News

17.07.2017 |

FIAN-Studie: Europäische Akteure mischen kräftig beim globalen Landraub mit

Bagger
Europäische Akteuren mischen beim globalen Landraub mit (Foto: CC0)

In der EU ansässige Akteure spielen eine wichtige Rolle bei Landgrabbing und den damit verbundenen Menschenrechtsverstößen im Globalen Süden, doch die Politik hat darauf noch keine angemessenen Antworten gefunden. Dies ist die Kernbotschaft einer Studie über Landgrabbing-Fälle unter Beteiligung europäischer Firmen und Finanzinvestoren, die am 13. Juli von der Menschenrechtsorganisation FIAN veröffentlicht wurde. Die Publikation beleuchtet unter anderem Landgrabbing in Sambia, Uganda, Kongo und Mosambik und zeigt die Folgen großflächiger Agrar-Investitionen für die Menschen vor Ort auf. Gerade in den Ländern, in denen ein Großteil der Bevölkerung auf die kleinbäuerliche Landwirtschaft angewiesen ist, verlieren sehr viele Menschen durch den Flächenhunger von Agrarinvestoren ihre Existenzgrundlage. „Vor genau zehn Jahren berichteten die Medien erstmals über moderne Landnahmen, auch Landgrabbing genannt“, erinnert Roman Herre, Agrar-Referent von FIAN Deutschland. „Private und staatliche Investoren sind seitdem ständig auf der Suche nach riesigen Landflächen, um Agrartreibstoffe anzubauen, Nahrungsmittel zu exportieren oder um damit schlicht zu spekulieren. Oftmals werden hierdurch örtliche Gemeinden von ihrem Land vertrieben.“ Daher sieht Herre die jüngste Absage von Bundeskanzlerin Merkel an die „klassische Entwicklungshilfe“ und die Ankündigung einer verstärkten Zusammenarbeit mit Konzernen und Finanzinvestoren kritisch und befürchtet, dass dies für die Landwirtschaft „wenig Gutes erwarten“ lasse.

Bei der FIAN-Publikation handelt es sich um eine deutschsprachige Zusammenfassung einer im Mai 2016 im Auftrag des Europäischen Parlaments veröffentlichten Studie. Diese hatte gezeigt, dass die Rolle von Akteuren aus EU-Mitgliedsstaaten bei Landnahmen und Menschenrechtsverletzungen noch weitgehend unbeachtet bleibt, während Länder wie China, die Golfstaaten oder Südkorea bei der globalen Jagd nach fruchtbarem Ackerland häufig im Rampenlicht der Medienberichterstattung stehen. Die Zusammenfassung von FIAN betont, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten es bisher versäumt haben, das weltweite Landgrabbing durch europäische Akteure einzudämmen. Die EU habe zwar auf Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang mit Landgrabbing mittels einer Reihe von Strategien und Initiativen reagiert, doch sie komme damit ihren menschenrechtlichen Verpflichtungen nicht ausreichend nach. Gerade Konzepte zur Selbstregulierung der Wirtschaft und der sozialen Verantwortung von Unternehmen können die Folgen von Landgrabbing nicht vermeiden.

„Bis heute fehlen viele Grundlagen wie konkrete Handlungsanleitungen für Botschaftspersonal, um Fällen von Landgrabbing aktiv nachzugehen, diese zu dokumentieren und an Regierungen und Parlamente zu übermitteln“, erklärt Brigitte Reisenberger, Geschäftsleiterin von FIAN Österreich. Auch die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte müsste sehr viel konkreter werden, etwa durch eine systematische Auswertung der zahlreichen Berichte über Landkonflikte sowie die engere Zusammenarbeit mit den UN-Menschenrechtsexperten, forderte Reisenberger. Welch geringen Stellenwert internationale Finanzinvestoren den sozialen Auswirkungen ihrer Aktivitäten beimessen, zeige das Beispiel der vielgelobten „UN-Prinzipien für verantwortungsvolle Investitionen“. Laut einer aktuellen Untersuchung des Think- Tank E3G stellen die knapp 1000 dort beigetretenen Konzernen und Investoren im Schnitt gerade einmal eine Person pro 14 Milliarden US-Dollar verwaltetem Vermögen an, um die ökologischen und sozialen Auswirkungen der Investitionen zu überwachen. „Es ist absurd anzunehmen, dass auf diese Weise ein relevanter Beitrag gegen Umweltschäden oder Menschenrechtsverstöße geleistet wird“, kritisiert Roman Herre. „Die Zahlen belegen die Notwendigkeit einer internationalen Regulierung anstelle freiwilliger Selbstverpflichtungen.“ (ab)

12.07.2017 |

OECD/FAO: Stabile Lebensmittelpreise und gedämpfter Fleischhunger pro Kopf bis 2026

Getreide2
Die Lebensmittelpreise sollen in den nächsten 10 Jahren stabil bleiben (Foto: CC0)

Die weltweiten Lebensmittelpreise werden in den nächsten zehn Jahren niedrig bleiben, da die Nachfrage nach Agrarrohstoffen nur noch langsam wachsen wird und die Biokraftstoffpolitik weniger Einfluss auf die Märkte haben wird als in der Vergangenheit. Davon gehen die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und die Welternährungsorganisation FAO aus, die am Montag ihren jährlichen gemeinsamen Bericht veröffentlichten. Der OECD-FAO Agricultural Outlook 2017-2026 enthält zahlreiche Prognose für alle wichtigen Agrarrohstoffe, zu Fisch und zu Biosprit. Er sagt voraus, dass die in den letzten 10 Jahren erfolgte Aufstockung der Getreidebestände um 230 Millionen Tonnen sowie ausreichende Bestände bei den meisten anderen Rohstoffen verhindern werden, dass die Preise ansteigen. Die Lebensmittelpreise befänden sich nun fast wieder auf dem Niveau von vor der Lebensmittelpreiskrise 2007-2008, als die Preise enorm in die Höhe geklettert waren. „Die realen Preise der meisten Agrarrohstoffe und Fisch werden im zehnjährigen Prognosezeitraum leicht fallen“, kündigte OECD-Generalsekretär Angel Gurría an. Doch er mahnte auch, dass es unabdingbar sei, dass Regierungen weiterhin gemeinsame Anstrengungen unternehmen, um die globalen Lebensmittelmärkte stabil zu halten, da sich unvorhergesehene Ereignisse leicht entgegen dem Trend auf die Märkte auswirken können.

Die globale Getreideproduktion wird bis 2026 um 12% wachsen – dann soll 11% mehr Weizen, 14% mehr Mais und 13% mehr Reis produziert werden. Der Anstieg sei vor allem Ertragssteigerungen geschuldet. So soll 90% des Zuwachses beim Mais durch höhere Erträge und nur 10% durch eine Ausweitung der Anbaufläche erzielt werden. Die weltweite Fleischproduktion wird bis 2026 auf rund 353 Millionen Tonnen steigen – gut 75% der zusätzlichen Menge wird aus Entwicklungsländern stammen. Das Wachstum wird vor allem durch eine um 13% steigende Geflügelherstellung angeschoben, gefolgt von Schweinefleisch mit einem Plus von 10%. Der Bericht sagt voraus, dass Zuwächse in der Milch- und Fleischproduktion durch größere Mastbetriebe und höhere Leistung pro Tier erzielt werden. Die durchschnittliche Verfügbarkeit von Kalorien wird bis 2026 auf 2.450 kcal pro Person in den ärmsten Ländern und über 3.000 kcal in anderen Entwicklungsländern steigen. „Doch wir wissen auch, dass mehr Lebensmittel allein nicht ausreichen, um Unterernährung und andere Formen der Mangelernährung zu beseitigen“, ließ FAO-Generaldirektor José Graziano da Silva verlauten. „Der Zugang zu zusätzlichen Kalorien ist sehr wichtig. Aber eine größere Herausforderung ist der Kampf gegen die Mangelernährung, der eine abwechslungsreiche, sichere und nahrhafte Ernährung erfordert, die idealerweise mit geringeren Umweltbelastungen einhergeht.”

Dem Bericht zufolge wird die Pro-Kopf-Nachfrage nach Agrarrohstoffen - außer in den ärmsten Ländern - nicht steigen und die wachsende Nachfrage nach Fleisch wird einen Dämpfer erhalten. In den letzten Jahren hatte vor allem der chinesische Fleischhunger die Nachfrage nach Futtermitteln enorm angeheizt und im Biospritsektor stieg die Nachfrage nach Rohstoffen jedes Jahr um fast 8%. Mittelfristig wird dieser Trend nicht anhalten. Der globale Fleischkonsum wird 2026 bei 34,6 kg stagnieren und damit nur um ein halbes Kilo zulegen. Das liegt laut FAO und OECD an dem großen Anteil der Weltbevölkerung mit niedrigem Einkommen und sich ändernden Ernährungsgewohnheiten. Insgesamt scheine es, dass eine Angleichung an den westlichen Ernährungsstil nur begrenzt erfolge.

Die Nachfrage nach Ethanol und Biodiesel sei aufgrund geringerer Preise für fossile Brennstoffe und weniger Anreize durch politische Maßnahmen abgeschwächt. Auch wenn die Energiepreise wohl weiter steigen, wird die Nachfrage nach Rohstoffen für die Erzeugung von Biosprit, vor allem Mais und Zuckerrohr für Ethanol sowie Pflanzenöl für Biodiesel, nur langsam wachsen. In Entwicklungsländern werde jedoch eine steigende Nachfrage durch politische Fördermaßnahmen angekurbelt. In den nächsten 10 Jahren wird die globale Biospritproduktion um 17% wachsen, doch verglichen mit einem Anstieg um 90% im letzten Jahrzehnt fällt das Plus laut den Experten vergleichsweise gering aus. (ab)

10.07.2017 |

Oxfam: G20-Gipfel geht nicht entschlossen gegen Armut und Ungleichheit vor

Oxfam2
Quo vadis, G20? Mehr soziale Ungleichheit, weniger Armut? (Foto: Mike Auerbach/Oxfam)

Der G20-Gipfel hat zu wenig Fortschritte für Menschen gebracht, die in Armut leben. Das kritisiert die NGO Oxfam zum Ende des Treffens der führenden Industrienationen am 8. Juli in Hamburg. „Als Entwicklungsorganisation fragen wir, ob die Beschlüsse der G20 dazu beitragen, die Lebenssituation von Menschen zu verbessern, die in Armut leben“, sagte Jörn Kalinski von Oxfam. „Und das ernüchternde Fazit lautet: kaum! Trotz der Proteste gegen die wachsende soziale Ungleichheit auf der Welt haben die Staats- und Regierungschefs es nicht vermocht, die Weichen in Richtung mehr soziale Gerechtigkeit zu stellen“, lautete eine erste Reaktion. Die Organisation bemängelte, die Staats- und Regierungschefs hätten es versäumt, drängende Probleme wie die wachsende soziale Ungleichheit oder den Kampf gegen den Klimawandel entschlossen anzugehen.

Das Echo zu den Hilfszusagen für aktuelle Hungerkrisen fiel geteilt aus. Oxfam begrüßte zwar die Ankündigung von US-Präsident Trump, den Kampf gegen akute Hungersnöte mit 639 Millionen Dollar (ca. 572 Millionen Euro) zu unterstützen, von denen etwas die Hälfte an das Welternährungsprogramm gehen werden. Die Organisation betonte aber auch, dass dies längst überfällig gewesen sei und zudem nicht ausreichend, um die betroffenen Menschen in Nigeria, Somalia, Südsudan und Jemen vor einer Hungersnot zu bewahren. Angesichts der dramatischen Lage in den vier Ländern bekannten sich die G20-Staaten in ihrer Abschlusserklärung „mehr denn je dazu, mit der gebotenen Dringlichkeit zu handeln und die UN-Organisationen und andere Entwicklungsorganisationen koordiniert und umfassend dabei zu unterstützen, Leben zu retten und die Bedingungen für nachhaltige Entwicklung zu unterstützen“. Oxfam kritisierte, dass nur wenige G20-Länder ihren fairen Beitrag zur Finanzierung der Nothilfe-Aufrufe für die aktuellen Hungerkrisen leisteten. Es sei inakzeptabel, dass die meisten großen G20-Länder die Gelegenheit nicht genutzt hätten, ihre Beiträge zur Nothilfe aufzustocken. „Die Folge ist, dass Menschen sterben werden, deren Leben andernfalls hätten gerettet werden können.“

Die G20-Staaten beschlossen auf dem Gipfel zudem die Initiative „Compact with Africa“, die mithilfe von privaten Investitionen „nachhaltiges, inklusives Wirtschaftswachstum sowie nachhaltige, inklusive Entwicklung“ fördern will. Die G20-Afrika-Partnerschaft solle dazu beitragen, „vor allem für Frauen und Jugendliche menschenwürdige Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen, und so helfen, Armut und Ungleichheit als Ursachen von Migration anzugehen“, ist in der Abschlusserklärung zu lesen. Oxfam sieht dies jedoch kritisch: „Die Initiative Compact with Africa baut auf dem irrigen Glauben auf, dass Privatinvestitionen schon irgendwie die Lebenssituation von Menschen in Armut verbessern werden. Doch dies ist nur dann der Fall, wenn Investitionen politisch gestaltet werden, im Dialog mit den Menschen und heimischen Unternehmen vor Ort, so dass alle profitieren, insbesondere Frauen.“ Doch davon ist nicht die Rede. Daher sei das Risiko groß, dass die Wünsche von Konzernen und Investoren im Vordergrund stehen, die im Schluss-Kommunique ausdrücklich ermutigt werden, „die wirtschaftlichen Möglichkeiten Afrikas zu nutzen“.

Des Weiteren bemängelte Oxfam die unzureichenden Beschlüsse der G20 in Handelsfragen, die nicht dazu beitragen werden, die Märkte demokratischer und gerechter zu machen. „Freier Handel ist nicht unbedingt fairer Handel. Im Gegenteil trägt ein unzureichend regulierter Handel dazu bei, die weltweite soziale Ungleichheit zu vergrößern“, hieß es in einer Pressemitteilung. Gerade zwischen ungleichen Partnern brauche es Regeln, damit aus Handelsfreiheit kein Freibrief für Ausbeutung werde. Zudem würden es die massiven Agrarsubventionen vieler G20-Länder afrikanischen Bauern unmöglich machen, im Wettbewerb zu bestehen. „Die G20 haben es versäumt, Lösungen für diese drängenden Probleme zu formulieren“, lautet das ernüchternde Fazit von Oxfam. (ab)

06.07.2017 |

FAO: Konflikte und Klimawandel lassen Zahl der Hungernden wieder steigen

Mädchen
Düstere Aussichten im Kampf gegen den Hunger (Foto: CC0)

Die Zahl der unterernährten Menschen weltweit steigt wieder, da Konflikte und der Klimawandel Fortschritte der letzten Jahre bei der Hungerbekämpfung zunichte machen. Das verkündete die Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen am Montag zum Auftakt der alle zwei Jahre stattfindenden Konferenz der Mitgliedstaaten. Nach den letzten Berechnungen der FAO aus dem Jahr 2015 litten 795 Millionen Menschen weltweit an Hunger. Die internationale Gemeinschaft visiert mit dem 2. UN-Nachhaltigkeitsziele an, bis 2030 diese Zahl auf Null zu reduzieren. Doch dieses Ziel könnte nun in weite Ferne rücken. „Ich wünschte ich könnte hier heute einige positive Nachrichten zum weltweiten Kampf gegen den Hunger übermitteln“, sagte FAO-Generaldirektor José Graziano da Silva. „Doch leider ist das nicht der Fall. Vorläufige Daten für dieses Jahr deuten darauf hin, dass die Zahl der unterernährten Menschen weltweit gestiegen ist und erneut wächst.“ Die endgültigen Zahlen werden im September vorliegen, wenn die FAO ihren jährlichen Bericht zur Lage der Ernährungssicherheit veröffentlicht, doch die Vorankündigung verheißt nichts Gutes. Da Silva warnte gar, die Welt könnte auf die schlimmste Ernährungskrise seit dem 2. Weltkrieg zusteuern.

Die FAO macht momentan 19 Länder aus, die sich in einer anhaltenden Krise befinden. „Anfang dieses Jahres wurde für Teile des Südsudan eine Hungersnot ausgerufen. Dies bedeutet, dass zum Zeitpunkt, zu dem eine Hungersnot ausgerufen wird, schon tausende Menschen verhungert sind. Es gibt auch Warnungen zu einem hohen Risiko einer Hungerkrise für den Nordosten Nigerias, Somalia und Jemen. Fast 20 Millionen Menschen sind in den vier Ländern stark betroffen, erklärte da Silva. Diese Länder hätten auch mit extremen Wetterereignissen wie Dürren und Überflutungen zu kämpfen. Dem FAO-Generaldirektor zufolge leben fast 60% der an Hunger leidenden Menschen weltweit in Ländern, die von Konflikten und dem Klimawandel betroffen sind. Die Existenz dieser meist auf dem Lande lebenden Menschen ist zerstört worden und „viele von ihnen haben keine andere Möglichkeit gefunden, als sich in die steigenden Statistiken einer Migration aus der Not heraus einzureihen.“

Papst Franziskus rief die Staatengemeinschaft zu mehr Hilfe für die armen Länder auf und verwies auf weitere Ursachen der Unterernährung. „Hunger und Unterentwicklung sind nicht nur natürliche oder strukturelle Phänomene in bestimmten geografischen Gebieten, sondern das Ergebnis einer komplexeren Bedingung von Unterentwicklung, die durch die Gleichgültigkeit vieler und die Selbstsucht einiger verursacht wird.“ Es seien konkrete Entscheidungen, die zu verheerenden Folgen wie Krieg und Terrorismus führten, betonte das Oberhaupt der katholischen Kirche. „Wir haben es mit komplexen Mechanismen zu tun, die vor allem die Verwundbarsten treffen, die nicht nur von den Produktionsprozessen ausgeschlossen werden, sondern auch oft gezwungen sind, ihr Land auf der Suche nach Zuflucht und Hoffnung zu verlassen.

FAO-Chef da Silva räumte ein, dass „Frieden eine Voraussetzung für das Ende von Hungerkrisen“ sei, betonte aber auch, „dass wir nicht auf Frieden warten können, bevor wir aktiv werden“. Es gebe viel, was die Weltgemeinschaft unternehmen könne, um Hunger während Konflikten und lang anhaltenden Krisen zu bekämpfen. Verletzliche Menschen benötigen Hilfe, damit sie weiterhin selbst Lebensmittel anbauen können. Daher gehöre die Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft, die Abmilderung des Klimawandels, Armutsbekämpfung, Wasserknappheit, Migration und Unterstützung von unter Konflikten leidenden Menschen auf dem Lande zu den Prioritäten der FAO für die nächsten zwei Jahre. Trotz der Rückschläge bemühte sich da Silva, Optimismus zu verbreiten. Er sei zuversichtlich, dass die Weltgemeinschaft das Ziel, bis 2030 Hunger und Mangelernährung zu beseitigen, noch erreichen kann. Doch dies gelinge nur, wenn „die Länder ihre Zusagen in konkrete Taten umsetzen“. (ab)

03.07.2017 |

Störungsanfällige Nadelöhre des globalen Handels gefährden Lebensmittelversorgung

Panama
Ein Nadelöhr des Welthandels: der Panama-Kanal (Foto: CC0)

Die globale Lebensmittelversorgung ist immer mehr abhängig von wenigen Nadelöhren des Welthandels, die anfällig für Störungen sind. Davor warnt eine neue Studie des britischen Thinktanks Chatham House. Diese nennt 14 Flaschenhälse von globaler strategischer Bedeutung – Wasserstraßen, Häfen und Verkehrsnetze an Land – durch die mehr als die Hälfte des weltweit gehandelten Getreides passiert. „Eine ernsthafte Unterbrechung an einem oder mehreren Nadelöhren könnte zu Versorgungsengpässen und Preisanstiegen führen“, so der Bericht. Alltäglichere Unterbrechungen mögen zwar nicht gleich eine Krise auslösen, aber sie könnten mit größeren Verzögerungen, Lebensmittelverlusten oder höheren Transportkosten einhergehen und damit zu höheren und schwankenden Lebensmittelpreisen beitragen. „Wir sprechen hier von einem großen Anteil der globalen Lebensmittelversorgung, der aufgehalten oder für erheblich Zeit gestoppt werden könnte“, zitiert die britische Zeitung The Guardian Mitautorin Laura Wellesley. „Es ist besorgniserregend, dass infolge des Klimawandels eine oder mehrere Störungen an Nadelöhren sehr wahrscheinlich mit Ernteausfällen zusammenfallen könnten und dann wird es ernst.“

Der internationale Handel mit Lebensmitteln und landwirtschaftlichen Inputs ist auf ein weltweites Transportsystemnetz angewiesen. Ein komplexes Geflecht aus Bahnstrecken, Wasserwegen, Häfen, Seewegen und Lagerinfrastruktur stützt die Bewegung von Nutzpflanzen und Dünger von den Höfen oder Fabriken zu den Häfen und von Region zu Region. Die wichtigsten Flaschenhälse zu Land und Wasser liegen in den wenigen Kornkammern der Welt. Auf die USA, Brasilien und die Schwarzmeer-Region entfallen laut Chatham 53% der globalen Exporte von Weizen, Reis, Mais und Soja. Binnenwasserstraßen transportieren gut 60% der US-Exporte dieser vier Hauptpflanzen ans Meer, vor allem an die Häfen der Golfküste. In Brasilien stemmen vier Häfen ein Viertel der globalen Sojaexporte. Gut 60% der Weizenexporte aus Russland und der Ukraine sind auf Schienenwege zum Schwarzen Meer angewiesen. In der Schifffahrt sind der Panamakanal und die Straße von Malakka die Hauptnadelöhre für den Durchsatz von Getreide, da sie westliche und asiatische Märkte verbinden. Doch Chatham House warnt, dass die Lieferketten nur so stark sind wir ihr schwächstes Glied und diese Verbindungsstellen die kritischsten Punkte sind.

Der Bericht nennt drei Störungskategorien: Extreme Wetterereignisse wie Stürme und Hochwasser könnten die vorübergehende Schließung von Nadelöhren verursachen. Zudem könnte Konflikte durch Krieg, politische Instabilität, Piraterie oder das organisierte Verbrechen und Terrorismus entstehen. Aber auch politische Eingriffe und institutionelles Versagen könnten zu Unterbrechungen führen, z.B. wenn Behörden einen Flaschenhals schließen oder den Durchlauf von Lebensmitteln beschränken. Fast alle großen Flaschenhälse haben in den letzten 15 Jahren Schließungen oder Unterbrechungen erlebt. Im Juni 2017 wurden zuletzt infolge der Blockade Katars die Landwege geschlossen, über die 40% der Lebensmittelimporte des Landes laufen. Chatham sieht die Gefahr wachsender Risiken, da die Abhängigkeit von diesen Nadelöhren steigt, gerade in von Nahrungsmitteleinfuhren abhängigen Ländern. In den letzten 15 Jahren ist der Anteil der international gehandelten Getreide- und Düngerlieferungen, die per Schiff mindestens ein Nadelöhr passieren müssen, von 43% auf 54% gestiegen. Gut 10% der Lieferungen ist auf eine Wasserroute ohne Alternative angewiesen. Der Klimawandel wird diese Risiken weiter verstärken, da extreme Wetterereignisse häufiger und stärker auftreten und steigende Meeresspiegel die Hafeninfrastruktur oder Lagereinrichtungen an Küsten bedrohen. Mangelnde Investitionen in Infrastruktur und veraltete, überlastete und störungsanfällige Transportwege könnten nun zum Problem werden.

Chatham beklagt, dass Nadelöhre bei Einschätzung der Ernährungssicherheit trotz ihres erheblichen Einflusses auf Lebensmittelpreise und -angebot systematisch übersehen werden und gibt mehrere Tipps zum Gegensteuern. Regierung sollten ihre Produktion und globale Versorgungsketten für Getreide diversifizieren, in Infrastruktur investieren und mit anderen Regierungen kooperieren, um regionale strategische Reserven und Lagerinfrastruktur anzulegen. Die Autoren appellieren an die Industrieländer, die Lebensmittel exportieren, ihre handelsverzerrenden Agrarsubventionen zu reformieren. „Solche Subventionen fördern eine systematische Abhängigkeit von einer Handvoll cash crops und wenigen Getreide exportierenden Regionen. Stattdessen sollten öffentliche Mittel dafür eingesetzt werden, alternative Quellen der Getreideproduktion weltweit zu unterstützen, um die globale Lebensmittelproduktion zu diversifizieren und die Importabhängigkeit andernorts zu verringern.“ (ab)

26.06.2017 |

UN: Weltbevölkerung wächst bis 2100 auf 11,2 Milliarden Menschen

Voll
Die Zahl der Menschen wächst, vor allem in Indien (Foto: CC0)

Die Weltbevölkerung wird im Jahr 2050 auf 9,8 Milliarden Menschen anwachsen, 2100 sollen bereits 11,2 Milliarden den Planeten bewohnen. Dies zeigen die neusten Berechnungen der Vereinten Nationen, die am 21. Juni veröffentlicht wurden. Die Hauptabteilung Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten (UN DESA) sagt voraus, dass Indien China schon 2024 den Rang als bevölkerungsreichstes Land der Welt ablaufen könnte, während Nigeria um das Jahr 2050 an den USA vorbei auf Platz 3 vorrücken könnte. Die Weltbevölkerung wächst munter weiter, wenn auch etwas langsamer als in den letzten Jahren. Sie wird von gegenwärtig 7,6 Milliarden im Jahr 2030 auf 8,6 Milliarden angewachsen sein. Vor zehn Jahren betrug der jährliche Anstieg noch 1,24%, nun sind es 1,1%. Jedes Jahr kommen 83 Millionen Menschen neu hinzu.

Aktuell leben 60% der Weltbevölkerung in Asien (4,5 Milliarden), gefolgt von Afrika (1,3 Mrd.), 10% in Europa (742 Millionen), 9% in Lateinamerika und der Karibik (646 Mio.) und 6% in Nordamerika (361 Mio.) und Ozeanien (41 Mio.). Allein in den zwei bevölkerungsstärksten Ländern China und Indien leben 1,4 bzw. 1,3 Milliarden Menschen, die damit 19% bzw. 18% der Gesamtzahl auf sich vereinen. Ein großer Anteil des Zuwachses bis 2050 wird in den Ländern mit hohen Fertilitätsraten, vor allem in Afrika, oder in Ländern mit einer großen Bevölkerung verzeichnet werden. Am schnellsten wächst die Bevölkerung in Nigeria. Den größten Beitrag zur wachsenden Welt werden Indien, die Demokratische Republik Kongo, Pakistan, Äthiopien, Tansania, die USA, Uganda und Indonesien leisten.

Den UN-Prognosen zufolge wird es vor allem in den 47 ärmsten Ländern der Welt (LDCs), von denen sich 33 in Afrika befinden, zu einer starken Bevölkerungszunahme kommen. Auch wenn sich der Anstieg verlangsamt, wird sich die Zahl der Menschen, die in diesen ärmsten Ländern lebt, bis 2050 fast verdoppeln auf 1,9 Milliarden. In Angola, Burundi, im Niger, in Somalia, Tansania und Sambia wird sich die Bevölkerung zwischen 2017 und 2100 sogar verfünffachen. Die Autoren des Berichts warnen, dass „die Konzentration des Bevölkerungswachstums in den ärmsten Ländern es den Regierung erschweren wird, Armut zu beseitigen, Ungleichheit zu reduzieren, Armut und Mangelernährung zu bekämpfen, die Bildungs- und Gesundheitssystem auszuweiten und auf den neusten Stand zu bringen, die Bereitstellung von grundlegenden Leistungen zu verbessern und sicherzustellen, dass kein Mensch zurückgelassen wird“. Dies wird beträchtliche Herausforderungen für die Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung mit sich bringen, betont der Bericht.

In einigen Ländern geht die Bevölkerungszahl jedoch auch zurück. In Bulgarien, Kroatien, Lettland, Litauen, Polen, Moldawien, Rumänien, Serbien und der Ukraine wird ein Bevölkerungsrückgang um mehr als 15% bis 2050 erwartet. In allen europäischen Ländern ist die Fertilitätsrate nun unter den Wert von 2,1 Geburten pro Frau gesunken, der für eine konstante Bevölkerung nötig wären. Zwar prognostizieren die UN-Statistiker in Europa einen Anstieg von 1,6 Geburten pro Frau im Zeitraum 2010-2015 auf fast 1,8 Geburten im Zeitraum 2045-2050, doch dies kann den Trend nicht aufhalten. Die geringe Geburtenrate führt auch zu einer alternden Bevölkerung. Im Vergleich zu 2017 wird sich die Zahl der Menschen über 60 Jahre bis 2050 mehr als verdoppeln von gegenwärtig 962 Millionen auf 2,1 Milliarden. Die Lebenserwartung hat in den letzten Jahren beachtlich zugelegt, von 67,2 Jahre im Zeitraum 2000-2005 auf 70,8 Jahre im Zeitraum 2010-2015. Vor allem in Afrika werden die Menschen nun deutlich älter, auch wenn die Bevölkerung dort im weltweiten Vergleich mit 60,2 Jahren immer noch die geringste Lebenserwartung hat. Am ältesten werden die Menschen in Nordamerika mit 79,2 Jahren, gefolgt von Ozeanien mit 77,9 Jahren, Europa mit 77,2 Jahren, Lateinamerika und der Karibik mit 74,6 Jahren und Asien mit 71,8 Jahren. (ab)

21.06.2017 |

Agrar-Report: Artenschwund erfordert sofortige Neuausrichtung der Agrarpolitik

Neuausrichtung
Eine Neuausrichtung der Agrarpolitik für mehr Artenvielfalt ist nötig (Foto: CC0)

Der rasch voranschreitende Verlust der biologischen Vielfalt in der deutschen Agrarlandschaft erfordert eine grundlegende und sofortige Kehrtwende in der Agrarpolitik. So lautet die nachdrückliche Mahnung des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) anlässlich der Vorstellung des Agrar-Reports 2017 am Dienstag. Das BfN fasst in dem 68-seitigen Bericht die Ergebnisse unterschiedlicher Forschungsvorhaben zusammen. Das Fazit fällt ernüchternd aus: „Der Zustand der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft ist alarmierend“, heißt es gleich eingangs, und „die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union sowie die nationale Agrarpolitik leisten auch nach der letzten Reform 2013 keinen substanziellen Beitrag, um dem anhaltenden Verlust der biologischen Vielfalt wirksam entgegenzutreten“.

Als Beispiel für den Artenschwund nennt der Bericht Bestandsrückgänge bei wildwachsenden Pflanzenarten, Vögeln in der Agrarlandschaft und Insekten. Überproportionale Bestandsrückgänge bei den Kleininsekten und Spinnen fressenden Vogelarten ließen auch auf einen Rückgang der Insekten schließen. „Praktisch alle Tier- und Pflanzengruppen in der Agrarlandschaft sind von einem eklatanten Schwund betroffen“, erläuterte BfN-Präsidentin Prof. Beate Jessel. Die Problematik setze sich bei der Lebensraumvielfalt fort. Auch den Wiesen und Weiden geht es schlecht. Das sei wegen ihrer Bedeutung für die Artenvielfalt bedenklich. Über ein Drittel aller heimischen Farn- und Blütenpflanzen kommen vor allem im Grünland vor, bei den hierzulande gefährdeten Farn- und Blütenpflanzenarten sind es sogar rund 40%. „Der quantitative Rückgang der Fläche des Dauergrünlands hat sich zwar verlangsamt und scheint in Teilen sogar gestoppt. Infolge der intensiven Grünlandbewirtschaftung schreitet die qualitative Verschlechterung des Grünlands jedoch ungebremst weiter voran“, warnt der Bericht. Alarmierend sei, dass nicht nur extensiv bewirtschaftete, sondern verbreitet auch blütenreiche Grünlandtypen mittlerer Nährstoffgehalte und Bewirtschaftungsintensitäten massiv leiden. Der Biodiversitätsverlust gefährde nicht nur die Nahrungsgrundlage und den Lebensraum von Insekten und Vögeln - es gehen auch wichtige Ökosystemleistungen verloren. Dies hat z.B. negative Folgen für die Landwirtschaft, die auf Bestäuber oder natürliche Gegenspieler für Schädlinge angewiesen ist.

Der Report lobt zwar die Rolle der Landwirtschaft als Bewahrerin einer vielfältigen Kulturlandschaft mit diverser Flora und Fauna, geht aber auch hart mit ihr ins Gericht: „Während die Landbewirtschaftung bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts zur Diversifizierung von Lebensräumen und damit zur Entstehung komplexer Agro-Ökosysteme beigetragen hat, führt ihre moderne ‚industrialisierte’ Ausprägung bis heute zur Vereinheitlichung und Monotonisierung ganzer Landschaften mit erheblichen Auswirkungen auf die Biodiversität und den Naturhaushalt.“ Die EU-Agrarpolitik und die nationale Umsetzung hätten hinsichtlich der Erhaltung der Biodiversität versagt und auch die letzte Reform 2013 sei weitgehend wirkungslos. Die Ökologischen Vorrangflächen entfalteten kaum Mehrwert für die Biodiversität und seien hochgradig ineffizient. Die Erfüllung der Anforderungen für den größten Teil dieser Flächen werde durch den Anbau von Zwischenfrüchten und Leguminosen realisiert, die keinen Mehrwert für die biologische Vielfalt erbringen, so Prof. Jessel. In der zweiten Säule der GAP sei der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des Ländlichen Raums zwar das wichtigste Instrument zur Finanzierung des Naturschutzes in der Agrarlandschaft, doch es bestehe eine große Lücke zwischen den verfügbaren EU-Finanzmitteln und dem Bedarf und es bestünden bürokratische Hürden.

„Dies alles zeigt die Notwendigkeit einer grundlegenden und schnellstmöglichen Kehrtwende in der GAP“, betonte Jessel. Eine solche Neuausrichtung sei nicht nur aus Naturschutzsicht erforderlich, sondern habe auch starken Rückhalt in der Bevölkerung. Eine zukunftsfähige GAP erfordere die konsequente Ausrichtung von Zahlungen an die Landwirtschaft am Gemeinwohlprinzip nach dem Grundsatz „Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“. Finanzielle Mittel in ausreichender Höhe müssen hierfür bereitgestellt werden. Zudem brauche es Anreize für eine naturverträgliche, standortangepasste und damit nachhaltige Bewirtschaftung. Ökologische Leistungen müssten durch geringeren administrativen Aufwand und vereinfachte Kontrollregelungen gesichert werden. (ab)

20.06.2017 |

Lebensgrundlage Land: UN will degradierte Böden wieder nutzbar machen

Dürre
Häufige Dürren können zu Bodendegradation beitragen (Foto: CC0)

Eine bessere Landbewirtschaftung ist nötig, um der Wüstenbildung Einhalt zu gebieten und zu vermeiden, dass Menschen aufgrund von Bodendegradation ihre Heimat verlassen müssen. Darauf machten mehrere UN-Organisationen am Welttag für die Bekämpfung von Wüstenbildung und Dürre am 17. Juni aufmerksam, der dieses Jahr unter dem Leitthema „Unser Land, unsere Heimat, unsere Zukunft“ stand und das Hauptaugenmerk darauf richtete, die Landbewirtschaftung und das Leben in ländlichen Gemeinden für junge Menschen wieder lohnenswert zu machen. Hunderte Millionen Menschen weltweit sind gegenwärtig von Desertifikation betroffen – der Verschlechterung von Landökosystemen aufgrund nicht nachhaltiger Praktiken wie Übernutzung von Ackerland, Überweidung, Waldrodung oder Bergbau, aber auch infolge des Klimawandels. „Das Bevölkerungswachstum wird bis 2050 zu einer Verdoppelung des Nahrungs- und Wasserbedarfs führen, doch die Getreideernten werden Prognosen zufolge auf dürregeplagtem und degradiertem Land abrupt zurückgehen. Mehr als 1,3 Milliarden Menschen, die meisten von ihnen in ländlichen Gegenden in Entwicklungsländern, sind davon betroffen“, sagte Monique Barbut, Exekutivsekretärin des Übereinkommens der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung (UNCCD).

Rund um den Globus zwingt die Bodenverschlechterung Menschen dazu, ihr Zuhause und ihr Land zu verlassen. Schätzungen zufolge wurden fast 500 Millionen Hektar einst fruchtbares Land – eine Fläche fast halb so groß wie China – aufgrund von Dürre, Desertifikation und falschem Landmanagement vollständig aufgegeben. „In den nächsten Jahrzehnten werden 135 Millionen Menschen dem Risiko ausgesetzt sein, dauerhaft von Desertifikation und Bodendegradation vertrieben zu werden“, warnte Barbut. Auch Erik Solheim, der Exekutivdirektor des UN-Umweltprogramms, betonte, dass die Bodendegradation großen Einfluss darauf hat, wo und wie Menschen leben. „Sie führt zur Verdrängung von Menschen, indem sie kurzfristig ihr Leben bedroht und langfristig eine Existenz unmöglich macht, vor allem für die ärmsten und verletzlichsten Bevölkerungsgruppen.“ Wenn noch mehr Land der Wüstenbildung zum Opfer fällt, droht Menschen auf dem Land, die auf Weidehaltung, Landwirtschaft und natürliche Ressourcen angewiesen sind, zusätzliche Gefahr wie wachsende Armut und ein geringeres Bildungsniveau. Da der Zustand der Böden so wichtig ist, nimmt Land laut den UN-Organisationen einen hohen Stellenwert auf der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung ein und wurde mit einem eigenen UN-Nachhaltigkeitsziel (SDG) bedacht. SDG 15 zielt unter anderem darauf ab, Landökosysteme zu schützen, wiederherzustellen und ihre nachhaltige Nutzung zu fördern, Wüstenbildung zu bekämpfen und die Bodendegradation zu beenden und umzukehren.

Um der bedrohlichen Bodenverschlechterung entgegenzuwirken, muss an zwei Stellen angesetzt werden, erklärt UNESCO-Generaldirektorin Irina Bokova: Zum einen ist eine nachhaltigere Bodenbewirtschaftung nötig, um die Desertifikation zu stoppen und die Produktivität des Landes zu bewahren, und zum anderen muss die Widerstandsfähigkeit verletzlicher Bevölkerungsgruppen gestärkt werden, indem alternative Existenzgrundlagen geschaffen werden. Monique Barbut ist der Ansicht, dass einst degradiertes Land mit den richtigen Investitionen in Bodenqualität, ländliche Infrastruktur und Qualifizierung wieder nutzbar gemacht werden kann, sodass es extremen Wetterereignissen wie Dürren trotzen kann und es jungen Menschen auf dem Lande nicht nur ermöglicht, über die Runden zu kommen, sondern ihnen auch neue Perspektiven bietet. „Wir brauchen Politiken und Programme, die junge Menschen dazu befähigen, degradiertes Land zu besitzen und es wieder fruchtbar zu machen. Lasst uns jungen Menschen die Chance geben, das natürliche Kapital wieder zum Leben zu erwecken und produktiv zu machen!“, forderte Barbut. (ab)

14.06.2017 |

Urbane Landwirtschaft: Städte können Ernährungssysteme transformieren

Sanfran
Urbaner Acker in San Francisco (Foto: SPUR, Sergio Ruiz, bit.ly/4_CC_BY_2-0, bit.ly/SRuiz)

Städte weltweit spielen eine immer wichtigere Rolle in Ernährung und Landwirtschaft und gehen mit innovativen Ansätzen und politischen Maßnahmen erfolgreich Probleme der globalen Ernährungssysteme an. Das ist die Botschaft eines neuen Berichts des International Panel of Experts on Sustainable Food Systems (IPES-Food), einem Team von Wissenschaftlern und Experten unter dem Ko-Vorsitz des Ex-UN-Sonderberichterstatters für das Menschenrecht auf Nahrung, Olivier De Schutter. Der am 12. Juni erschienene Bericht präsentiert am Beispiel von fünf Städten oder Regionen – Belo Horizonte, Nairobi, Amsterdam, Detroit und der kanadischen Metropolregion Golden Horseshoe – ganz unterschiedliche ernährungspolitische Ansätze in Städten. „Städte nehmen die Dinge selbst in die Hände, um den Versuch zu unternehmen, Probleme im Ernährungssystem zu beheben“, sagte Hauptautorin Corinna Hawkes, Leiterin des „Centre for Food Policy“ an der City University London. „Hunderte von Städten weltweit setzen auf gemeinsames politisches Handeln – sei es um den Zugang zu angemessenen, nahrhaften Lebensmitteln für alle zu gewährleisten, bäuerliche Existenzen zu sichern oder den Klimawandel abzuschwächen.“

Dem Bericht zufolge ist Belo Horizonte in Brasilien weltbekannt als Pionier was eine Politik auf Stadtebene zur Bekämpfung von Ernährungsunsicherheit angeht. 1992 wurde in der Stadtverwaltung eine Ernährungsstelle eingesetzt, das Secretariat for Food and Nutrition Security (SMASAN). Dieses Sekretariat brachte ein einheitliches Paket politischer Maßnahmen und Programme zur Schaffung von staatlich unterstützten alternativen Ernährungssystemen auf den Weg, die qualitativ hochwertige, nahrhafte und sichere Lebensmittel für die Stadtbewohner bereitstellen. Der Ansatz von Belo Horizonte hat sich seit 25 Jahren bewährt. Der Bericht enthält auch eine Fallstudie Nairobi, wo die städtischen Behörden eine wahre Kehrtwendung vollzogen haben sollen von anfänglicher Ablehnung hin zu aktiver Unterstützung und Regulierung einer urbanen Landwirtschaft. In den späten 1970er Jahren erlebte die kenianische Hauptstadt einen massiven Zustrom aus ländlichen Gebieten. Für die armen und teils hungernden Familien wurde die städtische Landwirtschaft überlebenswichtig, sei es zur Produktion von Lebensmitteln für den eigenen Bedarf oder um sich ein Zubrot zu den niedrigen Einkommen zu verschaffen. Doch über Jahrzehnte hinweg war dies illegal, denn die Stadtverwaltung war strikt gegen Landwirtschaft in der Stadt, da sie diese als Bedrohung für die öffentliche Gesundheit und Landrechte betrachtete. 2015 verabschiedeten die städtischen Behörden jedoch ein Gesetz, das darauf abzielte, die Ernährungssicherheit durch Lebensmittelproduktion in der Stadt zu verbessern, Jobs zu schaffen, Wertschöpfungsketten zu fördern und die Lebensmittelsicherheit zu schützen. Die Stadtverwaltung ist nun sogar verantwortlich für die Ausbildung von Landwirten, die Sicherstellung des Zugangs zu organischen Abfällen und die Entwicklung von Vermarktungsstrukturen.

Auch wenn die städtischen Ernährungspolitiken in ganz verschiedenen Kontexten entwickelt wurden, so haben sie jedoch einige für den Erfolg verantwortliche Punkte gemeinsam: „Die untersuchten Städte waren extrem innovativ, wenn es darum ging, Faktoren auszunutzen, die Politik voranbringen und Hürden überwinden“, sagte Hawkes. „Sie haben Möglichkeiten gefunden, Budgets auszuweiten, um eine vollständige Umsetzung des Programms zu ermöglichen und Politiken zu institutionalisieren, die Wahlperioden überdauerten. Sie haben sogar neue Befugnisse errungen, wenn sie keine Macht hatten, um das gewünschte Programm zu entwickeln und umzusetzen. Die IPES-Experten wollen es mit den Erkenntnissen und Einsichten des Berichts anderen ermöglichen, von den fünf Städte zu lernen. „Das Teilen dieser Erfahrungen ist entscheidend. Darauf zu blicken, was andernorts gemacht wurde, kann für Städte jeglicher Größe hilfreich sein, die daran arbeiten, ihre Ernährungssysteme zu verbessern – von der Kleinstadt, die gerade erste Schritte hin zu einer Ernährungspolitik unternimmt bis zu Großstädten, die bereits über ausgeklügelte und umfassende Programme verfügen.“ (ab)

12.06.2017 |

Überdüngung: Aufwendige Aufbereitung könnte Trinkwasser verteuern

Wasser
Muss Trinkwasser bald teuer aufbereitet werden? (Foto: CC0)

Trinkwasser könnte in vielen Regionen Deutschlands deutlich teurer werden, wenn Wasserversorger aufgrund der hohen Belastung des Grundwassers mit Nitrat zu kostspieligen Aufbereitungsmethoden greifen müssen. Einem aktuellen Gutachten des Umweltbundesamtes (UBA) zufolge könnten die Kosten für Trinkwasser um 55 bis 76 Cent pro Kubikmeter steigen und einem Vier-Personen-Haushalt Mehrkosten in Höhe von 134 Euro jährlich bescheren. Vor allem in Gebieten mit landwirtschaftlich intensiv genutzten Flächen ist das Grundwasser häufig durch zu viel Stickstoff belastet. Laut Nitratbericht der Bundesregierung wiesen 28% der Grundwassermessstellen im Einzugsgebiet von landwirtschaftlich genutzten Flächen im Zeitraum 2012 bis 2014 eine Nitratbelastung über dem zulässigen europaweit geltenden Schwellenwert von 50 Milligramm pro Liter auf. An weiteren 8,5% der Messstellen lag die Nitratkonzentration zwischen 40 und 50 mg/l und zudem wurden an 14,2% der Stellen Werte zwischen 25 und 40 mg/l gemessen.

Für das Gutachten ließ das Umweltbundesamt Daten aus fünf Modellregionen und Kooperationen mit drei großen Wasserversorgern untersuchen: dem Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverband, Rheinenergie und der Rheinisch-Westfälischen Wasserwerksgesellschaft. Die Wasserversorger ergreifen bereits zahlreiche Maßnahmen, um das Wasser vor Einträgen zu schützen, zum Beispiel indem sie die über Grundwasserkörpern liegende Flächen selbst pachten, Brunnen verlagern oder verunreinigtes mit unbelastetem Wasser mischen. Die Kosten trägt schon heute der Wasserkunde. Doch diese Maßnahmen könnten künftig in stark belasteten Regionen nicht mehr ausreichen, um den Nitratwert im Trinkwasser niedrig zu halten, warnt das UBA. Dort könnte der Fall eintreten, dass Wasser zusätzlich gereinigt werden muss. Dazu könnten verschiedene Verfahren angewandt werden wie Umkehrosmose, biologische Denitrifikation oder das CARIX-Verfahren, die von lokalen Faktoren wie der Wasserhärte, von der konkreten Belastungssituation vor Ort und dem anvisierten Nitratzielwert abhängen. Die Studie berechnete die Kosten für präventive Maßnahmen, Trinkwasseraufbereitung sowie Flächenpacht für drei Szenarien von Worst-Case bis Best-Case und drei Nitrat-Zielwerte (37,5 mg/l, 25 und 10 mg/l). Die Kosten dafür bewegten sich zwischen 580 und 767 Millionen Euro pro Jahr und bedeuteten damit Mehrkosten für die Wasserkunden von bis zu 76 Cent pro Kubikmeter.

Das UBA betont, dass Prävention billiger und sinnvoller sei als die aufwendige Aufbereitung des Wassers. „Wenn das Problem einer zu hohen Belastung nicht an der Ursache angegangen wird, können die genannten Maßnahmen nur zu einer zeitlichen Verschiebung beitragen. Es handelt sich dabei deshalb um keine nachhaltigen Maßnahmen, die das Problem dauerhaft lösen.“ Laut UBA würden die Maßnahmen der novellierten Düngeverordnung die Landwirtschaft etwa 111,7 Millionen Euro pro Jahr, also nur einen Bruchteil dessen, den die betroffenen Trinkwasserkunden zu bezahlen hätten. „Mit den Neuregelungen in der Düngeverordnung wurden lange überfällige Schritte eingeleitet, die hoffentlich die Belastungen so weit senken, dass den Trinkwasserkunden die teure Aufbereitung erspart bleibt“, sagte UBA-Präsidentin Maria Krautzberger. „Wichtig sind jetzt eine konsequente Umsetzung und verstärkte Kontrollen in den betroffenen Regionen. Falls sich diese Belastungen nicht verringern, müssten weitere und strengere Auflagen für die Landwirtschaft erfolgen.“ (ab)

Donors

Donors of globalagriculture Bread for all biovision Bread for the World Misereor Heidehof Stiftung Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz Rapunzel
English versionDeutsche VersionDeutsche Version