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11.11.2020 |

IPBES-Bericht: Natur- und Artenschutz beugt Pandemien vor

IPBES-Cover
Eines der Coverfotos des Berichts

Künftig drohen weitere Pandemien wie Corona, wenn dem Raubbau an der Natur und der Zerstörung der biologischen Vielfalt nicht Einhalt geboten wird. Doch es gibt ein wirkungsvolles Instrument zur Verringerung des Pandemierisikos: Natur- und Artenschutz. Das ist die Botschaft eines Berichts, der vom Weltbiodiversitätsrat IPBES Ende Oktober herausgegeben wurde. Verfasst haben ihn zwei Dutzend internationale Expertinnen und Experten, die sich auf einem IPBES-Workshop im Juli mit dem Zusammenhang zwischen Umweltzerstörung und Pandemien befassten. COVID-19 ist mindestens die sechste globale Pandemie seit der Spanischen Grippe von 1918, und obwohl sie ihren Ursprung in Mikroorganismen hat, die von Tieren übertragen werden, entstand sie wie andere Pandemien auch durch Eingriffe des Menschen. „Die Ursachen der COVID-19-Pandemie, oder jeder anderen modernen Pandemie, sind kein großes Geheimnis“, sagte Workshop-Leiter Dr. Peter Daszak. „Dieselben menschlichen Aktivitäten, die den Klimawandel und den Biodiversitätsverlust vorantreiben, erhöhen durch ihre Auswirkungen auf unsere Umwelt auch das Pandemierisiko. Veränderungen in der Art und Weise, wie wir Land nutzen, die Ausweitung und Intensivierung der Landwirtschaft sowie nicht nachhaltiger Handel, Produktion und Konsum beeinträchtigen die Natur und führen zu mehr Kontakt zwischen Wildtieren, Nutztieren, Krankheitserregern und Menschen. So entstehen Pandemien.” Die Veränderung der Landnutzung allein hat weltweit das Auftreten von mehr als 30% der seit 1960 gemeldeten neuen Krankheiten verursacht. Und die Experten schätzen, dass es weitere 1,7 Millionen derzeit „unentdeckte“ Viren in Säugetieren und Vögeln gibt, von denen bis zu 827.000 auf den Menschen überspringen könnten.

Die gute Nachricht ist, dass das Pandemierisiko deutlich gesenkt werden kann, indem die menschlichen Aktivitäten, die den Verlust der Artenvielfalt vorantreiben, reduziert werden, z.B. durch eine stärkere Erhaltung von Schutzgebieten und Maßnahmen, die die nicht nachhaltige Ausbeutung von Regionen mit hoher biologischer Vielfalt verringern. Das würde dazu beitragen, Kontakte zwischen Wildtieren, Nutztieren und Menschen zu verringern und das Überspringen neuer Erreger zu verhindern. Doch das erfordert eine grundlegende Abkehr vom bisherigen Ansatz der Reaktion hin zur Prävention. „Die überwältigenden wissenschaftlichen Belege führen zu einer sehr positiven Schlussfolgerung“, sagte Dr. Daszak. „Wir sind zunehmend in der Lage, Pandemien zu verhindern – aber unsere aktuelle Pandemiebekämpfung macht sich diese Fähigkeit weitgehend nicht zunutze. Unser Ansatz hat praktisch stagniert – wir verlassen uns nach wie vor auf Versuche, Krankheiten einzudämmen und zu kontrollieren, nachdem sie ausgebrochen sind, durch Impfstoffe und Therapeutika. Wir können dem Pandemiezeitalter entkommen, aber dies erfordert neben der Reaktion auch einen viel stärkeren Fokus auf die Prävention.“ Wie in vielen anderen Bereichen auch sind die Kosten des Reagierens viel höher als für Prävention – in etwa um das Hundertfache, schätzen die Experten. Darüber hinaus sei die Strategie des Reagierens, wie Maßnahmen des öffentlichen Gesundheitswesens und die Entwicklung und Verteilung neuer Impfstoffe und Therapeutika, ein „ein langer und unsicherer Weg“, der mit weit verbreitetem „menschlichen Leid und wirtschaftlichem Schaden“ einhergeht.

Der Bericht nennt auch eine Reihe politischer Optionen, die den Wandel hin zur Pandemieprävention unterstützen würden. „Dass der Mensch in der Lage ist, unsere natürliche Umwelt so grundlegend zu verändern, muss nicht immer nur negativ sein. Es liefert auch einen überzeugenden Beweis für unsere Fähigkeit, den Wandel voranzutreiben, der zur Verringerung künftiger Pandemierisiken erforderlich ist – was zugleich dem Naturschutz und der Abmilderung des Klimawandels dienen würde“, heißt es im Bericht. Um den Einfluss von Landnutzungsänderungen beim Entstehen von Pandemien zu verringern, empfehlen die Experten folgende Politiken: Bei größeren Entwicklungs- und Landnutzungsprojekten sollten Gesundheitsfolgenabschätzungen zum Pandemierisiko entwickelt und einbezogen werden, bevor Projekte beginnen dürfen. Die finanzielle Förderung von Landnutzungen sollte umgestaltet werden, sodass Nutzen und Risiken für die biologische Vielfalt und die Gesundheit erkannt und angegangen werden. Zudem sollten nationale Regierungen Subventionen für Aktivitäten streichen, die mit Abholzung, Schädigung von Wäldern und Landnutzungsänderungen einhergehen. Darüber hinaus sollten Entscheidungsträger nicht nachhaltige Konsum- und Wirtschaftsstrukturen, die Pandemien befördern, grundlegend verändern. „Nicht nachhaltige Muster des globalen Konsums treiben die globalisierte landwirtschaftliche Expansion und den Handel an und sind mit dem Pandemierisiko sowie mit Landnutzungsänderungen, dem Verlust der biologischen Vielfalt und dem Klimawandel verbunden“, erklären die Autoren. „Das zunehmende verfügbare Wissens über die wirtschaftlichen Vorteile eines nachhaltigeren Konsums und einer nachhaltigeren landwirtschaftlichen Entwicklung könnte dazu genutzt werden, einen zusätzlichen Anreiz für eine Verlagerung hin zu einer Landwirtschaft zu schaffen, die sich auf die Bereitstellung von Ökosystemdienstleistungen konzentriert und gleichzeitig auf die Bedürfnisse der Ernährungssicherheit für lokale Gemeinschaften eingeht und die Gesundheit von Menschen, Tieren und Ökosystemen fördert“, so der Bericht. Empfohlen werden konkrete politische Maßnahmen, die zu einer Reduzierung des Verbrauchs von Palmöl, Tropenholz, Fleisch und anderen Erzeugnissen aus globalisierter Tierhaltung sowie von Produkten führen, die den Abbau mineralischer Rohstoffe oder neue Verkehrsinfrastrukturen erfordern. Und auch die Erhebung von Steuern oder Abgaben auf Fleischkonsum, die Tierproduktion sowie andere mit einem hohen Pandemierisiko verbundene Verbrauchsmuster sollten in den Blick genommen werden. (ab)

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