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14.11.2017 |

Wissenschaftler: Klimawandel steuert Erde auf gefährliche Kipppunkte zu

Ernte
Höhere Temperaturen gefährden die Erträge vieler Nutzpflanzen (Foto: CC0)

Die globale Erwärmung schreitet voran und bringt die Erde auf Kollisionskurs mit gefährlichen „klimatischen Kipppunkten“, lautet die eindringliche Warnung führender Wissenschaftler. Future Earth und Earth League, zwei internationale Allianzen von Nachhaltigkeitsforschern, veröffentlichten am Montag auf der Weltklimakonferenz COP23 „Die 10 'Must-Knows' zum Klimawandel“. „Entscheidende Fakten zum Klimawandel gehen manchmal im Getöse täglicher Verhandlungen verloren - auch auf Veranstaltungen wie dem UN-Klimagipfel“, betonte Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). „Deshalb ist es wichtig, an den Grund zu erinnern, warum sich in Bonn zehntausende Menschen treffen: ein noch nie dagewesenes Risiko für die Menschheit durch die globale Erderwärmung, wie die Wissenschaft zeigt.“ Professor Johan Rockström, Leiter des Stockholm Resilience Centre und Vorsitzender der Earth League, unterstrich, dass der vom Menschen verursachte Klimawandel nicht länger eine künftige Bedrohung darstelle. „Er ist da, er ist gefährlich und es wird noch schlimmer“, warnte er. „In den letzten zwei Jahren haben sich die Belege dafür gehäuft. Dass wir uns auf Kollisionskurs mit Kipppunkten des Systems Erde befinden“, fügte er hinzu. Wenn diese Grenzen überschritten werden, drohen dem Planeten abrupte und unumkehrbare Veränderungen in der Funktionsweise der Arktis, des Amazonasgebiets oder anderer Teile der Erde.

Die zehn Punkte des Papiers fußen auf unzähligen wissenschaftlichen Bestandsaufnahmen und Studien. Die Wissenschaftler warnen, dass der Klimawandel tiefgreifende Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben und neuen Druck auf die Ernährungssicherheit und die Wasserversorgung vieler Länder weltweit ausüben werde. „Beschleunigte Veränderungen in den Ökosystemen der Erde sind eine erhebliche Bedrohung für die menschliche Gesundheit und Existenz, da sie sich auf die Ernährung und Verfügbarkeit von Lebensmitteln auswirken und Erkrankungen der Atemwege und die Verbreitung von Parasiten begünstigen können.“ Zwei Beispiele: Einer neusten Schätzung zufolge könnten die Ernteerträge um 3-7% pro Grad Erwärmung sinken. Im Jahr 2050 werden mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Gebieten mit Wasserknappheit leben und mehr als eine Milliarde wird nicht über ausreichend Wasser verfügen. „Ohne Gegenmaßnahmen werden sich diese Gesundheitsgefahren mit der Zeit verstärken. Gegenden mit einer schlechten Gesundheitsinfrastruktur, vor allem in Entwicklungsländern, werden sich ohne Hilfe am schlechtesten auf Notsituationen vorbereiten und reagieren können.“ Ein weiterer Punkt: Auch Migrationsströme, innere Unruhen und gar Bürgerkriege werden durch den Klimawandel höchstwahrscheinlich verstärkt. 2015 wurden 19 Millionen Menschen weltweit durch Naturkatastrophen und Extremwetterereignisse vertrieben und der Klimawandel werde die Zahl noch weiter in die Höhe schnellen lassen.

Punkt 8 auf der Liste ist ein Aufruf zum Handeln: „Die Welt muss rasch agieren: Wenn die Menschheit so viel Treibhausgasemissionen wie bisher ausstößt, wird schon in 20 Jahren das verbleibende CO2-Budget für die Einhaltung des 2-Grad-Ziels ausgeschöpft sein.“ Der Höhepunkt der Emissionen müsse bereits 2020 erreicht werden, damit sie sich bis etwa 2050 null annähern. Dazu müsse auch die Abholzung von Wäldern gestoppt, die Landwirtschaft von einer CO2-Quelle zur Kohlenstoffsenke werden und bestehende Kohlenstoffsenken zu Land und zu Wasser geschützt werden. Doch das ist laut den Experten noch nicht genug: Wenn die Ziele des Parisabkommens erreicht würden, müsse sich die Welt dennoch auf bereits einsetzende Veränderungen einstellen und widerstandsfähig werden. „Selbst wenn die Temperaturen unter 2 Grad über dem vorindustriellen Zeitalter gehalten werden können, wird es in einigen Regionen ein erhöhtes Risiko geben für steigende Meeresspiegel, Waldbrände, Ernährungsunsicherheit und Wasserknappheit. Auch extreme Hitze, Krankheiten und Extremwetterereignisse können zunehmen“, warnen die Autoren. Die Bewahrung und Stärkung der Widerstandsfähigkeit unserer Ökosysteme in Zeiten des Klimawandels – von Wäldern über Böden bis hin zu Ozeanen – erfordere eine globale Transformation hin zur Nachhaltigkeit. „Die Gesamtheit der wissenschaftlichen Belege deutet darauf hin, dass nachhaltige Entwicklung mit einer Umstellung auf nachhaltige Ernährungssysteme, Energiesysteme ohne Kohle, widerstandsfähige Städte, Gleichheit und Gerechtigkeit für alle Menschen, gesunde Ozeane, sicheres Wasser und Schutz der Artenvielfalt den Grundstein für den Erfolg legt“, schlussfolgern die Forscher. (ab)

10.11.2017 |

Emissionen der großen Fleisch- und Milchkonzerne gefährden Klimaziele

Rinder
Viel Vieh auf wenig Raum (Foto: Cattle pens, RT Peat, bit.ly/RTpeat, bit.ly/2CCBYNCND20)

Die drei größten Fleisch- und Milchkonzerne weltweit stoßen mehr Treibhausgasemissionen aus als ganz Frankreich und stehen den großen Energie- und Öl-Konzernen in nichts nach. Das zeigen Berechnungen, die von den Nichtregierungsorganisationen GRAIN und Institute for Agriculture and Trade Policy (IATP) sowie der Heinrich-Böll-Stiftung veröffentlicht wurden. Wenn die Fleischproduktion wie bisher weiter wächst, können die Ziele des Klimaabkommens von Paris nicht erreicht werden und es droht eine Klimakatastrophe, warnen die Organisationen. Laut ihren auf aktuelle Zahlen der UN-Welternährungsorganisation FAO gestützten Rechnungen stießen die fünf größten Milch- und Fleischkonzerne - JBS aus Brasilien, die US-Konzerne Cargill, Tyson und Dairy Farmers of America sowie die neuseeländische Fonterra Group – 2016 gemeinsam 578 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (MtCO2e) aus. Das ist mehr als die gesamten Emissionen des Vereinigten Königreichs (507 MtCO2e in 2015) oder Frankreichs (464 MtCO2e) und übertrifft große Ölkonzerne wie Exxon oder Shell, die im Jahr 2015 rund 577 MtCO2e bzw. 508 MtCO2e verursachten. Die 20 größten Fleisch- und Milchkonzerne bringen es mit 932 MtCO2e in 2016 sogar auf mehr Emissionen als Deutschland. Wären die 20 Konzerne ein Land, würden sie als der siebtgrößte Klimasünder gelten.

Die Organisationen betonen, dass hier nicht die Rede von Rinderzüchtern oder Schweinehaltern ist, die Fleisch aus Freilandhaltung oder nachhaltiger Produktion liefern oder kleinen und mittleren Milchbauern, geschweige denn von den Millionen Hirten und Viehhaltern weltweit, die sich und die Menschen in ihrer Umgebung ernähren. „Verantwortlich sind die Konzerne, die Massentierhaltung betreiben und davon profitieren und Tiere in riesigen Tierfabriken mästen“, schreiben die Autoren. „Diese betreiben ein System, das so mächtig ist, dass es teilweise sogar Landnutzungsmuster weltweit prägt, auf globaler Ebene Produktion und Konsum von Proteinen antreibt und kulturelle Ernährungsnormen verändert – alles im Namen expandierender Märkte und Profite.“ Wenn sich das Wachstum der Fleisch- und Milchproduktion gemäß der FAO-Prognosen fortsetzt, würden im Jahr 2060 die Emissionen des Sektors allein das gesamte Budget der Emissionen ausschöpfen, die erlaubt wären, damit das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens noch erreicht werden könnte. Damit wäre die Begrenzung der Erderwärmung auf ein ansatzweise beherrschbares Maß gescheitert.

Die Herausgeber betonen, dass es an der Zeit ist, die Fleischindustrie von der Klimazerstörung abzuhalten und stattdessen kleine Bauern und Viehzüchter zu stärken. „Wenn wir es ernst mit der Ernährung des Planeten und der gleichzeitigen Bekämpfung des Klimawandels meinen, müssen wir dringend in eine Umstellung auf Ernährungssysteme investieren, die auf kleine Produzenten, Agrarökologie und lokale Märkte setzen. Diese Systeme beinhalten die Bereitstellung moderater Mengen an Fleisch und Milchprodukten, aber sie tun dies auf eine Weise, die Böden regeneriert, Existenzgrundlagen für Gemeinden auf dem Land und in der Stadt schafft und Pflanzen und Tiere widerstandsfähig gegen die Unwägbarkeiten eines nicht berechenbaren Klimas macht.“ Der Bericht nennt auch konkrete Maßnahmen, wie dies erreicht werden kann: Öffentliche Gelder müssen statt Massentierhaltung und Agribusiness künftig kleine agrarökologische Familienbetriebe begünstigen. Regierungen sollten all ihre Kaufkraft dafür nutzen, kleine Produzenten zu unterstützen und ihnen so dabei helfen, Arbeitsplätze und Märkte für lokale Produkte zu schaffen. Ebenso wie viele Städte im Energiebereich auf klimafreundliche Lösungen setzen, sollten Gemeinden auch in Krankenhäusern oder Schulen in Programme investieren, die gesundes Essen bereitstellen und ländliche Gemeinden stärken und zugleich weniger Treibhausgasemissionen ausstoßen. (ab)

07.11.2017 |

Konzentration im Agrarsektor: Risiko für Bauern, Verbraucher und Umwelt

Soja
Megafusionen im Agrarsektor befördern die industrielle Landwirtschaft (Foto: CC0)

Immer weniger und immer größere Unternehmen eignen sich zunehmend die Kontrolle über die ganze Lebensmittelkette vom Acker bis zum Teller an. Für Lebensmittelproduzenten, Verbraucher und die Umwelt birgt dies hohe Risiken, warnt der Agrifood Atlas. Die englische Version des Konzernatlas wurde Ende Oktober von Friends of the Earth Europe, der Heinrich-Böll-Stiftung und der Rosa-Luxemburg-Stiftung veröffentlicht. Dem Bericht zufolge fanden zwischen 2015 und 2016 fünf der zwölf größten Fusionen börsennotierter Unternehmen im Lebensmittel- und Agrarsektor statt – mit einem Gesamtwert von fast 500 Milliarden US-Dollar. „Übernahmen und Fusionen wie Monsanto mit Bayer, Kraft mit Heinz und Dow mit DuPont sind nur die Spitze des Eisbergs“, schreiben die Autoren. „Eine Flut von Unternehmenshochzeiten führt zu Machtkonzentrationen an allen Punkten der Lebensmittelkette.“ Im Lebensmittel- und Agrarsektor hätten einzelne Konzerne so viel Einfluss gewonnen, dass sie dazu in der Lage seien, Märkte und Politiken zu prägen. „Die zunehmende Größe und Macht der Agrifood-Konzerne bedroht die Qualität unserer Lebensmittel, die Arbeitsbedingungen derer, die sie herstellen, und unsere Fähigkeit, künftige Generationen zu ernähren“, sagte Mute Schimpf von Friends of the Earth Europe.

Die Herausgeberorganisationen des Berichts fürchten, dass die wachsende Machtkonzentration eine geringere Wahlfreiheit für die Verbraucher bewirken könnte, da sich die Lebensmittelkette aufgrund der zunehmenden Monopole in immer weniger Händen befindet. Der Atlas besagt, dass gerade einmal zehn Supermarktketten fast die Hälfte aller in der EU verkauften Lebensmittel auf sich vereinen, während 50 lebensmittelverarbeitende Unternehmen die Hälfte aller Lebensmittel weltweit verkaufen. Zudem wirken sich die Marktmonopole negativ auf Jobs und Arbeitsbedingungen aus: „Agrifood-Konzerne treiben eine Industrialisierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette vom Hof bis zum Teller voran. Ihre Kauf- und Verkaufspolitiken fördern eine Form der Landwirtschaft, die sich nur um Produktivität dreht“, so der Bericht. „Der Kampf um Marktanteile wird auf Kosten der schwächsten Glieder in der Kette ausgetragen: Landwirte und Arbeiter. Der von Supermärkten und Lebensmittelkonzernen ausgeübte Preisdruck ist eine der Hauptursachen für schlechte Arbeitsbedingungen und Armut am Anfang der Kette.“

Fusionen und Marktkonzentration im Agrarsektor befördern auch die weitere Ausbreitung der industriellen Landwirtschaft und die damit einhergehenden Auswirkungen auf die Umwelt und das Klima. Der Verlust von Bodenfruchtbarkeit und Artenvielfalt, die Meeresverschmutzung und der Ausstoß von Treibhausgasen – all dies ist teilweise auf die industrielle Landwirtschaft zurückzuführen. „Infolge dessen sind die weltweite Biodiversität sowie die Vielfalt und Unabhängigkeit in unserer Lebensmittelkette in Gefahr. Aktivisten, die für das Recht auf Zugang zu Wasser, Land und Saatgut kämpfen, wird auf der ganzen Welt zunehmend mit gewalttätiger Repression von privater und öffentlicher Seite aus begegnet“, beklagt Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung. Den Herausgebern zufolge steht die Europäische Kommission gerade vor der kritischen Entscheidung, ob sie grünes Lich für die Fusion von Bayer und Monsanto geben soll. „Die EU kann eine entscheidende Rolle dabei spielen, diese Marktkonzentrationen zu verhindern. Ein alternatives Ernährungssystem ist möglich und wird durch Lebensmittelproduzenten und Bürger in ganz Europa auf lokaler Ebene aufgebaut“, fügt Mute Schimpf hinzu. (ab)

02.11.2017 |

UN-Bericht zu Klimazielen: Landwirtschaft kann Emissionslücke schließen

Soil2
Böden können Emissionen einsparen (Foto: NRCS, bit.ly/NRCS_HS2, bit.ly/4_CC_BY_2-0)

Es muss dringend gehandelt werden, wenn die Klimaziele des Paris-Abkommens noch erreicht werden sollen, denn aktuell steuert die Welt auf eine Erwärmung um 3 Grad zu. Laut einem neuen UN-Bericht decken die derzeitigen nationalen Selbstverpflichtungen nur ein Drittel der Emissionsreduktion ab, die nötig wäre, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels zu vermeiden. Es drohe eine Emissionslücke, warnt der vom UN-Umweltprogramm am 31. Oktober veröffentlichte 'Emissions Gap Report'. Neben Kohleausstieg und Energiewende könne vor allem der landwirtschaftliche Sektor einen wichtigen Beitrag dazu leisten, diese „alarmierend große Lücke“ zu schließen, etwa durch die Kohlenstoffspeicherung in Böden oder die Reduzierung der Lebensmittelverschwendung.

Um das 2-Grad-Ziel zu erreichen, dürften im Jahr 2030 nicht mehr als 42 Gigatonnen CO2-Äquivalent (GtCO2e) ausgestoßen werden. Doch der Bericht warnt eindringlich, dass selbst die vollständige Umsetzung aller bisherigen Selbstverpflichtungen der Staaten nicht ausreichen werde, um die globale Erwärmung auf 2 Grad Celsius zu begrenzen. Die Emissionen würden selbst dann 2030 immer noch 11 bis 13,5 GtCO2e über dem genannten Zielwert liegen. Ganz zu schweigen vom eigentlich im Paris-Abkommen anvisierten 1,5-Grad-Ziel, für das der Bericht bis 2030 mit einer Emissionslücke von 16 bis 19 GtCO2e rechnet. Sollten sich die USA wie angekündigt aus dem Abkommen zurückziehen, wäre die Lage ohnehin noch düsterer. „Ein Jahr, nachdem das Klimaabkommen in Kraft getreten ist, befinden wir uns immer noch in einer Situation, in der wir bei Weitem nicht genug unternehmen, um hunderte Millionen Menschen vor einer elenden Zukunft zu bewahren“, sagte Erik Solheim, der Leiter von UN Environment.

Doch der Bericht liefert auch Auswege und zeigt auf, wie die Treibhausgasemission durch entschlossenes Handeln in der Landwirtschaft, im Gebäude- und Energiesektor, in der Forstwirtschaft, Industrie und Transportwesen verringert werden könnten. Enormes Potenzial weisen Land- und Forstwirtschaft auf, so der Bericht: „Die Entfernung von Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre kann eine wichtige Strategie sein: Die Optionen für landbasierte Kohlenstoffspeicherung, wie Wälder, Feuchtgebiete und Böden, werden vom Menschen schon seit vielen Jahren gemanagt und es gibt daher einen Wissensschatz, der nun leicht und sicher angewandt werden kann“, schreiben die Autoren. „Zudem bieten diese Ansätze die Chance, andere globale Nachhaltigkeitsziele, wie bessere Wasserqualität, die Wiederherstellung von Ökosystemen, der Schutz der Artenvielfalt und verbesserte Erträge, zu erreichen.“ Die Kohlenstoffspeicherung in Böden beruhe auf landwirtschaftlichen Praktiken, die Bauern in der Regel gut beherrschten und sie benötige meist keine weiteren Maschinen und Infrastruktur. Daher sei sie eine jederzeit umsetzbare Option.

Aber der Bericht zeigt auch auf, was jeder Einzelne tun kann, um die Emissionslücke zu schließen. Eine Maßnahme ist die Verringerung des CO2-Fußabdrucks der eigenen Ernährung. Die Umstellung der Ernährungsgewohnheiten gemäß der Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation zu tierischen Produkten und Fetten könnte den Ausstoß der Treibhausgasemissionen im Jahr 2030 weltweit um 0,37 bis 1,37 GtCO2e jährlich reduzieren. Eine andere Möglichkeit ist die Reduzierung von Lebensmittelverlusten und -verschwendung. „In der Lebensmittelkette gibt es hohe Verluste, wenn Faktoren wie ineffizientes Ernten, schlechte Erntebedingungen, Lagerverluste und Konsumverhalten betrachtet werden“, so der Bericht. Schätzungen zu den Gesamtverlusten schwanken stark und reichen von 30 bis 50%. Würde die Verschwendung um 45 bis 75% reduziert, könnten jedes Jahr bis zu 2 GtCO2e eingespart werden.

Insgesamt schätzt der Bericht das Potenzial des landwirtschaftlichen Sektors, die Emissionslücke zu verringern, im Mittel auf 3 GtCO2e pro Jahr in 2030. Mit Maßnahmen, deren Umsetzung der Bericht noch als „unsicher” einstuft, wie der Einsatz von Biokohle, Emissionseinsparungen im Zusammenhang mit Torf und Ernährungsumstellungen, könnte der landwirtschaftliche Sektor im Schnitt weitere 3,7 GtCO2e im Jahr 2030 einsparen. Das bedeutet, dass allein die Maßnahmen im landwirtschaftlichen Sektor zusammen ausreichen würden, um fast die Hälfte der Emissionslücke zu schließen, die der Verwirklichung des 2-Grad-Ziels im Wege steht. Noch viel mehr Emissionen könnten durch das Wiederaufforsten von Wäldern und die Vermeidung weiterer Abholzung eingespart werden. Lösungen präsentiert der Bericht zuhauf - jetzt ist es Zeit für eine beschleunigte Umsetzung, lautet das Fazit der Autoren. (ab)

30.10.2017 |

Weltbank: Durch Dürren zerstörte Ernten könnten 81 Millionen ernähren

Dürre
Dürrebedingte Ernteausfälle haben schwerwiegende Folgen (Foto: CC0)

Mit den Lebensmitteln, die durch Dürren verloren gehen, könnte ganz Deutschland ein Jahr lang ernährt werden. Das vermeldete die Weltbank und fordert ein verbessertes Wassermanagement. In einem neuen Bericht betont sie, dass langanhaltende Trockenphasen weltweit erschreckend gravierende und oft versteckte Auswirkungen auf Bauernhöfe, Firmen und Familien haben. Die Weltbank beschreibt Dürren als „Elend in Zeitlupe“, das anhaltende Auswirkungen auf die Gesundheit und das Einkommen von Familien habe und nachfolgende Generationen in Armut und Mangelernährung gefangen halte. Den Autoren zufolge zerstörten Dürren zwischen 2001 und 2013 so viele Lebensmittelkalorien wie nötig wären, um rund 81 Millionen Menschen über ein Jahr hinweg jeden Tag mit 2000 Kalorien zu ernähren. In diesem Zeitraum summierten sich die Verluste in Gebieten, die von Dürren heimgesucht wurden, auf 59,2 Billionen Kilokalorien. Zu den Regionen, in denen die Produktion durch Dürren große Verluste erlitt, gehören Südmexiko und Zentralamerika, der Norden Südamerikas, Westeuropa, weite Teile der Sahelzone und Südafrika, Indonesien und Südaustralien. „Viele der betroffenen Regionen überlappen sich mit den Gebieten, die bereits ein großes Nahrungsmitteldefizit aufweisen und als verletzlich eingestuft werden“, so der Bericht.

Der Bericht zeigt, wie sich Dürren in Verbindung mit Wasserknappheit auf die Landwirtschaft, Firmen und Familien auswirken. Für Familien zieht sich das Vermächtnis von Dürren über Generationen hinweg und schadet nicht nur den Frauen, die sie erlebten, sondern auch ihren Kindern. Im ländlichen Afrika seien Frauen, die während extremer Trockenphasen geboren wurden, ihr ganzes Leben lang gezeichnet. Wegen der Ernteverluste sind sie oft physisch und psychisch beeinträchtigt und unterernährt. Ihr Leiden wird oft auf die nächste Generation übertragen: Es ist wahrscheinlicher, dass ihre Kinder unterentwickelt und nicht gesund sind, wodurch sich der Teufelskreis der Armut fortsetzt. Für Bauernhöfe gehen Dürren mit starken Ertragseinbußen einher. Selbst leichte Trockenphasen verringern die Produktivität. Doch wenn mehrere Jahre infolge weniger Regen als im Durchschnitt fällt, sehen sich Bauern in armen Ländern gezwungen, in umliegende Wälder vorzudringen, da sie durch die Ausweitung der Anbauflächen Ernteeinbrüche zu kompensieren suchen. Da Wälder das Klima stabilisieren und dazu beitragen, den Wasserhaushalt zu regulieren, verringert Abholzung die Wasservorräte und verstärkt den Klimawandel.

Für Unternehmen sind laut dem Bericht die wirtschaftlichen Folgekosten von Dürren viermal so hoch wie bei Überschwemmungen. Die Weltbank schätzt, ein einziger Wasserausfall den Umsatz einer Firma in der Stadt um 8% reduzieren kann. Und wenn die Firma im informellen Sektor angesiedelt ist, wie es so oft in Entwicklungsländern der Fall ist, brechen die Verkäufe um 35% ein. Dies zerstört Existenzen und bringt das Wirtschaftswachstum in Städten zum Erliegen. „Diese Auswirkungen zeigen, warum es immer wichtiger wird, dass wir Wasser wie die wertvolle, endliche und zerstörbare Ressource behandeln, die es ist“, sagte Guangzhe Chen, ein führender Weltbankmitarbeiter. „Ohne sorgsames Wassermanagement – von der Quelle bis zum Wasserhahn und zurück – wird aus der heute beobachteten Krise die Katastrophe von morgen“, schreibt er im Vorwort des Berichts. Richard Damania, einer der Autoren, warnt zudem, dass sich die Wasserknappheit in andere Weltregionen ausdehnen könnte, wenn der zunehmende Wassermangel und die stärkeren und häufigeren Stürme, die mit dem Klimawandel einhergehen, nicht ernstgenommen werden. Das könnte möglicherweise gewaltsame Konflikte, Leid und Migration weiter verschärfen.

Doch der Bericht liefert auch Vorschläge, um diesen Herausforderungen zu begegnen. „Die Vermeidung dieses Elends in Zeitlupe erfordert einen grundlegen Wandel beim gegenwärtigen Wassermanagement.“ Die Autoren empfehlen die Einrichtung einer neuen Infrastruktur zur Wasserspeicherung und zum Wassermanagement. Bewässerungsinfrastruktur besitzt ebenfalls das Potenzial, dürrebedingte Verluste bei Feldfrüchten abzufedern und so zu verhindern, dass Bauern ihr Ackerland ausweiten. Doch die Autoren geben auch zu bedenken, dass die kostenlose Bereitstellung von Wasser zur Bewässerung in ariden Gebieten zu einer schlechten Praxis führen kann, wenn Landwirte wasserintensive Pflanzen anbauen, die ihre Verwundbarkeit gegenüber Dürren weiter verstärken. Die Produktivität der Pflanzen könnte bei Dürren dann überproportional leiden, da sie enorm viel Wasser benötigen, und Dürren könnten dann noch schlimmere Folgen haben. Der Bericht fordert zudem die Einrichtung von Sicherheitsnetzen, um besonders verletzliche Bevölkerungsgruppen zu schützen, wenn Überschwemmungen und Dürren zu wirtschaftlichen Einbußen führen. Auf dem Land könnte dies die Gestalt von Ernteversicherungen annehmen, während in Städten eine vorsichtige Regulierung nötig ist, um erschwinglichen Zugang zu sauberem Wasser zu gewährleisten. (ab)

25.10.2017 |

FAO: Förderung ländlicher Gebiete hilft gegen Armut, Hunger und Migration

Bauer
Die FAO fordert mehr Investitionen in ländliche Gebiete (Foto: A. Beck)

Ländlichen Gebieten kommt eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung von Hunger und Armut und der wirtschaftlichen Entwicklung in armen Ländern zu. Das ist die Botschaft des „State of Food and Agriculture 2017”, der am 9. Oktober von der Welternährungsorganisation FAO veröffentlicht wurde. Da die meisten Menschen, die an Unterernährung und Armut leiden, auf dem Land leben, hänge der Erfolg bei der Umsetzung der UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung entscheidend davon ab, ob es gelingen wird, das enorme Potenzial ländlicher Gebiete zu entfalten und den Menschen dort Perspektiven und Arbeit zu geben. Dem Bericht zufolge hat wirtschaftliche Entwicklung in ländlichen Gebieten es seit den 1990er Jahren hunderten Millionen Landbewohnern ermöglicht, sich selbst aus der Armut zu befreien. Doch die Erfolge sind ungleichmäßig verteilt und viele Länder in Subsahara-Afrika und Südasien hinken hinterher. Die niedrige Produktivität in der Subsistenzlandwirtschaft, der geringe Raum für Industrialisierung vielerorts und die Verstädterung tragen dazu bei, dass in Entwicklungsländern nicht alle Menschen über ausreichend Nahrung und Arbeit verfügen.

Als weitere Herausforderung nennt der Bericht das schnelle Bevölkerungswachstum, vor allem die rasche Zunahme junger Menschen. Schätzungen zufolge wird die Zahl der 15- bis 24-Jährigen zwischen 2015 und 2030 um 100 Millionen auf 1,3 Milliarden ansteigen. Der Großteil des Bevölkerungsplus wird auf Subsahara-Afrika entfallen. Landbewohner, die in die Städte abwandern, riskieren dann mehr als je zuvor, sich in die Masse der Armen in den Städten einzureihen anstatt einen Weg aus der Armut zu finden. Doch die FAO sieht eine Lösung in einer umfassenden Transformation ländlicher Räume. Damit sich die ländlichen Räume entfalten und dynamische Lebensmittelsysteme entstehen können, bedarf es allerdings zielgerichteter politischer Maßnahmen und Investitionen. Der Bericht argumentiert, dass ein wesentlicher Hebel zur Umgestaltung ländlicher Räume die steigende Nachfrage städtischer Lebensmittelmärkte sein wird, die für bis zu 70% der Lebensmittelverbrauchs verantwortlich sind – selbst in Ländern mit einer großen Landbevölkerung. Die Autoren schätzen dass das Marktvolumen urbaner Lebensmittelmärkte in Subsahara-Afrika zwischen 2010 und 2030 von 150 auf 500 Milliarden US-Dollar anwachsen wird.

Die Urbanisierung bietet daher eine riesige Chance für die Landwirtschaft. Doch sie stellt auch eine Herausforderung für die Millionen Kleinbauern dar“, schreibt FAO-Generaldirektor José Graziano da Silva im Vorwort zum Bericht. Er warnt, dass profitablere Märkte zu einer Konzentration der Produktion von Lebensmitteln in großen kommerziellen Farmen, zu von großen Verarbeitern und Händlern dominierten Wertschöpfungsketten und zur Ausgrenzung von Kleinbauern führen könnten. Die Nachfrage aus den Städten allein werde nicht automatisch die Produktion und Marktbedingungen für Kleinbauern verbessern.

Der Bericht zeigt daher drei Handlungsbereiche auf, um eine umfassende Transformation des ländlichen Raums zu erreichen. Erstens sind unterstützende Politiken und Investitionen nötig. „Um sicherzustellen, dass kleine Lebensmittelproduzenten dabei partizipieren können, die städtische Lebensmittelnachfrage zu bedienen, bedarf es politischer Maßnahmen. Diese sollen die Hürden beseitigen, die den Zugang von Kleinproduzenten zu Inputs beschränken, nachhaltige Ansätze und Technologien fördern, den Zugang zu Krediten und Märkten verbessern, die Mechanisierung von Bauernhöfen erleichtern, landwirtschaftliche Beratungsdienste wiederbeleben, Landrechte sichern und Kleinproduzentenorganisationen stärken“, so da Silva. Zweitens müssen die notwendige Infrastruktur geschaffen werden, um ländliche Gebiete und städtische Märkte zu verbinden. Der Bericht beklagt, dass in vielen Entwicklungsländern auf dem Land Straßen, Stromnetze, Lagermöglichkeiten und Kühltransportsysteme fehlen und Bauernes so schwer haben, die städtische Nachfrage nach frischem Obst, Gemüse, Fleisch und Milchprodukten zu bedienen.

Drittens müssen ländliche Gebiete an kleinere städtische Zentren angeschlossen werden. Die Hälfte der urbanen Bevölkerung in Entwicklungsländern – oder 1,45 Milliarden Menschen – lebt in Städten mit unter 500.000 Einwohnern. „Territoriale Netzwerke aus kleinen Städten sind wichtige Bezugspunkte für Landbewohner – die Orte, wo sie ihr Saatgut kaufen, ihre Kinder zur Schule schicken und medizinische und andere Versorgung in Anspruch nehmen“, schreibt Silva. Die Umstrukturierung in ländlichen Wirtschaften wird kein Patentrezept sein, um die Abwanderung in die Städte zu stoppen und Armut und Hunger anzugehen, doch sie könnte dringend benötigte Jobs schaffen und dazu beitragen, dass sich Menschen eher bewusst für den Umzug in die Stadt entscheiden statt aus Notwendigkeit. (ab)

19.10.2017 |

Insektensterben: Forscher warnen vor „ökologischem Armageddon“

Schmetterling
Fluginsekten wie Schmetterlinge schwinden immer schneller (Foto: CC0)

Das Ausmaß des Insektensterbens könnte noch schlimmer als befürchtet sein: In den deutschen Naturschutzgebieten tummeln sich 76% weniger Schmetterlinge, Bienen und andere Fluginsekten als noch vor 27 Jahren. Das geht aus einer Studie hervor, die am 18. Oktober im Fachmagazin PLOS ONE veröffentlicht wurde. Den Wissenschaftlern zufolge ist die Abnahme bestimmter Insektenarten schon seit Langem kein Geheimnis mehr. „Doch die Tatsache, dass die Fluginsektenbestände mit solch einer Geschwindigkeit und in so einem großen Gebiet abnehmen, ist eine noch sehr viel alarmierendere Entdeckung“, betont Hans de Kroon, Projektleiter an der Radboud University in Nijmegen. Als mögliche Ursache für den Rückgang vermuten die Forscher die landwirtschaftliche Intensivierung in den Gegenden rund um die Naturschutzgebiete. „Insekten machen etwa zwei Drittel allen Lebens auf der Erde aus“, sagte Mitautor Professor Dave Goulson von der Sussex University. „Es scheint so, als ob wir gerade weite Landstriche unbewohnbar für die meisten Formen des Lebens machen und uns gegenwärtig auf dem Weg zu einem ökologischen Armageddon befinden. Bei dem derzeit eingeschlagenen Kurs werden unsere Enkel eine überaus verarmte Welt erben.“

Für die Studie erhoben Insektenforscher aus Krefeld zwischen 1989 und 2016 an 63 verschiedenen Stellen in Naturschutzgebieten in ganz Deutschland Daten. Dort wurden die Fluginsekten in sogenannten Malaise-Fallen über die komplette Saison von März bis Oktober hinweg gefangen, die gesamte Biomasse wurde gewogen und verglichen. Wissenschaftler aus den Niederlanden, Deutschland und Großbritannien werteten dann diese umfangreiche Datensammlung aus. Ihr Ergebnis: Die Insektenmenge ging in den 27 Jahren im Schnitt um 76% zurück. Im Hochsommer, wenn die meisten Insekten unterwegs sind,fiel der Rückgang mit 82% noch stärker aus. „All diese Gebiete stehen unter Schutz und die meisten von ihnen sind Naturschutzgebiete mit Management. Dennoch hat sich dieser dramatische Rückgang ereignet“, beklagt Caspar Hallmann von der Radboud University. Laut den Wissenschaftlern sind die genauen Ursachen noch unklar, doch der Schwund könne nicht auf Veränderungen beim Wetter, der Landschaft oder Pflanzenarten allein zurückgeführt werden. „Ein Teil der Erklärung könnte daher sein, dass die Schutzgebiete, aus denen die Insekten stammen, durch die landwirtschaftlich genutzten Felder in der weiteren Umgebung beeinflusst und belastet werden.“ Die Autoren vermuten, dass die zunehmende Intensivierung der Landwirtschaft den Rückgang der Insektenbestände in den Schutzgebieten verschärft haben könnte. „Die Forschungsgebiete sind vorwiegend klein und von landwirtschaftlichen Flächen umgeben“, fügte Hallmann hinzu. „Diese Gebiete in der Nähe ziehen Fluginsekten an und sie können dort nicht überleben. Möglicherweise wirken diese Gegenden wie ein „ökologische Falle“ und gefährden die Insektenbestände in den Naturschutzgebieten.“

Die Forscher hoffen, dass ihre Erkenntnisse als Weckruf dienen, damit weiter nach den Ursachen geforscht wird und die Bestände überwacht werden. „Da ein gesamtes Ökosystem von Insekten als Nahrungsquelle und Bestäuber abhängt, stellt dies den Rückgang von insektenfressenden Vögeln und Säugetieren in einen ganz neuen Kontext“, sagt Hans de Kroon. „Wir können uns kaum vorstellen, was geschehen würde, wenn dieser Abwärtstrend weiter ungebremst voranschreitet.“ Der Studie zufolge sind etwa 80% aller Wildpflanzen auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen und 60% der Vögel nutzen Insekten als Nahrungsquelle. Der Wert dieser Ökosystemdienstleistungen durch wildlebende Insekten wird für die USA allein auf 57 Milliarden US-Dollar geschätzt. „Das Einzige, was wir nun tun können, ist mit größter Vorsicht zu agieren. Wir müssen die Dinge zurückfahren, von denen wir wissen, dass sie negative Auswirkungen haben wie der Pestizideinsatz und wir müssen das Verschwinden von blütenreichen Feldrändern aufhalten“, so de Kroon. „Aber wir müssen uns auch bemühen, unsere Naturschutzgebiete auszuweiten und den Anteil der an landwirtschaftliche Flächen grenzenden Gebiete verringern.“ (ab)

16.10.2017 |

NGOs zum Welternährungstag: Kleinbauern stärken, Konzernmacht begrenzen

Klinbauer
Wer den Hunger bekämpfen will, muss Kleinbauern fördern statt Konzerne (Foto: CC0)

Die Bundesregierung muss sich für die Rechte von Kleinbauern einsetzen und die Macht des Agrobusiness einschränken – nur so kann Hunger nachhaltig bekämpft und eine Landwirtschaft betrieben werden, die die natürlichen Ressourcen des Planeten bewahrt. Darauf machen die Menschenrechtsorganisation FIAN und das katholische Hilfswerk Misereor in ihren Botschaften zum Welternährungstag am 16. Oktober aufmerksam. FIAN prangert die anhaltenden systematischen Verletzungen der Menschenrechte von Kleinbauern und Kleinproduzenten im Lebensmittelsektor an, die bewirken, dass Kleinbauern besonders stark von Hunger betroffen sind, obwohl sie selbst den Großteil der Lebensmittel weltweit produzieren. „Dass sich trotz zunehmender Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln pro Kopf die Zahl der Hungernden seit Jahrzehnten kaum verringert hat, weist darauf hin, dass die wesentlichen Ursachen in systematischen Diskriminierungen beim Zugang zu Nahrung und Ressourcen zum Nahrungsmittelanbau liegen“, erklärt FIAN-Referentin Gertrud Falk. Erst kürzlich hatte die UN verkündet, dass die Zahl der unterernährten Menschen im letzten Jahr trotz Rekordernten und gefüllter Nahrungsmittelspeicher auf 815 Millionen Menschen gestiegen ist – 38 Millionen mehr als 2015.

Etwa 80% der Hungernden leben im ländlichen Raum. „Kleinbauern werden weltweit in fast allen Ländern von der Politik benachteiligt“, fügte Falk hinzu. Als Beispiel für die Diskriminierung von Kleinbauern nennt FIAN drei Beispiele: die EU-Agrarpolitik, von deren Förderung vor allem die Agrarindustrie profitiert sowie die internationalen Regeln für Saatgutrechte, welche Züchter gegenüber Kleinbauern bevorteilen. Ein weiteres Problem ist die zunehmende Landnahme durch Regierungen und Agrarkonzerne. „Besonders schwerwiegend sind die Folgen von Diskriminierungen in Ländern des Globalen Südens, wo Kleinbauern oft keinen Zugang zu Medien und Justiz haben, um auf die Verletzungen ihres Rechts auf Nahrung hinzuweisen und Wiedergutmachung einzufordern“, erläutert Falk. FIAN fordert die Bundesregierung auf, national und international die Rechte von Kleinbauern zu stärken, unter anderem durch ein klares Bekenntnis zur geplanten „Internationalen Erklärung der Rechte von Kleinbauern und anderen Menschen, die im ländlichen Raum arbeiten“, die aktuell vom UN-Menschenrechtsrat erarbeitet wird.

Auch Misereor sieht die wachsende Macht des Agrobusiness und seine negativen Folgen für Kleinbauern und die Umwelt mit großer Sorge. „Das Modell des Agrobusiness ist weder nachhaltig, noch leistet es einen zukunftsfähigen Beitrag zur Bekämpfung des Hungers in der Welt", unterstreicht MISEREOR-Chef Pirmin Spiegel. Ein Agrarmodell, das auf dem großflächigen Einsatz von Pestiziden und teurem gentechnisch verändertem Saatgut beruht, gefährde die natürlichen Grundlagen für eine nachhaltige Landwirtschaft und die Gesundheit von Landarbeitern und Kleinbauernfamilien. Misereor verweist auf das Beispiel Südamerika, wo sich die Folgen der ressourcenintensiven industrialisierten Landwirtschaft deutlich zutage treten. Auf rund 57 Millionen Hektar - rund 1,5-mal die Fläche der Bundesrepublik – wird dort Soja für den Export nach China und in die EU angebaut. „Noch vor wenigen Jahrzehnten konnte sich Paraguay selbst ernähren. Heute importiert das Land Nahrungsmittel im großen Maßstab. Der massive Einsatz von Agrarchemikalien auf den Feldern verseucht Wasser und Nahrung und kann zu schweren Vergiftungen führen“, berichtet Spiegel, der sich Anfang Oktober in Paraguay Betroffene besuchte. „Schwangere Frauen in den ländlichen Gebieten berichten von der Angst, dass ihre Kinder durch Pestizidbelastungen krank zur Welt kommen. Hinzu kommen Probleme wie Entwaldung, Landraub und die Zunahme von Gewalt durch Landkonflikte zwischen Kleinbauern und Großgrundbesitzern“, so Spiegel.

Von der neuen Bundesregierung erwartet Misereor, dass sie sich wie auch Frankreich gegen die Neuzulassung von Glyphosat ausspricht. „Die Unbedenklichkeit des Einsatzes ist nach wie vor nicht geklärt“, gibt Spiegel zu bedenken. Generell fordert Misereor die EU und die Bundesregierung auf, eine Politik zu stärken, die Bauernfamilien fördert und ihr Potenzial erkennt, statt einseitig ein Agrarmodell zu begünstigen, das die Macht weniger Konzerne ausbaut. „Nur so können wir den Hunger in der Welt nachhaltig bekämpfen und Ernährung in ihrer ganzen Breite begreifen“, betont Spiegel. (ab)

11.10.2017 |

Bericht: Industrielle Ernährungssysteme schaden Gesundheit und Umwelt

Kürbis
Eine Abkehr von Ernährungssystemen, die der Gesundheit schaden, ist nötig (Foto: CC0)

Industrielle Agrar- und Ernährungssysteme schaden der menschlichen Gesundheit und der Umwelt, warnt ein internationales Expertengremium. Ein am 9. Oktober veröffentlichter Bericht des International Panel of Experts on Sustainable Food Systems (IPES-Food), dem unter anderem der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung Olivier de Schutter und der Ko-Präsident des Weltagrarberichts Hans Herren angehören, fordert daher entschlossene Maßnahmen zum Aufbau gesunder und nachhaltiger Systeme. „Unsere Ernährungssysteme machen uns krank. Ungesunde Ernährungsweisen sind das offenkundigste, aber nur eines von vielen Beispielen dafür, wie Ernährungs- und Landwirtschaftssysteme die menschliche Gesundheit beeinträchtigen“, sagte Cecilia Rocha, die Hauptautorin des Berichts und Leiterin der School of Nutrition an der Ryerson University in Toronto. „Wir müssen dringend etwas gegen diese Auswirkungen unternehmen, wo immer sie auftreten, und zugleich die Hauptursachen von ungerechten, nicht nachhaltigen und ungesunden Praktiken in Ernährungssystemen angehen.“

Der Bericht nennt fünf Gründe für negative Gesundheitsfolgen, die mit Ernährungssystemen verbunden sind. Erstens werden Menschen krank, da sie unter ungesunden Bedingungen arbeiten: Landarbeiter, Bauern und andere in der Nahrungsmittelkette Beschäftigte leiden an physischen und psychischen Folgen, da sie auf dem Feld, in der Fabrik oder am Arbeitsplatz Gesundheitsrisiken ausgesetzt, z.B. durch Pestizide. Zweitens zieht die Lebensmittelproduktion Umweltverschmutzungen nach sich, die gesundheits-gefährdend sind, z.B. durch die Verschmutzung von Böden, Luft und Wasser oder auf die Tierhaltung zurückführende Krankheitserreger (Verunreinigung von Trinkwasser durch Nitrate, Luftverschmutzung durch die Landwirtschaft, Antibiotikaresistenzen). Andere Gefahren für die menschliche Gesundheit entstehen durch den Konsum unsicherer oder verunreinigter Lebensmittel, durch ungesunde Ernährung, die zu Fettleibigkeit und nicht übertragbaren Krankheiten führt, oder durch den fehlenden Zugang zu ausreichender und qualitativ angemessener Nahrung. Der Bericht betont, dass viele ernsthafte Gesundheitsprobleme weltweit – von Atemwegserkrankungen bis hin zu verschiedenen Krebsarten – mit Praktiken der industriellen Ernährung und Landwirtschaft in Verbindung stehen, wie der chemiebasierten Landwirtschaft, Massentierhaltung und der Produktion und Vermarktung hochverarbeiteter Lebensmittel sowie der Entwicklung langer und deregulierter globaler Rohstofflieferketten.

Der Bericht beziffert auch die hohen wirtschaftlichen Kosten der Gesundheitsgefahren: Mangelernährung verursacht weltweit Kosten in Höhe von 3,5 Billionen US-Dollar jährlich, während Fettleibigkeit bis 2025 rund 760 Milliarden US-Dollar kosten wird. „All diese Gesundheitsfolgen gemeinsam betrachtet illustrieren die zwingenden Gründe für eine Reform. Nimmt man zu den Gesundheitsfolgen noch die ökologischen und sozialen Auswirkungen sowie die dadurch verursachten steigenden Kosten hinzu, liefert dies überzeugende Argumente zu handeln“, sagte Olivier De Schutter, Ko-Vorsitzender des IPES. Die Experten stellen zudem fest, dass jene, die oft keine Macht und Stimme haben, z.B. Kleinbauern im Globalen Süden, meist den größten Gesundheitsrisiken in Ernährungssystemen ausgesetzt sind. Die Folgen werden deshalb oft nicht beachtet, dokumentiert und angegangen. „Hier wie auch anderswo gehen politische Ohnmacht und Marginalisierung meist Hand in Hand mit den Risiken für das Leben und die Existenz der Menschen“, fügte de Schutter hinzu. Zugleich bedeutet das unfaire Mächtegleichgewicht in Ernährungssystemen, dass mächtige Akteure die Debatte bestimmen und Politiken beeinflussen. Sie werben für Lösungen wie die Anreicherung von Lebensmitteln mit Nährstoffen, ohne die wahren Ursachen für Gesundheitsprobleme und den Beitrag der industriellen Landwirtschaft dazu zu berücksichtigen.

Die Experten plädieren für eine Reform der Ernährungs- und Agrarsysteme. „Dringende Schritte sind erforderlich, um Praktiken im Ernährungssystem zu verändern und die Art und Weise zu reformieren, wie Wissen gesammelt und vermittelt wird, Verständnis geschaffen und Prioritäten gesetzt werden”, so Rocha. IPES-Food identifiziert fünf Ansatzpunkte für die Entwicklung gesünderer Ernährungssysteme: Dazu gehört, Lebensmittelproduzenten wieder mit den Konsumenten zu verbinden, die verschiedenen Probleme gemeinsam mit ihren Ursachen zu betrachten, die Macht in Ernährungssystemen wieder in Balance und alle Gesundheitsfolgen ans Licht zu bringen, und demokratischere und ganzheitlichere Formen zu finden, um mit Risiken umzugehen und Ernährungssysteme zu regeln. „Mit anderen Worten, eine neue Verständnisgrundlage und eine neue Basis für politisches Handeln ist nötig, um die Verbindung zwischen Essen und Gesundheit aufzudecken und alles in gesündere Bahnen zu lenken“, lautet das Fazit. (ab)

05.10.2017 |

Studie: Weniger Fleischkonsum senkt Antibiotikaeinsatz in der Nutztierhaltung

Schwein
Bessere Haltung statt Antibiotika beugt Krankheiten vor (Foto: CC0)

Der übermäßige Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung heizt eine Gesundheitskrise globalen Ausmaßes an, da Antibiotika-Resistenzen zunehmen. Davor warnen die Weltgesundheitsorganisation, Wissenschaftler und Umweltschützer schon lange. Doch nun legen Experten im Fachjournal “Science” drei konkrete Vorschläge vor, wie der „Antibiotikamissbrauch” im Stall eingedämmt werden kann. Ihr Rezept lautet Fleischkonsum reduzieren, die Verabreichungsmenge beschränken und Antibiotika für Nutztiere höher besteuern. „Die starke und zunehmende Gabe von Antibiotika in der Nutztierhaltung infolge der wachsenden weltweiten Nachfrage nach tierischen Proteinen ist sehr besorgniserregend angesichts der Bedrohung durch Antibiotika-Resistenzen“, warnen sie.

Fast 80% der Antibiotikamenge in den USA wird an Nutztiere zur Wachstumsförderung verabreicht. Weltweit werden fast dreimal so viele Antibiotika an Tiere wie an Menschen gegeben. Im Jahr 2013 kamen 131.000 Tonnen Antibiotika in der Nutztierhaltung zum Einsatz. Die Forscher prognostizieren, dass diese Zahl bis 2030 auf 200.000 Tonnen hochschnellen könnte, wenn nicht gegengesteuert wird. „Der Zuwachs beim Antibiotikaeinsatz, der vor allem eine gute Fütterung und Hygiene in der Tierhaltung kompensieren soll, ist schlichtweg nicht nachhaltig und wird unsere Bemühungen zunichte machen, die Effektivität unserer aktuell benutzten Antibiotika zu bewahren“, sagte Ramanan Laxminarayan, einer der Autoren der Studie. „Eine Krise steht bereits bevor, doch weiter für die Humanmedizin wichtige Antibiotika für die Wachstumsförderungen von Tieren zu nutzen, bedeutet schlichtweg, Öl ins Feuer zu gießen.“

Die erste Empfehlung der Studie lautet, den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung durch Begrenzung der erlaubten Menge zu regulieren. Die Wissenschaftler haben berechnet, dass eine Obergrenze von jährlich 50 Milligramm pro Kilo tierischem Produkt zum Rückgang des Einsatzes von Antibiotika um 64% führen könnte. Wenn alleine China und die OECD-Staaten dies umsetzen würden, ginge der globale Verbrauch bis 2030 um 60% zurück. Die zweite Lösung wäre die Förderung einer Ernährung, die arm an tierischen Proteinen ist. „Eine Begrenzung des Fleischkonsums auf weltweit 40 Gramm am Tag, was in etwa einem Burger pro Person entspräche, könnte den Antibiotikaverbrauch in der Nutztierhaltung um weltweit 66% verringern. „In den USA essen die Menschen täglich im Schnitt 260 Gramm Fleisch“, sagte der Hauptautor der Studie, Thomas Van Boeckel von der ETH Zürich. „Wenn der Fleischkonsum nur auf 165 Gramm pro Tag reduziert würde, oder vier Burger am Tag, würde der weltweite Antibiotikaverbrauch um mehr als 20% zurückgehen.“ China hatte kürzlich die Ernährungsrichtlinien für den Fleischkonsum auf 40-70 Gramm pro Tag herabgesetzt und will so den Fleischkonsum des Landes halbieren. „Wenn dieses Beispiel nachgeahmt würde, könnte dies indirekte aber erhebliche Auswirkungen auf den weltweiten Antibiotikaverbrauch durch Tierärzte haben“, sagen die Autoren voraus.

Als dritten Ansatz zur Reduzierung des Antiobiotikaeinsatzes in der Tierhaltung führt die Studie höhere Abgaben für den Kauf von Tierarzneimitteln ins Feld. „Dahinter steht die Idee, die auch nicht neu ist, Antibiotika zu verteuern, sodass Landwirte und Tierärzte diese auch nur nutzen, wenn es nötig ist“, sagte Van Boeckel. „Eine Steuer von 50% auf Antibiotika für Nutztiere könnten den globalen Verbrauch um mehr als 30% senken und gleichzeitig Einnahmen in Höhe von 1,7 bis 4,6 Milliarden Dollar generieren, die in die Forschung nach neuen Antibiotika und Verbesserungen bei der Hygiene in den Ställen gesteckt werden könnten.“ Doch er betont auch, dass es keine Patentlösung zur Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung gebe. Daher müsse an mehreren Stellschrauben zugleich gedreht werden. Doch wenn diese drei Vorschläge kombiniert und vollständig umgesetzt würden, könnte eine 80%-ige Verringerung des Antibiotikaverbrauchs bis 2030 gelingen. (ab)

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