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11.06.2021 |

Studie belegt Scheitern der Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika

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Mehr Mais für Afrika? (Foto: bit.ly/AWanga, Anne Wangalachi/CIMMYT, bit.ly/3_CC_BY-NC-SA_2-0)

Den Hunger in Afrika bekämpfen und Kleinbauern ein gutes Einkommen ermöglichen – an diesen Zielen ist die Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika (AGRA) auf ganzer Linie gescheitert. Das zeigt ein neues Papier, in dem deutsche Nichtregierungsorganisationen die Wirkung der auch von der Bundesregierung unterstützten Agrarinitiative bewerten. Darin gelangen die Rosa-Luxemburg-Stiftung, Brot für die Welt, FIAN Deutschland, das Forum Umwelt und Entwicklung und das INKOTA-netzwerk zu dem vernichtenden Urteil, dass AGRA die selbstgesteckten Ziele bei Weitem nicht erreicht hat. Im Jahr 2006 wurde die Allianz von der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung und der Rockefeller-Stiftung aus der Taufe gehoben. Mit den Patentrezepten der Grünen Revolution – sprich kommerziellem Hochertragssaatgut, Pestiziden und synthetischen Düngemitteln – sollten die Einkommen von 30 Millionen kleinbäuerlichen Haushalten bis 2020 verdoppelt und die Ernährungsunsicherheit in 20 Ländern durch Produktivitätssteigerungen halbiert werden. Um das umzusetzen, mobilisierte AGRA seither über eine Milliarde US Dollar – vor allem von der Gates-Stiftung, aber auch von der US-Regierung, Großbritannien und Deutschland.

Schon 2020 nahmen die deutschen NGOs gemeinsam mit fünf afrikanischen Organisationen die Fortschritte von AGRA genauer unter die Lupe. In der Studie „Falsche Versprechen“ zeigten sie auf, dass die landwirtschaftlichen Erträge in den 13 AGRA-Schwerpunktländern von Programmbeginn 2006 bis 2018 nur um 18% stiegen statt wie angekündigt um 100%. Im Zeitraum vor AGRA betrug die Steigerung 17%, sodass die Erträge auch ohne die Allianz in diesem Maße gestiegen wären. Zudem stellten sie fest, dass sich die Hungersituation in den 13 AGRA-Ländern seit Programmstart verschlechterte. Die Zahl der Menschen, die unter extremem Hunger leiden, erhöhte sich in den AGRA-Jahren um 30%. Nun nahmen sich die Autor*innen AGRA-interne Evaluierungen aus den Jahren 2019/2020 vor, die Anfang 2021 veröffentlicht wurden. Freiwillig rückte die Allianz diese Infos nicht heraus, sondern sie wurde auf Grundlage des „Freedom of Information Act“ in den USA gesetzlich verpflichtet, die eigene Halbzeitbewertung sowie elf weitere Länder-Evaluierungen auf ihrer Webseite zu veröffentlichen. Die Ergebnisse belegen, dass AGRA die ausgelobten Ziele deutlich verfehlt hat. Mit ihrem Ansatz der Grünen Revolution bescherte AGRA den an den Projekten beteiligten Bauern und Bäuerinnen nicht einmal Einkommen, die oberhalb der Armutsgrenze liegen. Erfolgreich war die Allianz hingegen darin, durch das Entsenden von Mitarbeiter*innen oder die finanzielle Unterstützung von Ministerien und Beratungsgremien systematisch Einfluss auf Dünge- und Saatgutgesetzgebung in den AGRA-Partnerländern zugunsten der Agrarindustrie zu nehmen.

In puncto Erträge bestätigt die Analyse der AGRA-Evaluierung, dass diese vergleichsweise gering blieben, wenn (klein)bäuerliche Erzeuger*innen das Input-intensive Paket der Grünen Revolution bestehend aus industriellem Saatgut und künstlichem Dünger verwendeten. AGRA setzt den Schwerpunkt auf Mais. Das wird von den deutschen NGOs ebenfalls kritisiert, da so eine Vielzahl weiterer wichtiger nahrhafter Grundnahrungsmittel vernachlässigt werden. Doch trotz des gesteigerten Einsatzes von Hybridsaatgut und Kunstdünger gelang es AGRA nicht, beim Mais relevante Ertragssteigerungen zu erzielen. In keinem Projektland wurden mehr als drei Tonnen pro Hektar Ertrag erreicht. In Ghana, wo die an den Projekten teilnehmenden Bäuerinnen und Bauern mit im Schnitt 3,5 ha über vergleichsweise viel Ackerland verfügen und 31 kg Kunstdünger pro Hektar einsetzten – also nicht die klassische Kleinbauern-Zielgruppe – lagen die durchschnittlichen Maiserträge bei nur 0,58 Tonnen je Hektar. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass der AGRA-Ansatz den an Projekten beteiligten Bauern und Bäuerinnen nicht einmal Einkommen beschert, die oberhalb der Armutsgrenze liegen. Die zusätzlichen Einnahmen der Haushalte in Ghana durch AGRA aus dem Maisverkauf beliefen sich gerade einmal auf 36 US-Dollar im Jahr und das trotz der günstigen Ausgangsbedingungen. In Tansania lag der durchschnittliche Verkaufserlös aus dem Maisverkauf bei 77 US-Dollar pro Haushalt und Jahr. Die offizielle Armutsgrenze in dem Land liegt bei 250 US-Dollar pro Person und Jahr, also bei etwa 500 US-Dollar für einen Haushalt mit zwei Erwachsenen. Mit dem Verkauf des Mais erwirtschaftet eine Kleinbauernfamilie also gerade einmal rund 15% des notwendigen Einkommens, um überhaupt die Armutsgrenze zu erreichen. „Bei den spärlichen Einkommenszuwächsen sind die oft steigenden Ausgaben für Dünger, Pestizide und Saatgut einfach nicht mit eingerechnet worden“, sagte FIAN-Agrarexperte Roman Herre dem Spiegel, der über die Studie berichtete. Diese zusätzlichen Ausgaben könnten daher sogar zu einem Verlustgeschäft führen.

„Der einzige Bereich, den die AGRA-Gutachter*innen loben, ist AGRAs Einfluss auf politische Reformen zugunsten der Grünen Revolution in den Zielländern der Initiative“, heißt es in der Studie. „Die Evaluierungen zeigen, wie AGRA afrikanische Regierungen systematisch beeinflusst, um Agrargesetzgebungen industriefreundlich zu verändern.“ Unter anderem entsendet AGRA Mitarbeitende in Ministerien oder unterstütze diese oder staatliche Beratungsgremien direkt finanziell. „Die Evaluierungen legen offen, dass AGRA als Resultat ihres finanziellen Engagements ein Gesetz oder eine Verordnung nach AGRAs Vorstellungen anstrebt. Das ist problematisch, denn AGRA nimmt so aktiv Einfluss auf politische Entscheidungsprozesse souveräner Staaten, deren Aufgabe das Verfassen und der Erlass von Gesetzen ist“, schreiben die NGOs. AGRA habe in allen Zielländern außer Mali an neuen Saatgut- und Düngemittelgesetzen mitgearbeitet – auch in den vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanzierten AGRA-Ländern Burkina Faso und Ghana. Dies geschehe unter anderem mit den Zielen, die Zulassung und Vermarktung von chemischen Düngemitteln zu vereinfachen. Auf Betreiben von AGRA sollen staatliche Kontrollen, etwa bei der Düngemittel-Zulassung in Tansania, abgeschafft oder in die Hände von Konzernen gelegt worden sein. „Durch die industriefreundliche Einflussnahme auf politische Rahmenbedingungen in den AGRA-Ländern werden erhöhte Absatzmöglichkeiten für Produkte der Grünen Revolution gesichert. Hiervon profitieren vor allem internationale Konzerne wie der Düngemittelkonzern Yara, der gleichzeitig Projektpartner von AGRA ist.“ Diese direkte Lobbyarbeit zugunsten von Industrieinteressen stehe im starken Gegensatz zu den offiziellen AGRA-Zielen, da sie Kleinbauern schade, bemängeln die NGOs.

Die Organisationen fordern die Bundesregierung daher auf, die finanzielle und politische Kooperation mit AGRA einzustellen. Von einer geplanten Ausweitung der Zusammenarbeit mit AGRA auf ein weiteres Land, Nigeria, sei abzusehen. „Die Ergebnisse der AGRA-eigenen Evaluierungen belegen das systematische Scheitern von AGRA und unterstreichen erneut, dass es für eine weitere Kooperation der Bundesregierung mit AGRA keine Grundlage gibt“, so die Autor*innen. Die Bundesregierung solle weitere Initiativen zur Förderung der Grünen Revolution einstellen und stattdessen solle „das Recht auf Nahrung als Kompass für die Politik der Bundesregierung dienen und Agrarökologie entschiedener als bisher gefördert werden“. Dafür müsse noch in der laufenden Legislaturperiode ein ambitionierter Aktionsplan zur Förderung der Agrarökologie vorgelegt und deutlich mehr Geld als bisher für agrarökologische Ansätze ausgegeben werden. Zudem kritisieren die NGOs, dass die Unterstützung der Bundesregierung für den von der AGRA-Präsidentin und anderen AGRA-Vertreter*innen mitgestalteten UN-Welternährungsgipfel 2021 ein katastrophales Signal für kleinbäuerliche Erzeuger*innen weltweit sei. Sie appellieren an die Regierung, dem Gipfel keine politische Bedeutung beizumessen und stattdessen für eine bessere Mittelausstattung des Welternährungsausschusses (CFS) in Rom zu sorgen, denn dieser sei von der Weltgemeinschaft legitimiert und von der internationalen Zivilgesellschaft anerkannt als Ort zur Bearbeitung von Fragen der Welternährung. (ab)

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