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12.07.2022 |

UN-Bericht: 828 Millionen Menschen hungern weltweit

Gemuese
Fast 3,1 Milliarden Menschen können sich keine gesunde Ernährung leisten (Foto: CC0)

Beim Kampf gegen Hunger und Unterernährung gibt es deutliche Rückschritte. Einem neuen Bericht zufolge, der am 6. Juli von fünf UN-Organisationen veröffentlicht wurde, stieg die Zahl der weltweit von chronischem Hunger betroffenen Menschen 2021 auf 828 Millionen an. Das sind rund 180 Millionen mehr Menschen als 2015, als die Agenda 2030 aus der Taufe gehoben wurde, doch der Großteil des Anstiegs (150 Millionen) erfolgte seit dem Ausbruch von COVID-19. Aktuell ist also ein Zehntel der Weltbevölkerung chronisch unterernährt. Zudem konnten sich im Jahr 2020 fast 3,1 Milliarden Menschen keine gesunde Ernährung leisten – 112 Millionen mehr als noch 2019, was den gestiegenen Lebensmittelpreisen im Zuge der Pandemie geschuldet ist. „Die Herausforderungen beim Kampf gegen Hunger, Ernährungsunsicherheit und alle Formen von Unterernährung nehmen weiter zu. Die COVID-19-Pandemie hat die Fragilität unserer Agrar- und Ernährungssysteme und die Ungleichheiten in unser Gesellschaft noch sichtbarer gemacht und zu einem weiteren Anstieg des Welthungers und der schweren Ernährungsunsicherheit geführt“, schreiben die Leiter*innen der Welternährungsorganisation FAO, des Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD), von UNICEF, dem Welternährungsprogramm (WFP) und der Weltgesundheitsorganisation in ihrem gemeinsamen Vorwort zum Bericht.

In der diesjährigen Ausgabe des Berichts „The State of Food Security and Nutrition in the World“ wird eine Spanne von 702 bis 828 Millionen chronisch unterernährten Menschen angegeben, um den Unsicherheiten bei der Datenerhebung aufgrund der Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen Rechnung zu tragen. Den Autor*innen zufolge sind die Informationen über die tatsächliche Verfügbarkeit und den Verbrauch von Nahrungsmitteln in den Jahren 2020 und 2021 nach wie vor spärlich und ungenau. Nimmt man die Mitte der geschätzten Spanne (768 Millionen), so ist die Zahl der unterernährten Menschen seit 2020 um 46 Millionen gestiegen. „Es besteht die reale Gefahr, dass die Zahlen in den kommenden Monaten sogar noch weiter ansteigen werden. Der weltweite Preisanstieg von Lebensmitteln, Treibstoff und Düngemittel ist das Folge des Krieges in der Ukraine, der droht, Länder auf der ganzen Welt in Hungersnöte zu stürzen“, sagte WFP-Exekutivdirektor David Beasley. „Das Ergebnis wird eine globale Destabilisierung, Hungersnöte und Massenmigration in einem noch nie dagewesenen Ausmaß sein. Wir müssen heute handeln, um die sich anbahnende Katastrophe zu verhindern.“

Nachdem der Anteil der von Hunger betroffenen Menschen seit 2015 relativ gleich geblieben war, stieg er 2020 sprunghaft an und kletterte 2021 weiter auf 9,8 Prozent der Weltbevölkerung. Berücksichtigt man die obere Grenze der Spanne von 828 Millionen Menschen, liegt der Anteil bei 10,5 Prozent. Die Zahlen zeigen ein anhaltendes regionales Gefälle, wobei in Afrika der Anteil der Hungernden an der Bevölkerung am heftigsten ist, während Asien in absoluten Zahlen trauriger Spitzenreiter ist. Mehr als die Hälfte (56,2 %) der 828 Millionen Menschen, die im Jahr 2021 unterernährt waren, lebten in Asien (465,4 Millionen Menschen), gefolgt von Afrika mit 289,1 Millionen (34,9 %) sowie Lateinamerika und der Karibik mit 64 Millionen (7,7 %). In Afrika beträgt der Anteil der unterernährten Menschen an der Bevölkerung nunmehr 21 % gegenüber 20,3 % im Jahr 2020. Besonders alarmierend ist die Lage in Zentralafrika, wo im letzten Jahr ein Drittel der Bevölkerung (33,3 %) unterernährt war. Zu dieser Subregion gehören Länder wie der Tschad und die Demokratische Republik Kongo. In Ostafrika waren 30,8 % von Hunger betroffen. In Asien waren 9,9 % der Bevölkerung chronisch unterernährt, während der Anteil in Lateinamerika 9,7 % betrug.

Der Bericht enthält nicht nur Schätzungen zur Zahl der chronisch unterernährten Menschen, sondern auch zur moderaten und schweren Ernährungsunsicherheit. Moderate Ernährungsunsicherheit wird definiert als „ein Schweregrad der Ernährungsunsicherheit, bei dem die Menschen unsicher sind, ob sie sich mit Lebensmitteln versorgen können“, was bedeutet, dass sie gezwungen sind, zu bestimmten Zeiten im Jahr aufgrund von Mangel an Geld oder anderen Ressourcen Abstriche bei der Qualität und/oder Quantität der verzehrten Lebensmittel zu machen. Insgesamt hatte fast jeder dritte Mensch auf der Welt (2,3 Milliarden) im Jahr 2021 keinen ganzjährigen Zugang zu angemessener Nahrung – ein Anstieg um fast 350 Millionen Menschen seit 2019, dem Jahr vor Ausbruch der Pandemie. Von den von moderater und schwerer Ernährungsunsicherheit betroffenen Menschen waren fast 40% oder 923,7 Millionen Menschen von schwerer Ernährungsunsicherheit betroffen, was bedeutet, dass ihnen die Nahrungsmittel ausgingen, sie Hunger litten und im Extremfall einen Tag oder länger nichts zu essen hatten. Dies ist ein Anstieg um 207 Millionen Menschen im Vergleich zu 2019. Auch eine gesunde Ernährung ist für Menschen in allen Regionen der Welt immer unerschwinglicher geworden. 2021 konnten sich fast 3,1 Milliarden Menschen keine gesunde Ernährung leisten, 112 Millionen mehr als 2019. Diese Zahlen könnten sogar noch höher sein, sobald Daten vorliegen, die die Einkommensverluste im Jahr 2020 berücksichtigen.

Der Bericht zeichnet auch ein düsteres Bild von der Ernährungssituation bei Kindern. Schätzungsweise 45 Millionen Kinder unter fünf Jahren litten an Auszehrung (wasting), der tödlichsten Form der Unterernährung, die das Sterberisiko von Kindern um das Zwölffache erhöht. Darüber hinaus waren 149 Millionen Kinder unter fünf Jahren in ihrem Wachstum und ihrer Entwicklung gehemmt (stunting), was bedeutet, dass sie aufgrund eines chronischen Mangels an essenziellen Nährstoffen in ihrer Ernährung zu klein für ihr Alter sind. Weitere 39 Millionen Kinder waren übergewichtig. „Das noch nie dagewesene Ausmaß dieser Ernährungskrise erfordert eine noch nie dagewesene Reaktion. Wir müssen unsere Bemühungen verdoppeln, um sicherzustellen, dass die schutzbedürftigsten Kinder einen sicheren Zugang zu nahrhafter und bezahlbarer Ernährung haben – sowie Zugang zur frühzeitigen Prävention, Erkennung und Behandlung von Mangelernährung“, betonte UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell. „Wenn die Zukunft und das Leben von so vielen Kindern auf dem Spiel stehen, ist das nun die richtige Zeit, um unser Engagement für Kinderernährung zur verstärken – wir haben keine Zeit zu verlieren.”

Auch der Ausblick in die Zukunft fällt düster aus. Der anhaltende Krieg in der Ukraine, in den zwei der weltweit größten Produzenten von Grundnahrungsmitteln, Ölsaaten und Düngemitteln verwickelt sind, unterbricht die internationalen Lieferketten und treibt die Preise für Getreide, Düngemittel und Energie in die Höhe. Die Lieferketten wurden bereits durch immer häufiger auftretende extreme Klimaereignisse beeinträchtigt, gerade in Ländern mit niedrigem Einkommen. All dies wirkt sich negativ auf die weltweite Ernährungssicherheit und Ernährung aus, warnt der Bericht. Das Ziel, Hunger, Ernährungsunsicherheit und Unterernährung in all ihren Formen bis 2030 zu beenden, rückt in immer weitere Ferne. Laut aktuellen Prognosen werden im Jahr 2030 immer noch fast 670 Millionen Menschen (8 % der Weltbevölkerung) von Hunger betroffen sein – selbst wenn man von einer wirtschaftlichen Erholung auf globaler Ebene ausgeht. Das ist eine ähnliche Zahl wie 2015, als im Rahmen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung das Ziel formuliert wurde, Hunger, Ernährungsunsicherheit und Unterernährung bis zum Ende dieses Jahrzehnts zu beenden. „Dies sind deprimierende Zahlen für die Menschheit. Wir kommen immer weiter von unserem Ziel ab, den Hunger bis 2030 besiegt zu haben“, beklagte IFAD-Präsident Gilbert F. Houngbo. „Die fortlaufenden Auswirkungen der globalen Ernährungskrise werden voraussichtlich die Erträge im kommenden Jahr weiter verschlechtern. Wir benötigen einen intensiveren Ansatz, um Hunger zu beenden.” (ab)

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