Arten, die mit allen Lebensräumen und Ernährungsformen sowie mit Schadstoffen klarkommen, jene großen Biodiversitätsverluste, die in Gewässern in landwirtschaftlichen und städtischen Gebieten zu verzeichnen sind “, so die Wissenschaftler.

Als Hauptursachen des Insektensterbens nennt die Studie den Verlust von Lebensräumen und die Umstellung auf intensive Landwirtschaft sowie Verstädterung. Die Forscher machen vor allem synthetische Pestizide und Düngemittel verantwortlich. „Wenn wir unsere Produktionsweise von Nahrungsmitteln nicht ändern, wird die Gesamtheit der Insekten in einigen Jahrzehnten aussterben“, zitiert der Guardian. „Die Auswirkungen, die das für die Ökosysteme des Planeten haben wird, sind katastrophal, um es gelinde auszudrücken.“ Als weitere Ursachen machen die Wissenschaftler biologische Faktoren aus, darunter Krankheitserreger und eingeführte Arten sowie der Klimawandel. Der Klimawandel spielt besonders in tropischen Regionen eine wichtige Rolle, betrifft jedoch nur eine Minderheit von Arten in kälteren Gegenden und Gebirgslagen der gemäßigten Zonen.

„Wenn der Verlust von Insektenarten nicht gestoppt werden kann, wird dies katastrophale Folgen sowohl für die Ökosysteme des Planeten als auch für das Überleben der Menschheit haben“, sagte Sánchez-Bayo dem Guardian. Der Rückgang der Insektenpopulationen trifft vor allem Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische hart, die Insekten fressen. „Wenn ihnen diese Nahrungsquelle genommen wird, verhungern all diese Tiere“, fügte er hinzu. Um den Rückgang aufzuhalten, sind entschlossene Maßnahmen erforderlich. Den Autoren zufolge „ist ein Umdenken in Bezug auf die derzeitigen landwirtschaftlichen Praktiken, insbesondere eine erhebliche Verringerung des Pestizideinsatzes und der Übergang zu nachhaltigeren, ökologischen Praktiken, dringend nötig, um die aktuellen Trends zu verlangsamen oder umzukehren. Nur so können sich rückläufige Insektenbestände erholen und die lebenswichtigen Ökosystemdienstleistungen bewahrt werden, die sie bereitstellen. „Darüber hinaus sollten mit Einsatz von wirksamen Technologien verunreinigte Gewässer in landwirtschaftlichen und städtischen Gebieten gereinigt werden“, fordern die Wissenschaftler. (ab)

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