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24.03.2017 |

Weltwasserbericht: Abwasser birgt enormes Potenzial für die Bewässerung

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Abwasser als Alternative zur Bewässerung mit Trinkwasser?(Foto: CC0)

Die Unmengen an Abwasser aus Haushalten, der Landwirtschaft und der Industrie, die oft ohne angemessene Behandlung in die Umwelt abgeleitet werden, sind eine weitgehend ungenutzte Ressource. Dabei würde die Nutzung von Abwasser Vorteile für die Umwelt und die menschliche Gesundheit, die Ernährungs- und Energiesicherheit und den Klimaschutz mit sich bringen. Darauf machen die Vereinten Nationen am 22. März anlässlich des Weltwassertags mit ihrem neuen Weltwasserbericht aufmerksam. „Ist Abwasser das neue schwarze Gold?“, lautet gar die Überschrift der Pressemitteilung zur Präsentation des jährlich erscheinenden Berichts. Schätzungen gehen davon aus, dass mehr als 80% des Abwassers weltweit unbehandelt abgeleitet wird. „Abwasser ist eine wertvolle Ressource in einer Welt, in der Wasser endlich ist und die Nachfrage steigt“, betont Guy Ryder, Chef von UN-Water und Generaldirektor der Internationalen Arbeitsorganisation.

Der Wasserbedarf hat in den letzten Jahrzehnten enorm zugenommen: Dem Bericht zufolge hat sich seit 1960 die Fläche für Bewässerungsfeldwirtschaft von 1,4 Millionen Quadratkilometer im Jahr 1961 auf etwa 3,2 Millionen im Jahr 2012 mehr als verdoppelt. Die Zahl der Nutztiere verdreifachte sich von 7,3 Milliarden Einheiten im Jahr 1970 auf 24,2 Milliarden. Auch die Aquakultur hat sich seit den 1980er Jahren etwa verzwanzigfacht. Auf die Landwirtschaft entfällt 70 Prozent des Süßwasserverbrauchs. In vielen Ländern wird unbehandeltes oder verdünntes Abwasser bereits für die landwirtschaftliche Bewässerung genutzt - Schätzungen zufolge auf 5 bis 20 Millionen Hektar Fläche weltweit, vor allem in China. In Jordanien wird zum Beispiel etwa 90% des behandelten Abwassers für die Bewässerung genutzt und in Israel macht aufbereitetes Abwasser die Hälfte des für die Bewässerung eingesetzten Wassers aus. Doch es gebe noch viel verschenktes Potenzial, vor allem in Afrika.

Der Bericht warnt jedoch auch vor den Gefahren der Wasserverschmutzung, unter anderem durch die Landwirtschaft: Düngemittel und Agrochemikalien würden über das für Nutzpflanzen absorbierbare Maß hinaus eingesetzt und ausgewaschen. Zu den Schadstoffen landwirtschaftlichen Ursprungs gehörten organische Materie, Pathogene, Metalle und neue Schadstoffe, so der Bericht. In den letzten 20 Jahren seien zudem neue landwirtschaftliche Schadstoffe aufgetreten wie Antibiotika, Impfstoffe, Wachstumsförderer und Hormone, die über Nutztierhaltung und Aquakultur in den Wasserkreislauf geraten. Dies berge Gesundheitsgefahren, wenn Pflanzen mit unbehandeltem Abwasser bewässert würden. Ziel sei also eine verbesserte Abwasserbehandlung durch eine Kreislaufwirtschaft, die die verschiedenen Abwasserflüsse kontrolliert und reguliert. Dieser beginne bei der Vermeidung und Reduzierung von Verschmutzung beim Verursacher, denn wenn Schadstoffe gar nicht erst ins Abwasser gelangen, sei dies deutlich günstiger als die spätere Abwasserbehandlung.

Zudem sei eine bessere Abwassersammlung und Aufbereitung notwendig. Die Nutzung von Abwasser als alternative Wasserquelle müsse stärker gefördert werden. Abwasser berge aber auch ein enormes Potenzial für die Gewinnung von Energie und Nährstoffen. Zum Beispiel kann Phosphor, eine endliche Ressource, aus Abwasser oder Abwasserschlamm zurückgewonnen werden. Auf diesem Weg könnte 22% des globalen Phosphorbedarfs gedeckt werden, schätzt die FAO. „Wir leben in einer Welt, in der der Süßwasserbedarf stetig steigt und in der begrenzte Wasservorkommen durch übermäßige Entnahme, Verschmutzung und Klimawandel zunehmend unter Druck stehen. Daher ist es alternativlos, die Chancen einer verbesserten Abwasserbewirtschaftung mit Blick auf eine Kreislaufwirtschaft zu nutzen“, lautet das Fazit des Berichts. (ab)

20.03.2017 |

Studie: Mit Pestiziden gebeiztes Saatgut verringert Aktivität von Regenwürmern

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Steht nicht auf Pestizide: Regenwurm (Foto: CC0)

Die Behandlung von Saatgut mit Pestiziden beeinträchtigt die Aktivität von Regenwürmern und anderen Bodenorganismen. Zu diesem Ergebnis gelangten Wissenschaftler der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien in zwei Studien, die in den Fachjournalen „BMC Ecology“ und „Frontiers in Plant Science“ veröffentlicht wurden. Die Forscher hatten untersucht, wie sich der Chemieeinsatz auf dem Acker auf unterschiedliche Bodenbewohner auswirkte. Dazu simulierten sie die in der konventionellen Landwirtschaft übliche Verwendung von gebeiztem Saatgut und den zusätzlichen Einsatz von Glyphosat in zwei Glashausversuchen. In 28 Liter Erde fassende Gefäße mit Regenwürmern wurden Weizensamen gepflanzt, die mit Insektiziden und Fungiziden gebeizt waren, und zwar in einer Menge, wie sie in der Praxis üblich ist. Nachdem der erste Weizen geerntet worden war, wurde erneut gebeiztes Saatgut in derselben Erde ausgesät und ein Unkrautvernichter mit dem Wirkstoff Glyphosat ausgebracht.

Nach der ersten Aussaat des gebeizten Saatguts zeigte sich bei den jeweiligen Bodenorganismen ein gemischtes Bild. Springschwänze und andere Organismen wiesen eine erhöhte Aktivität auf: „Die Springschwänze vermieden tiefere Bodenschichten und tummelten sich vermehrt an der Oberfläche“, berichtete Johann Zaller vom Institut für Zoologie der Boku der Nachrichtenagentur APA. Dadurch kam es zu verringerten Abbautätigkeiten von Pflanzenteilen im Boden. Die Regenwürmer hingegen zeigten sich zunächst unbeeinflusst. Infolge der zweiten Aussaat mit gebeiztem Saatgut ließ ihre Aktivität aber deutlich nach, wodurch die Humusbildung beeinträchtigt wurde. Die Mikroorganismen hatten sich Zaller zufolge „offensichtlich bereits an das neue Milieu angepasst“ und zeigten keine Beeinflussung. Die Wissenschaftler betonten, dass die negative Wirkung der Saatgut-Beizung speziell auf die Regenwürmer durch Glyphosat-Herbizide noch verstärkt wurde. Besorgniserregend sei, dass solche Kreuzwirkungen bei der Zulassung von Pestiziden nicht untersucht würden. „Man konzentriert sich nur auf einzelne Wirkstoffe, wie mehrere davon sich beeinflussen, ist ein komplett weißer Fleck“, kritisiert Zaller. Die beschriebene Wirkung mag vielleicht subtil erscheinen, so die Wissenschaftler, doch es müsse bedacht werden, dass sie bereits nach der Anwendung von gerade einmal 18 gebeizten Weizenkörnern in relativ großen Versuchstöpfen beobachtet wurde. „Unter echten Bedingungen in der Landwirtschaft wird gebeiztes Saatgut auf demselben Feld jedoch mindestens zwei Mal jährlich ausgesät und die Pestizide reichern sich in den Böden an. Damit gibt es potenziell ausgeprägtere Risiken für Nicht-Zielorganismen und Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Bodenlebewesen und das Funktionieren der Agrarökosysteme“, lautet das Fazit der Wissenschaftler. (ab)

16.03.2017 |

Europäische Chemikalienagentur hält Glyphosat für „nicht krebserregend“

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Gift auf dem Acker (Foto: Dieter Schütz / pixelio.de)

Die Europäische Chemikalienagentur ECHA hat den umstrittenen Unkrautvernichter Glyphosat als nicht krebserregend eingestuft. Am Mittwoch verkündete der Ausschuss für Risikobewertung (RAC) der Behörde mit Sitz in Helsinki das Ergebnis des lange erwarteten Gutachtens. Die vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse erfüllten nicht die Kriterien, um den Herbizidwirkstoff als krebserregend, genverändernd oder schädlich für die Fortpflanzung einzustufen, so die Wissenschaftler. Der Ausschuss habe die Entscheidung im Konsens gefällt, das heißt mit der Unterstützung sämtlicher Mitglieder, erklärte der Vorsitzende des Ausschusses, Tim Bowmer. Glyphosat gelte jedoch weiterhin als eine Substanz, die „ernsthafte Augenschädigungen hervorrufe und giftig für im Wasser lebende Tiere und Pflanzen mit langfristigen Auswirkungen“ sei. Im Gegensatz zur ECHA hatte die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im März 2015 Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend für den Menschen“ eingestuft.

Umweltorganisationen und Politiker reagierten besorgt auf das Fazit der EU-Behörde, das Einfluss auf die weitere Zulassung des Ackergiftes in der EU haben wird. Das Urteil der WHO-Krebsagentur gelte weiterhin, sagte Heike Moldenhauer vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Sie appellierte an die EU-Kommission, die Zulassung aufgrund der gravierenden Bedenken hinsichtlich Umwelt und menschlicher Gesundheit Ende des Jahres auslaufen lassen: „Zu viel spricht gegen Glyphosat, eine weitere Verlängerung der Zulassung wäre fahrlässig. Die EU-Kommission ist dem Vorsorgeprinzip verpflichtet, sie muss den Schutz von Mensch und Umwelt vor den Profitinteressen der Pestizidhersteller sicherstellen.“ Die Landwirtschaftspolitik müsse sich endlich frei machen von einem Agrarmodell, das auf industrieller Erzeugung basiert und blind ist für deren Kollateralschäden, so Moldenhauer. Harald Ebner, Sprecher der Grünen für Gentechnik- und Bioökonomiepolitik, sagte, die ECHA-Entscheidung sei „unverständlich für alle, die besseren Schutz vor unverantwortlichen und unnötigen Risiken fordern“. Das Votum sei kein Freibrief für eine Neuzulassung, denn dafür seien die bestehenden Hinweise für einen Zusammenhang zwischen Glyphosat und Krebs zu stark.

Der ECHA-Bericht wird nun fertiggestellt und geht dann an die EU-Kommission, die mit den Mitgliedsstaaten entscheiden wird, ob Glyphosat auch künftig in der EU ausgebracht werden darf. Die Zulassung war eigentlich schon am 30. Juni 2016 ausgelaufen, doch die Kommission hatte sie einen Tag vor Fristende um weitere 18 Monate verlängert. Die Mitgliedsstaaten konnten sich bisher nicht einigen. In den zuständigen Gremien hatten sich 19 Staaten für eine Zulassung ausgesprochen, während sich sieben Mitgliedsstaaten enthielten, darunter Deutschland. Agrarminister Christian Schmidt war dafür, Umweltministerin Barbara Hendricks hatte sich dagegen ausgesprochenen. (ab)

14.03.2017 |

Agrarökologie statt Chemie: UN-Bericht fordert Abkehr von Pestiziden

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Agrarökologie als Alternative zu Pestiziden (Foto: CC0)

UN-Experten haben vor den Folgen des weltweiten Pestizideinsatzes für Mensch und Umwelt gewarnt. Sie fordern ein globales Abkommen zur Regulierung und schrittweisen Abkehr von Pestiziden in der Landwirtschaft hin zu agrarökologischen Anbaupraktiken. Hilal Elver, die UN-Sonderberichterstatterin für das Recht auf Nahrung, und ihr für gefährliche Substanzen zuständiger Kollege Baskut Tuncak stellten am Mittwoch dem UN-Menschenrechtsrat einen Bericht vor, in dem sie den Pestizideinsatz und die Geschäftspraktiken der Hersteller scharf kritisieren. Jährlich enden 200.000 akute Pestizidvergiftungen tödlich, gerade in Entwicklungsländern mit niedrigeren Sicherheits- und Umweltstandards. „Gefährliche Pestizide belasten Regierungen mit beachtlichen Kosten und haben katastrophale Auswirkungen auf die Umwelt, die menschliche Gesundheit und die ganze Gesellschaft“, warnt der Bericht eindringlich.

Elver betonte, dass Rückstände bestimmter Pestizide jahrzehntelang in der Umwelt erhalten bleiben können und so das gesamte Ökosystem bedrohen, auf dem die Lebensmittelproduktion basiert. Die Folgen des übermäßigen Pestizideinsatzes seien verseuchte Böden und Wasserressourcen, der Rückgang der Artenvielfalt und die Zerstörung der natürlichen Feinde von Schädlingen. Die Expertin beklagt die systematische Weigerung der Pestizid- und Agrarindustrie, das Ausmaß der durch Pestizide hervorgerufenen Schäden anzuerkennen, sowie „aggressive, unethische Marketing-Taktiken“. Politischer Wille sei nötig, um „die Interessengruppen, Anreize und Machtbeziehungen neu zu bewerten und herauszufordern, die das Fortbestehen der chemie-basierten industriellen Landwirtschaft sichern“, so der Bericht. „Agrarpolitiken, Handelssystem und der Einfluss von Unternehmen auf die Politik müssen hinterfragt werden, wenn eine Abkehr von industriellen Lebensmittelsystemen mit ihrer Abhängigkeit von Pestiziden gelingen soll.“

Die Sonderberichterstatterin räumt zudem mit dem Mythos auf, dass Pestizide zur Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung notwendig sind. „Die Behauptung, die von der Agrochemie-Industrie befördert wird, dass Pestizide zur Schaffung von Ernährungssicherheit nötig sind, ist nicht nur unzutreffend, sondern auch völlig irreführend. Im Prinzip gebe es ausreichend Nahrung, um die Welt zu ernähren, doch ungleiche Produktions- und Verteilungssysteme verhindern den Zugang der Bedürftigen zu Nahrung. Ironischerweisen seien gerade viele der von Ernährungsunsicherheit betroffenen Menschen Subsistenzlandwirte, die selbst Lebensmittel anbauten. Der Bericht plädiert für ein international verbindliches Abkommen, das politische Maßnahmen zur weltweiten Reduzierung des Pestizideinsatzes anstößt, ein Rahmenwerk für ein Verbot hochgefährlicher Pestizide schafft und Hersteller haftbar macht. Elver will, dass Staaten nationale Aktionspläne entwickeln, die Anreize für Alternativen zur chemischen Unkraut- und Schädlingsbekämpfung setzen und verbindliche Reduktionsziele mit klaren Zeit- und Zielvorgaben vorsehen.

Vor allem fordert sie jedoch die Förderung der Agrarökologie: „Bemühungen, den Pestizideinsatz zu verbieten und angemessen zu regulieren, sind ein notwendiger Schritt in die richtige Richtung, doch die effektivste und langfristige Methode, um zu verhindern, dass Menschen giftigen Chemikalien ausgesetzt sind, ist die Abkehr von der industriellen Landwirtschaft.“ Laut Elver sollten Staaten ihre Landwirte ermutigen, agrarökologische Praktiken anzuwenden, um die Biodiversität zu fördern und Schädlinge auf natürliche Weise zu unterdrücken. Dazu gehörten Maßnahmen wie Fruchtwechsel, die Förderung der Bodenfruchtbarkeit und die Verwendung von lokal angepassten Sorten. Für die ökologische Lebensmittelproduktion sollten mehr Anreize durch Subventionen sowie finanzielle und technische Unterstützung gesetzt werden. Agrarökologische Methoden, die statt Chemie auf Biologie setzen, liefern ausreichende Erträge, um die Weltbevölkerung ausgewogen zu ernähren, ohne das Recht künftiger Generationen auf angemessene Nahrung und Gesundheit zu untergraben, erklärte Elver. „Die Zeit ist reif für einen globalen Übergang hin zu einer sichereren und gesünderen Lebensmittel- und Agrarproduktion. (ab)

08.03.2017 |

FIAN: Freier Zugang zu Saatgut für Kleinbäuerinnen muss erhalten bleiben

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Zugang zu Saatgut für Frauen! (Foto: CC0)

Millionen Frauen weltweit halten als Hüterinnen des Saatguts den Schlüssel zur Ernährung und Saatgutvielfalt, doch die starke Kommerzialisierung des Saatgutsektors gefährdet ihren freien Zugang zu Saatgut. Darauf macht die Menschenrechts-Organisation FIAN anlässlich des Internationalen Frauentags am 8. März aufmerksam. FIAN warnt, dass es großen Agrarkonzernen durch Sortenschutz und Patentrecht immer leichter gemacht werde, exklusive Saatgutrechte zu erlangen. Diese Gesetze beschneiden zunehmend den Zugang von Kleinbäuerinnen und -bauern weltweit zu Saatgut und kriminalisieren den traditionellen Austausch von Saatgut. Besonders Frauen kommt eine zentrale Rolle bei der Gewinnung, Weiterentwicklung und beim Austausch von Saatgut zu. In Afrika werden 80 Prozent des Saatguts informell hergestellt und weitergegeben – noch. Denn FIAN kritisiert, dass durch Entwicklungsprogramme wie die „Neue Allianz für Ernährungssicherung“ der G7-Staaten der Zugang von Frauen in Afrika zu Saatgut gefährdet werde. „Dieses so genannte Entwicklungsprogramm bedroht das Recht auf angemessene Nahrung vor allem von Frauen auf dem Land, denn der ungehinderte Zugang zu Saatgut ist eine Voraussetzung für die Verwirklichung dieses Menschenrechts“, erklärt FIAN-Referentin Gertrud Falk. Denn die im Rahmen dieses Programms abgeschlossenen Rahmenverträge zwischen Geberländern und afrikanischen Empfängerländern beinhalten Regelungen zur Änderung der Saatgutgesetze in den Ländern. Acht von zehn dieser Verträge verlangen FIAN zufolge die Anpassung der nationalen Saatgutgesetze an internationale Saatgutabkommen. „Diese dienen vor allem den Interessen großer Saatgutfirmen“, beklagt Falk.

Programme wie die G7-Initiative zielen einseitig darauf ab, formelle Saatgutmärkte aufzubauen, auf denen nur zertifiziertes Saatgut gehandelt werden darf, so FIAN. Für dieses Saatgut gelten strenge Regeln. So sehe das neue Saatgutgesetz in Tansania für die Gewinnung und Verwendung von Samen aus gesetzlich geschütztem Saatgut Strafen zwischen 200.000 Euro und zwölf Jahren Haft vor. Die G7-Staaten drängten die Regierung von Mosambik im Kooperationsplan gar dazu, die kostenlose Verteilung von Saatgut an bedürftige Bauernfamilien einzustellen. „Diese Entwicklung kriminalisiert Bäuerinnen und Bauern“, betont Falk. „Insbesondere arme Haushalte, von denen überdurchschnittlich viele von Frauen geführt werden, haben keine Wahl, als Saatgut selbst zu produzieren. Deutschland muss im Rahmen der G7 darauf drängen, dass diese Politik beendet wird“. (ab)

06.03.2017 |

Agroforstsysteme und Biokakao erhöhen Einkommen von Kleinbauern in Bolivien

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Biokakao in Bolivien (Foto: FiBL, Laura Armengot)

Ökologische Landwirtschaft und Agroforstsysteme fördern die Biodiversität und Ernährungssicherheit von Kleinbauern und sind profitabler als Monokulturen und konventionelle Landwirtschaft. Das zeigt eine Langzeitstudie in Bolivien, die im Fachblatt „Agronomy for Sustainable Development“ erschienen ist. Das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) nahm dafür gemeinsam mit Partnern verschiedene Kakaoanbausysteme in der Anden-Republik genauer unter die Lupe. Das Ergebnis: Die Biobauern verzeichneten zwar geringere Kakaoerträge, doch sie verdienten dennoch mehr.

Über fünf Jahre hinweg hatten die Wissenschaftler in Bolivien die Produktivität und das Einkommen pro Arbeitstag in vier verschiedenen Anbausystemen verglichen: in ökologisch und konventionell bewirtschafteten Kakao-Monokulturen sowie Agroforstsystemen, bei denen die Kakaobäume in Mischkultur mit Schattenbäumen und Nebenfrüchten wie etwa Bananen wuchsen. „Die globale Nachfrage nach Kakao hat in letzter Zeit zugenommen. Um diesen Bedarf zu decken, wurde die Anbaufläche systematisch in den tropischen Regenwald hinein ausgedehnt und die Produktion wurde intensiviert, indem traditionelle Agroforstsysteme durch Monokulturen ersetzt wurden“, schreiben die Autoren im Abstract der Studie. „Über die wirtschaftlichen Unterschiede der verschiedenen Produktionssysteme ist jedoch wenig bekannt“, sagt Laura Armengot, die Hauptautorin der Langzeitstudie. Zur Schließung dieser Wissenslücke leistet die Publikation nun einen ersten Beitrag.

Die in Monokultur angebauten Kakaobäume brachten im Schnitt 41% mehr Ertrag, doch diesen Unterschied machten Agroforstsysteme durch das Einkommen wieder wett, das für Nebenprodukte erzielt wurde. Denn die Bauern konnten in den Agroforstsystemen nicht nur Kakao ernten, sondern in direkter Nachbarschaft wuchsen auch Orangen, Bananen, Kochbananen oder Avocados. Diese Produkte konnten nicht nur die im Vergleich zu Monokulturen geringeren Erträge ausgleichen – die Vielfalt erhöhte auch die Ernährungssicherheit der Kleinbauern. Das Einkommen der Bauern, die Agroforstsysteme bewirtschaften, war im Fünfjahreszeitraum etwa doppelt so hoch wie in den Monokulturen, obwohl die Pflege der Schattenbäume mehr Arbeit verursachte. Die Wissenschaftler stellten zudem fest, dass Erträge und Einkommen unter ökologischem und konventionellem Management in Agroforstsystemen ähnlich hoch ausfielen. In den Bio-Monokulturen waren die Kakaoerträge um 48% geringer als in den konventionell bewirtschafteten Monokulturen. Doch auch hier profitierten die Bauern von einem vergleichbaren Einkommen, da sie geringere Kosten hatten als ihre konventionell wirtschaftenden Kollegen und für Biokakao höhere Preise erzielen konnten.

„Kakaoagroforstsysteme erzielen mehr Einkommen“, schlussfolgern die Autoren. Essentiell sei jedoch die Entwicklung von Märkten für die Nebenfrüchte. Nur wenn die Bauern Zugang zu Märkten erlangen, bleiben Agroforstsysteme rentabel und tragen durch Nebenfrüchte zur Ernährungssicherung von Kleinbauern bei. Die Bolivienstudie ist Teil eines von FiBL mit Projektpartnern auch in Indien und Kenia durchgeführten Systemvergleichs landwirtschaftlicher Produktionssysteme. Die vor Kurzem zu Kenia veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass der Ökolandbau in Kenia beim Mais vergleichbare Erträge wie konventionelle Anbausysteme erzielt und Biobauern nach der Umstellungsphase mehr Gewinne einbringt, da sie für ihre Erzeugnisse höhere Preise verlangen können. (ab)

03.03.2017 |

Studie: Weniger Pestizide, konstante Erträge und Einkommen

Pestizde
Pestizideinsatz (Foto: CC0)

Landwirte könnten den Einsatz von Pestiziden ohne Ernte- oder Umsatzeinbußen reduzieren, wenn sie ihre Anbaupraktiken ändern. Das zeigt eine neue Studie aus Frankreich, die am im Fachjournal Nature Plants veröffentlicht wurde. „Ein geringer Pestizideinsatz reduzierte nur selten die Produktivität und die Rentabilität auf Ackerbaubetrieben“, schreiben die Wissenschaftler. Für die Studie analysierten sie Daten von 946 kommerziellen Betrieben mit unterschiedlichen Produktionsbedingungen in ganz Frankreich, die nicht nach Ökostandards wirtschafteten. Die Intensität des Einsatzes von Pestiziden variierte von Betrieb zu Betrieb. Die Forscher untersuchten dann die Auswirkungen eines geringeren Einsatzes von Herbiziden, Fungiziden und Insektiziden auf mehrere Feldfrüchte. Das Ergebnis: Auf 77% der Betriebe beeinträchtigte weniger Chemie die Erträge nicht. Die restlichen 23% der Betriebe, bei denen sich der Verzicht auf Ackergifte mit Ernte- und Umsatzeinbußen bemerkbar machte, betrieben größtenteils eine stark industrielle Landwirtschaft mit sehr hohem Pestizideinsatz. Die Wissenschaftler stellten auch fest, dass die Ergebnisse je nach Anbauprodukt unterschiedlich ausfielen. Während bei Getreide die Erträge kaum schwankten, verringerten sich die Erträge und damit auch die Einkünfte hingegen bei Landwirten, die Rote Beete oder Kartoffeln anbauten.

Das Prinzip „Viel hilft viel“ trifft der Studie zufolge nicht zu. „Das Potenzial für eine Verringerung des Pestizideinsatzes war größer auf Betrieben, die momentan viele Pestizide einsetzen, als auf Höfen mit geringem Pestizideinsatz“, so die Autoren. „Die Botschaft unserer Studie lautet, dass es möglich ist, den Pestizideinsatz deutlich herunterzuschrauben. Auch wenn das nicht unbedingt heißt, dass es einfach ist“, erklärt Mitautor Nicolas Munier-Jolain vom französischen Agrarforschungsinstitut INRA, denn dafür ist einiges an Wissen notwendig. „Der Übergang erfordert eine Erhöhung der Komplexität der Betriebe, vor allem durch die Diversifizierung des Anbaus.“ Wenn sie diesen Weg beschreiten würden, könnten rund 59% der französischen Betriebe ihren Pestizideinsatz im Schnitt um 42% reduzieren, ohne dass sie auf Erträge oder Einkünftige verzichten müssten. Am größten wäre das Einsparpotenzial mit 60% bei Insektiziden, gefolgt von 47% bei Fungiziden und 37% bei Herbiziden. Damit den industriell wirtschaftenden Agrarbetrieben eine Landwirtschaft mit weniger Ackergiften gelingt, müssen sie ihre Praktiken ändern, schreiben die Autoren. Statt großflächigen Monokulturen sind kleinere Einheiten mit Fruchtfolgen und einer größeren Sortenvielfalt auf dem Acker nötig. „Eine der größten Herausforderungen dieses Jahrhunderts ist eine nachhaltige Lebensmittelproduktion für die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung“, fassen die Autoren zusammen. „Die Bewältigung dieser Herausforderung erfordert zwangsläufig eine drastische Reduzierung der negativen Umweltfolgen landwirtschaftlicher Aktivitäten. Die Verringerung des Pestizideinsatzes ist einer der entscheidenden Hebel für die Bewahrung der Umwelt und der menschlichen Gesundheit.“ (ab)

27.02.2017 |

Berlin könnte sich regional ernähren: Änderung von Anbau und Konsum nötig

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2000m²-Acker in Berlin: Könnte ausreichen, tut es aktuell aber nicht (Foto: Volker Gehrmann)

Kann sich eine Großstadt wie Berlin mit Lebensmitteln aus der Region selbst versorgen? Ja – wenn die Verschwendung von Lebensmitteln eingedämmt würde, statt Futter- und Energiepflanzen mehr Lebensmittel angebaut würden und die Stadtbewohner ihre Ernährung auf weniger ressourcenintensive Produkte umstellen würden. Das ist das Ergebnis einer Studie von Agrarwissenschaftlern der Uni Halle-Wittenberg, die in der neusten Ausgabe der Ernährungsumschau erschienen ist. Die Forscher berechneten dafür die Flächenbilanz des Verbrauchs der Berlinerinnen und Berliner basierend auf Daten der Nationalen Verzehrsstudie und ermittelten anhand von Agrarstatistiken, was auf Brandenburgs Äckern und Wiesen wächst und was importiert und exportiert wird.

Jeder Berliner benötigt demnach für seine Ernährung fast 2.400 Quadratmeter Land. Davon liegen 72% in Deutschland, 7% in anderen EU-Staaten und 21% außerhalb der EU. Diese Flächen, die andernorts für die Ernährung der Hauptstadt belegt werden, sei es für Kaffee oder Mangos, gleicht die Region Berlin-Brandenburg derzeit jedoch nicht durch Exporte aus. „Angesichts knapper werdender Ressourcen stellt das unsere aktuellen Konsummuster in Frage“, gibt die Hauptautorin der Studie, Susanna Hönle, zu bedenken. Ein weiteres Problem stellt die Lebensmittelverschwendung dar: „Von den fast 2.400 Quadratmetern, die jede Person in Berlin durchschnittlich über den Globus verteilt für ihre Versorgung beansprucht, wird nur der Output von weniger als zwei Dritteln tatsächlich verzehrt“, erläutert Ko-Autor Dr. Toni Meier vom Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften. Allein 202 m² werden für die Produktion von Lebensmitteln verschwendet, die gar nicht erst in Berliner Supermärkte gelangen oder die später in der Tonne landen. Um die 3,46 Millionen Berliner zu versorgen, sind aktuell 821.433 Hektar Ackerland nötig. Ohne Lebensmittelverluste bei der Verteilung und in Haushalten könnte diese Fläche allein schon auf 518.435 Hektar reduziert werden.

Ein weiterer Grund, warum die Region sich rein rechnerisch noch nicht selbst versorgen kann, ist der enorme Flächenbedarf tierischer Produkte mit 62% der rund 2.400 m². Etwa 850 m² der Fläche, die ein Berliner für seine Ernährung verbraucht, werden für die Produktion von Fleisch benötigt. Weitere 630 m² entfallen auf Milchprodukte. Pflanzliche Produkte machen nur 523 m² oder 22% der Fläche aus, während Genussmittel wie Tee, Kaffee, Zucker und Alkohol 16% oder 371 m² der Fläche belegen. Damit eine weitgehend regionale Selbstversorgung für Berlin möglich wäre, müssten in Brandenburg mehr Lebensmittel für die Ernährung der Menschen erzeugt werden. Bisher bauen viele Landwirte wenige Kulturen, wie Mais, Raps und Weizen, an, die oft als Futtermittel oder zur Energiegewinnung dienen. Dagegen werden andere Kulturarten, vor allem Obst, Nüsse, Gemüse und Hülsenfrüchte, in Brandenburg eher selten angebaut, sodass hier der Berliner Bedarf bei weitem nicht aus der Region gedeckt wird. Würde weniger verschwendet, weniger Fleisch gegessen, aber dafür mehr regionale und saisonale Produkte konsumiert und mehr Lebensmittel auf Brandenburgs Äckern angebaut, könnte sich Berlin weitgehend mit regionalen Lebensmitteln versorgen. Und komplett auf Kakao und Avocados verzichten müsste dabei auch niemand, schreiben die Autoren. (ab)

21.02.2017 |

EU-Staaten gegen Patente auf Pflanzen und Tiere aus konventioneller Züchtung

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Keine Patente auf Brokkoli und Co (Foto: CC0)

Die EU-Mitgliedstaaten haben sich gegen Patente auf Pflanzen und Tiere aus konventioneller Züchtung ausgesprochen – und damit gegen die viel kritisierte Praxis des Europäischen Patentamts (EPA), das diese Patente immer wieder erteilt. Der Europäische Rat für Wettbewerbsfähigkeit bestätigte in seiner Sitzung vom 20. Februar, dass konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere – anders als gentechnisch veränderte – nicht patentierbar sind und rief die EU-Staaten dazu auf, das EPA in die Schranken zu weisen. Das Patentamt mit Sitz in München gewährt Patente auf Pflanzen und Tiere aus konventioneller Züchtung, obwohl dies gegen EU-Patentrecht verstößt. Zuletzt sorgten 2016 die „Bierpatente“ für Aufregung: Carlsberg hatte drei Patente erhalten, die sich auf Gerste aus konventioneller Züchtung und deren Nutzung für das Brauen und das durch diesen Prozess entstehende Bier erstrecken. Aber auch Melonen, Brokkoli, Tomaten, Sojabohnen oder eine Paprika, die von wilden Chili-Sorten aus Jamaika mit einer natürlichen Insektenresistenz abstammt, sind vor der Patentierungswut des EPA nicht sicher.

Das europäische Patentrecht untersagt Patente auf Pflanzen und Tiere, „die aus im Wesentlichen biologischen Verfahren“ gewonnen wurden. Das EPA legt diesen Text jedoch anders aus. Dessen Große Beschwerdekammer hatte im März 2015 in einer Grundsatzentscheidung zum „Brokkoli-Patent“ entschieden, dass Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere weiterhin zulässig sind, auch wenn die Züchtungsverfahren als solche nicht patentierbar sind. Im Dezember 2015 hatte das EU-Parlament dies mit deutlicher Mehrheit zurückgewiesen. Auch die EU-Kommission stützt diese Ansicht und widersprach der EPA-Praxis am 3. November 2016 in einer Stellungnahme. Nun legen die EU-Mitgliedsstaaten nochmals nach: In den gestern verabschiedeten Schlussfolgerungen bestätigt der Rat, dass das EPA diese Patente erteilt, „obwohl das Verfahren zur Herstellung dieser Produkte im Wesentlichen biologisch und damit nicht patentierbar sind“. Er „drängt die Mitgliedsstaaten in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des Europäischen Patentsamts (EPA) dazu, sich dafür einzusetzen, dass die Praxis des EPA mit dem Inhalt der Schlussfolgerungen übereinstimmt.“

Die Entscheidung folgt auf jahrelange Proteste der Zivilgesellschaft gegen Patente auf Pflanzen und Tiere. „Das ist ein wichtiger Erfolg für alle Menschen, die sich in den letzten Jahren gegen die Monopolisierung von Saatgut, Landwirtschaft und Lebensmittelherstellung eingesetzt haben. Endlich erfolgen politische Korrekturen“, sagt Lara Dovifat von Campact. Vor allem das internationale Bündnis „Keine Patente auf Saatgut!“, das weltweit von über 300 NGOs und Bauernorganisationen unterstützt wird, fordert schon lange, dass diese Patente gestoppt werden. Die Organisationen fürchten eine zunehmende Monopolisierung der Tier- und Pflanzenzüchtung und damit der Basis von Landwirtschaft und Ernährung sowie die Ausweitung der Marktmacht der Konzerne zulasten von Landwirten, Züchtern und Verbrauchern. „Keine Patente auf Saatgut!“ hatte bereits mehrere Einsprüche gegen Patente auf Pflanzen und Tiere aus konventioneller Züchtung eingereicht und im Juni 2016 dem Verwaltungsrat des EPA über 800.000 Unterschriften übergeben. Bisher zeigte sich das EPA jedoch uneinsichtig. Laut einem aktuellen Bericht des Bündnisses wurden beim EPA etwa 1400 Anträge zur Patentierung von Pflanzen und Tiere aus konventioneller Züchtung eingereicht und etwa 180 solcher Patente gewährt. „Diese Patente sind nicht erfinderisch, sie beruhen vielmehr auf einem Missbrauch des Patentrechts und müssen deswegen verboten werden“, sagt Annemarie Volling von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). „Nachdem weder die Konzerne noch das Patentamt einsichtig sind, muss jetzt die Politik das Europäische Patentamt in die Schranken weisen.“ (ab)

20.02.2017 |

Wildkräuter stehen auf Bio: Studie belegt höhere Artenvielfalt auf Ökoäckern

Schertler
Ackerwildkräuter auf Bioacker (Katharina Schertler/ Bioland)

Auf ökologisch bewirtschafteten Äckern findet sich eine deutlich höhere Vielfalt an Wildkräutern als auf konventionellen Flächen. Das zeigt eine Erhebung des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF), die vom WWF Deutschland beauftragt wurde. Demnach ist nicht nur die Vielfalt an Ackerwildkräutern um bis zu neunmal größer – es finden sich auf Bioäckern auch bis zu 20 Mal mehr Exemplare. Für die Studie untersuchten die Wissenschaftler des ZALF insgesamt 155 ökologisch und konventionell bewirtschaftete Felder in 5 Regionen Mecklenburg-Vorpommerns und Brandenburgs. Auf jedem Acker erfassten sie auf drei Probeflächen Wildkräuter mit so klangvollen Namen wie Acker-Hundskamille, Gewöhnlicher Reiherschnabel, Mäuseschwänzchen und Zottelwicke. Das Ergebnis: Die Vielfalt war auf Bioflächen im Schnitt drei- bis neunmal höher, die Ackerwildkräuter waren auf den Ökoflächen vier- bis 20-mal häufiger vertreten. Zudem betrug auf den Bioflächen die Bodendeckung der Ackerwildkräuter 18% bis 37%, während es auf den konventionell bewirtschafteten Flächen im Schnitt nur bis zu 7% waren.

Diese bunte Vielfalt auf den Feldern ist nicht nur hübsch anzusehen, sie liefert auch Bestäubern eine wichtige Nahrungsquelle: „Hummel und Biene finden länger einen reich gedeckten Tisch, denn Kornblume, Lämmersalat oder Feld-Rittersporn blühen zu unterschiedlichen Zeiten“, erklärt Christoph Heinrich vom WWF. Gibt es mehr Bestäuber und Insekten, finden auch die seltener werdenden Vögel der Agrarlandschaft leichter Nahrung. Doch leider ist es um die Artenvielfalt auf den Äckern insgesamt schlecht bestellt: „Die jahrzehntelange Intensivierung in der Landwirtschaft hat zu einem dramatischen Rückgang dieser Artengruppe geführt“, schreiben die Wissenschaftler in ihrem Zwischenbericht. Gut ein Drittel der etwa 350 in Deutschland auf Äckern vorkommenden Arten gelten bundesweit als gefährdet. Hauptursachen für die Abnahme und Gefährdung sind den Forschern zufolge der flächendeckende Einsatz von Pestiziden, die hohe Düngung, vor allem in Form von Mineraldünger und Gülle, sowie die geringe Vielfalt an angebauten Kulturen. „Wir stehen kurz vor einem Arten-Kollaps auf unseren Feldern und Wiesen“, warnte Heinrich. Er fordert ein Verbot von Totalherbiziden. „Verboten gehören auch Neonikotinoide, mit denen Saatgut behandelt wird. Sie stehen in Verdacht, das Bienen- und Insektensterben mit zu verursachen“, so Heinrich weiter.

„Noch ist eine Trendwende möglich, wenn es gelingt, die Fläche des Ökolandbaus zügig erheblich auszuweiten“, betonte Heinrich. Dem schloss sich auch der Sprecher für Bioökonomiepolitik der Grünen im Bundestag, Harald Ebner, an: „Die Untersuchung zeigt sehr anschaulich und mehr als deutlich, welche Bedeutung der Ökolandbau weit über seine eigenen Produkte hinaus hat“, sagte er Topagrar. Die Biofläche legte in Deutschland zuletzt ordentlich zu: Nach aktuellen Zahlen des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) wuchs die Ökofläche 2016 auf 1.185.471 Hektar – ein Plus von 8,9% gegenüber 2015. Doch die Fläche hinkt immer noch der Nachfrage der Verbraucher hinterher und viele Landwirte zögern mit der Umstellung, da ausreichend Unterstützung fehlt. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt hatte zum Auftakt der Biofach-Messe seine „Zukunftsstrategie ökologischer Landbau“ vorgestellt, mithilfe derer er den ökologischen Landbau in Deutschland stärken und den Anteil der Biofläche ausweiten will. Dafür hat er das 20%-Ziel neu entdeckt, das sich die Bundesregierung erstmals im Jahr 2002 setzte. Erreichen will Schmidt den Bioanteil von 20% „mittelfristig“, aber zumindest noch „zu Lebzeiten“. Das ist Harald Ebner zu schwammig: „Wir brauchen auch im Bund kein Nachkleckern, sondern konkrete Öko-Ausbauziele, einen Zeitplan, und vor allem die Bereitschaft, in Aus- und Weiterbildung, Verbraucherkommunikation, Marktentwicklung und in Forschung, Züchtung und ökologische Alternativen zu investieren.“ (ab)

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