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07.09.2022 |

Studie: Gesunde Ernährung spart Fläche und Emissionen ein

Gesund
Gesund für Mensch und Klima (Foto: CC0)

Wenn sich die Deutschen nachhaltig und gesund ernähren und weitgehend auf tierische Lebensmittel verzichten würden, könnten drei Viertel der aktuell durch die Landwirtschaft und Ernährung verursachten Treibhausgase eingespart werden. Durch eine Ernährung nach dem Vorbild solch einer „Planetary Health Diet“ würden nur noch 60% der momentan bestellten landwirtschaftlichen Nutzfläche für die Ernährung der Bundesbürger*innen benötigt: Auf der übrigen „freiwerdenden“ Fläche könnten entweder Lebensmittel für weitere 70 Millionen Menschen angebaut oder Wälder gepflanzt werden, um die deutsche Landwirtschaft treibhausgasneutral zu machen. Das geht aus einer Studie des Öko-Institut hervor, die am 6. September veröffentlicht wurde. „Nur wenn wir unsere Ernährung vorrangig auf pflanzliche Produkte umstellen, können wir die Treibhausgase der Landwirtschaft drastisch reduzieren und das Ziel der Treibhausgasneutralität für Deutschland überhaupt erreichen“, betont Margarethe Scheffler, Expertin für nachhaltige Landwirtschaft am Öko-Institut und eine der beiden Hauptautorinnen.

In Auftrag gegeben wurde die Studie von Greenpeace mit dem Ziel, herauszufinden, wie sich eine grundlegende Veränderung unserer Ernährung auf die Landwirtschaft in Deutschland auswirken und welche neuen Chancen sich daraus ergeben würden. An die Fragestellung gingen die Verfasserinnen der Studie in vier Schritten heran. Zunächst ermittelten sie, welchen Anteil die Ernährung der inländischen Bevölkerung an der heutigen landwirtschaftlichen Produktion hat und dies von der Produktion für den Export und den Anbau von Energiepflanzen abgegrenzt. Im zweiten Schritt wurde analysiert, welche zusätzlichen Flächen nötig wären, damit Deutschland seine Umwelt- und Klimaziele erreichen kann. Laut Klimaschutzgesetz muss Deutschland bis 2045 treibhausgasneutral sein. Zu den in die Analyse einbezogenen Umweltzielen gehören etwa die Ausweitung der Biodiversitätsflächen auf insgesamt 10% des Ackerlands und 10% des Grünlands gemäß den Zielen der Biodiversitätsstrategie, eine großflächige Wiedervernässung der Moore sowie die Ausweitung des Ökolandbaus von heute 10% auf 30% wie im Koalitionsvertrag festgehalten. Einkalkuliert in die Flächenberechnungen wurde auch eine Erhöhung des Selbstversorgungsgrades für bestimmte Ackerkulturen, Gemüse und Hülsenfrüchte. Drittens wurde untersucht, welche Produktionsumstellung sich durch eine Änderung der Nachfrage aufgrund der Planetary Health Diet ergeben und wie sich dies auf den Flächenverbrauch, die Tierhaltung und die Treibhausgasemissionen auswirken würde.

Die sogenannte „Planetary Health Diet“ wurde im Januar von der EAT Lancet Kommission vorgelegt. 37 Wissenschaftler*innen aus 16 Ländern und unterschiedlichen Disziplinen hatten sich damit befasst, wie eine nachhaltige und gesunde Ernährung für eine wachsende Weltbevölkerung bis 2050 aussehen könnte. Denn unsere Ernährungsweise ist nicht nur die Ursachen für Übergewicht und Fettleibigkeit, sondern auch eine Reihe anderer ernährungsbedingter Leiden und sie schädigt den Planeten. Als Grundlage für die Sicherung der „planetaren Gesundheit“ nutzte die Kommission das Konzept der planetaren Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen, damit wir den sicheren Handlungsbereich („Safe operating space“) der Menschheit nicht verlassen. In einer 2009 veröffentlichten und später aktualisierten Studie (Steffen et al. 2015) hatten Forscher*innen Grenzbereiche für die sechs Oberkategorien Wasser, Land, biologische Vielfalt, Klima, Stickstoff und Phosphor festgelegt. Die Ernährungsempfehlungen der EAT Lancet Kommission sehen 2.500 kcal pro Person am Tag vor. Ziel ist eine Verdopplung des Gemüseanteils auf dem Teller und eine Halbierung des Konsums von rotem Fleisch und Zucker. Die Studie des Öko-Instituts wendet nun die Empfehlungen für Deutschland an. Hier ist der Fleischkonsum mit rund 55 Kilo pro Person und Jahr noch recht hoch, auch wenn er zuletzt leicht zurückging. Gemäß der Planetary Health Diet müsste sich hier der Konsum tierischer Lebensmittel um 75% verringern und im Gegenzug müsste sich der Verzehr von Gemüse, Obst, Nüssen und Hülsenfrüchten zum Teil mehr als verdoppeln. Gleichzeitig würden Lebensmittel nach ökologischen Standards angebaut und bei Milchkühen auf grünlandbasierte Fütterung umgestellt, wodurch die Milchleistung pro Kuh sinkt. Das Öko-Institut berechnete so die gesamten Produktionsmengen für die Versorgung der inländischen Bevölkerung, den Flächenbedarf und die Emissionen.

Das Fazit der Studie lautet: Gelingt eine Ernährungsumstellung nach dem Vorbild der Planetary Health Diet und die Umsetzung der Umweltziele, dann können die Emissionen des Landwirtschaftssektor inklusive der CO2 Emissionen aus der landwirtschaftlichen Nutzung der Moorstandorte stark gesenkt werden. Das liegt vor allem daran, dass deutlich weniger tierische Produkte nachgefragt würden und sich der heutige Tierbestand drastisch verringern würde. Die Nachfrage nach pflanzlichen Produkten dagegen stiege stark an. Produkte wie Nüsse, Oliven und Öle müssten weiterhin aus dem Ausland importiert werden. Von den heute ca. 95 Millionen Tonnen von der Landwirtschaft ausgestoßenen CO2-Äquivalente entfallen allein 81 Millionen Tonnen auf die Ernährung und mehr als 80% davon stammen aus der Tierhaltung. Die Gesamtmenge von 95 Mio. t CO2-Äquivalente könnte mit einer gesunden und nachhaltigen Ernährung auf 23 Millionen Tonnen gesenkt werden. Ein Großteil dieser Minderungen (31 Mio. t CO2) ist auf die Wiedervernässung der Moore zurückzuführen. Insgesamt würden die Emissionen pro Hektar von heute ca. 8,3 t CO2e auf 2,5 t CO2e sinken. Gleichzeitig würde, was die Fläche anbelangt, nur noch 60% der Nutzfläche für die Ernährung der Bundesbürger*innen belegt werden. Es stünden 1,6 Millionen Hektar Grünland und 4,6 Millionen Hektar Ackerland für eine alternative Verwendung zur Verfügung. „Die Ergebnisse sind deutlich. Mit einer Ernährungswende können wir nicht nur das Klima schützen, sondern auch Flächen sparen und ökologischer wirtschaften“, kommentierte Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Martin Hofstetter die Ergebnisse.

Die Autorinnen befassten sich im vierten Schritt mit zwei Varianten von Nutzungsmöglichkeiten für die durch die Ernährungsumstellung verfügbar gewordene Fläche. Die erste Variante betrachtet die Schaffung von zusätzlichen Kohlenstoffsenken durch neue Wälder. „Wenn die frei gewordene Fläche aufgeforstet wird, könnten die Restemissionen aus der Landwirtschaft fast komplett kompensiert werden. Durch diese zusätzliche Kohlenstoffsenke von 20,4 Mio. t CO2, die innerhalb der nächsten 23 Jahre entstehen könnten, verblieben im Saldo nur noch 2,7 Mio. t CO2e an Restemissionen aus der Landwirtschaft. Damit wäre die landwirtschaftliche Produktion fast treibhausgasneutral“, heißt es in der Studie. Alternativ könnte die Fläche genutzt werden, um zusätzliche Lebensmittel für den Export zu erzeugen. Gegenüber heute steigen damit die Exportmengen von tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln, aber auch die Emissionen würden zunehmen und von 10 Millionen Tonnen CO2e auf 33 Millionen Tonnen ansteigen. Werden die Exporte aber für die Ernährung genutzt würden, könnten 70 Millionen zusätzliche Menschen nach dem Vorbild der Planetary Health Diet ernährt werden. „Kohlenstoffspeicher oder Export von Lebensmitteln – in unserer Studie zeigen wir zwei Optionen für mehr Klimaschutz in der Landwirtschaft auf“, erklärt Kirsten Wiegmann, Co-Autorin der Studie. „Welchen Weg wir einschlagen, ist eine gesellschaftliche Entscheidung, die von der Politik getroffen werden muss.“ Zunächst müsse es uns jedoch gelingen, unsere Ernährung entsprechend umzustellen. Das sieht auch Hofstetter so: „Um die notwendige Transformation anzustoßen, kann jeder und jede etwas beitragen. Vor allem aber müssen Politik und Wirtschaft viel stärker als bisher gestaltend wirken“, betont er: „Wir fordern von der Politik jetzt umfassende Maßnahmen, um das Ziel der Ernährungswende in den kommenden Jahren zu erreichen. Die offiziellen Ernährungsempfehlungen sind anzupassen. Vor allem sind die Umweltkosten bei der Produktion von Milch und Fleisch einzuberechnen und die Viehbestände abzubauen.“ (ab)

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