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29.07.2021 |

Erdüberlastungstag: Natürliche Ressourcen für 2021 sind „verbraucht“

Ressourcen
Die Belastungsgrenze ist erreicht (Foto: CC0)

Nur sieben Monate hat die Menschheit gebraucht, um das Kontingent der Erde an nachhaltig nutzbaren Ressourcen für das gesamte Jahr auszuschöpfen. Am 29. Juli ist daher „Earth Overshoot Day“ und den Rest des Jahres leben wir wieder auf Pump und strapazieren das Ressourcenbudget der Natur über das regenerierbare Maß hinaus. Das zeigen Berechnungen der internationalen Nachhaltigkeitsorganisation „Global Footprint Network“, die den Erdüberlastungstag jährlich neu berechnet. 2020 hatte die Corona-Pandemie das Datum auf den 22. August nach hinten rücken lassen im Kalender, doch mit der Verlangsamung des Raubbaus an der Natur ist nun wieder Schluss, die Wirtschaft erholt sich und der Ressourcenhunger wächst erneut. „Falls Sie daran erinnert werden müssten, dass wir uns in einer klimatischen und ökologischen Notsituation befinden, dann tut dies der Earth Overshoot Day“, sagte Susan Aitken, die Bürgermeisterin von Glasgow, wo im Herbst die UN-Klimakonferenz COP26 stattfinden wird. Steffen Vogel von der deutschen Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch kommentierte: „Wir erleben nun den befürchteten Rebound-Effekt, das sprunghafte Wiederansteigen der Emissionen nach dem Höhepunkt der Pandemie. Dass der Ressourcenverbrauch trotz Anhalten der Pandemie schon dieses Jahr wieder fast das Niveau von 2019 erreicht, zeigt: Wir brauchen dringender denn je ein Umsteuern in der Klima- und Ressourcenpolitik. COVID-19-Konjunkturprogramme müssen unbedingt auf nachhaltige Wirtschaftsweisen ausgerichtet werden.“

Die Berechnungen des ‚Global Footprint Network‘ basieren auf den „National Footprint & Biocapacity Accounts“ (NFA), die sich auf UN-Datensätzen stützen. Für die Festlegung des Erdüberlastungstages werden zwei Größen gegenübergestellt: einerseits die biologische Kapazität der Erde zum Aufbau von Ressourcen sowie zur Aufnahme von Müll und Emissionen und andererseits der ökologische Fußabdruck – der Bedarf an Acker-, Weide- und Bauflächen, die Entnahme von Holz, Fasern oder Fisch, aber auch der CO2-Ausstoß und die Müllproduktion. 1970 überstieg der Ressourcenverbrauch erstmals die Biokapazität der Erde, Anfang der 90er Jahre war der Erdüberlastungstag bereits im Oktober erreicht und 2018 fiel der Tag mit dem 25. Juli auf den frühesten bisher berechneten Termin. Dem Netzwerk zufolge ist die erneute Beschleunigung der Übernutzung der Ressourcen vor allem auf eine Erhöhung der CO2-Emissionen um 6,6% gegenüber 2020 zurückzuführen. Zudem schrumpfte die globale Biokapazität der Wälder um etwa 0,5%, was größtenteils auf die zunehmende Abholzung von Wäldern im Amazonasgebiet zurückzuführen ist. Allein in Brasilien gingen 1,1 Millionen Hektar Wald letztes Jahr verloren. Schätzungen für 2021 deuten auf einen Anstieg der Abholzung um bis zu 43% im Vergleich zum Vorjahr hin, teilte das ‚Global Footprint Network‘ mit.

Den Ressourcenhunger führt das Netzwerk auch mithilfe des „Verbrauchs an Erden“ vor Augen: Um den Konsum der Menschheit nachhaltig zu decken, wären rein rechnerisch rund 1,7 Erden notwendig. Würden alle Länder so haushalten wie Deutschland, wären sogar 2,9 Erden nötig. Bei einer Lebensweise wie in den USA bräuchte die Weltbevölkerung fünf Erden und für Australien wären es 4,6 Planeten. Würden hingegen alle Menschen so wirtschaften wie Indien, kämen wir mit 0,7 Erden aus. Daher war der nationale Erdüberlastungstag 2021 in den USA bereits am 14. März und in Deutschland am 5. Mai. Doch eines zeigt die Verlangsamung im Vorjahr: Durch ein anderes Wirtschaften und Konsumieren kann der Ressourcenverbrauch auf ein verträglicheres Maß reduziert werden. „Letztes Jahr, als die Pandemie die Welt heimsuchte, haben die Regierungen gezeigt, dass sie schnell handeln können. Rasch wurden Vorschriften und außerordentliche Ausgaben bewilligt“, betonte das ‚Global Footprint Network‘. „Der ‚perfekte Sturm‘ von Klimawandel und Ressourcenknappheit, der sich zusammenbraut, erfordert von Entscheidungsträgern das gleiche Maß an Wachsamkeit und schnellem Handeln.“

Von der deutschen Politik wünscht sich Germanwatch einen entschlossenen Klimaschutz: „Auf die nächste Bundesregierung kommen sowohl auf EU-Ebene als auch beim Ergreifen wirksamer Maßnahmen zum Erreichen der verbesserten deutschen Klimaziele große Aufgaben zu”, sagte Audrey Mathieu, Referentin für EU-Klimapolitik bei Germanwatch. „Um die ständige Überdehnung der Grenzen des Planeten zu stoppen, brauchen wir auch eine engere internationale Kooperation auf mehreren Ebenen. So muss die Bundesregierung jetzt zum Beispiel mit ihren europäischen Partnern die Umsetzung des European Green Deal beschleunigen“, fordert Mathieu. Zudem müssten mit zentralen Schwellenländern Klimapartnerschaften zum zügigeren Umstieg Richtung Klimaneutralität auf- und ausgebaut werden. Das ‚Global Footprint Network‘ sieht auch Städte und Kommunen in der Verantwortung: „Durch ihre Infrastruktur und ihre Regulierungsbefugnisse haben Stadtregierungen bedeutende Möglichkeiten, Ressourceneffizienz zu fördern und damit die Zukunft der Städte zu gestalten. Eine zu späte Anpassung birgt enormes Risiko. Darum wird Klimahandeln zur existentiellen Notwendigkeit für Städte, unabhängig von internationalen Vereinbarungen.

Doch was kann jede und jeder Einzelne tun? „Allein mit Veränderungen im persönlichen Lebensstil ist es unmöglich, den Erdüberlastungstag weit genug nach hinten zu schieben. Aber jede Veränderung beginnt mit einem ersten Schritt und den macht man am besten im eigenen Leben“, betont Johannes Küstner, Referent für Bildung bei Brot für die Welt. Für den zweiten Schritt hin zum gesellschaftlichen Wandel hat das evangelische Hilfswerk mit Germanwatch in Ergänzung zum Konzept des Fußabdrucks den „Handabdruck“ entwickelt. „Der Handabdruck steht für die Hebel, die jede und jeder von uns selbst in Bewegung setzen kann, um Nachhaltigkeit in Mobilität, Ernährung, Energie, Finanzen oder Ressourcennutzung zum neuen Standard zu machen. Das geht am Arbeitsplatz, in der Schule oder Uni, im Verein oder in der Kommune sowie auf Landes- und Bundesebene“, erklärt Marie Heitfeld von Germanwatch. Zu den Themenfeldern Nachhaltige Mobilität, Wirtschaft und Arbeit, Energie und Rohstoffnutzung sowie Ernährung und Landwirtschaft haben die Organisationen Vorschläge zusammengestellt, wie man auf allen Ebenen aktiv werden kann. So kann sich jeder und jede dafür engagieren, dass im Sport- oder Musikverein bei Veranstaltungen nachhaltige Produkte auf dem Teller und Buffet landen, sich an der eigenen Schule oder Hochschule für die Gründung eines Tausch- oder Leihladens einsetzen für Gegenstände, die nicht alle selbst besitzen müssen, oder sich bei der Arbeit dafür starkmachen, dass Bahnreisen der Vorzug vor dem Flieger gegeben wird. (ab)

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