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20.10.2020 |

Jahrbuch: Klima, Ernährung, Mensch und Natur hängen zusammen

Infografik
Infografiken aus dem Jahrbuch (Foto: RtFNWatch Supplement)

In der Vergangenheit hat die Politik den Menschen und die übrige Natur isoliert betrachtet – mit fatalen ökologischen und sozialen Folgen, wie die Unweltzerstörung, die Emission von Treibhausgasen und die Vertreibung von Gemeinschaften von ihrem Land. Doch Welternährung, Klimagerechtigkeit, Menschenrechte und der Schutz der Biodiversität gehören zusammen, heißt es im neuen „Jahrbuch zum Recht auf Nahrung“, das von der Menschenrechtsorganisation FIAN und dem evangelischen Hilfswerk Brot für die Welt anlässlich des Welternährungstags am 16. Oktober präsentiert wurde. Daher sei es unerlässlich, dass wir zur Bewältigung der aktuellen Krisen Natur und Mensch wieder zusammenzubringen. Und die Ernährung, bei der unsere Verbindung mit dem Rest der lebenden Welt am augenfälligsten ist, ist der perfekte Ausgangspunkt dafür. Hier fordert das Jahrbuch eine grundsätzliche Umgestaltung der Art und Weise gefordert, wie wir Lebensmittel produzieren, verteilen und konsumieren. Aber neu gedacht werden müsse auch, wie wir uns kollektiv gegen die Ausbeutung der Natur wehren. Notwendig sei eine viel engere Zusammenarbeit der Bewegungen für Klimagerechtigkeit, Ernährungssouveränität und Menschenrechte.

Das in englischer Sprache erhältliche Jahrbuch 2020 wurde vom „Global Network for the Right to Food and Nutrition“ herausgegeben, dem 49 Organisationen aus aller Welt angehören. Es ist gegliedert in fünf Kapitel, in denen dargelegt wird, wie alles zusammenhängt: die Zunahme des Hungers mit dem Klimawandel, mit dem Verlust der Biodiversität, mit der Verbreitung von Infektionskrankheiten wie Zoonosen und das wiederum mit der Verdrängung der bäuerlichen Landwirtschaft durch die industrielle Agrarproduktion. „Die industrielle Landwirtschaft ist mit dem Versprechen angetreten, den Hunger zu besiegen. Doch die Zahl der Menschen, die an Hunger leiden, steigt seit fünf Jahren kontinuierlich an – trotz stark wachsender Agrarproduktion“, so Bernhard Walter, Agrarexperte von Brot für die Welt. „Parallel dazu wird unsere Ernährung immer einseitiger.“ Denn nur noch 4% der etwa 300.000 essbaren Pflanzen nutzt der Mensch tatsächlich für seine Ernährung. Und lediglich drei Pflanzen, nämlich Mais, Reis und Weizen, sichern heute 60 Prozent der weltweiten pflanzlichen Kalorien und Proteine. Die vermeintliche Vielfalt im Supermarktregal ist also ein Trugschluss. „Es ist offensichtlich, dass die heutigen Gesellschaften und ihre aktuellen Ernährungsgewohnheiten – durch die sogenannten ‚modernen Ernährungssysteme‘ – zur Biodiversitätskrise beigetragen haben sowie zu einem erhöhten Risiko von bestehenden und neuen Zoonosen, wie der COVID-19-Pandemie“, schreibt Hernando Salcedo Fidalgo von FIAN Kolumbien in seinem Kapitel.

„Wenn wir das Recht auf Nahrung umsetzen wollen und Ernährung ausgewogen gestalten wollen, müssen wir die Ernährungssysteme in Richtung Agrarökologie entwickeln. So erhalten wir die Vielfalt der Sorten, und die Landwirtschaft kann sich besser an die Folgen des Klimawandels anpassen“, sagt Walter. Philipp Mimkes, Geschäftsführer von FIAN Deutschland, ergänzt: „Hierfür müssen die Rechte von Bauern, indigenen Völkern und all jenen Gemeinschaften, die sich um lokale Ökosysteme kümmern und mittels der Agrarökologie nachhaltig Nahrungsmittel produzieren, im Mittelpunkt stehen.“ Er betont, dass Kleinbauern und Indigene die Vorreiter eines solchen Wandels seien, denn sie produzieren im globalen Süden heute schon bis zu 80% der Lebensmittel – und das, obwohl sie nur über 25% der Agrarfläche verfügen. Hier kritisieren die Herausgeber jedoch, dass gerade diese Bevölkerungsgruppen von der Politik oder bei internationalen Abkommen und Konferenzen oft übersehen werden. „Mit Blick auf die 2021 anstehenden UN-Konferenzen zu Ernährung, Biodiversität und Klima besteht die Chance, diese Kluft zu überwinden“, hebt Mimkes hervor. Die Bundesregierung müsse sich an den Bedürfnissen marginalisierter Bevölkerungsgruppen in den Ländern des Südens orientieren und dafür sorgen, dass diese bei der Vorbereitung der Gipfel stärker eingebunden werden.

In einem weiteren Kapitel spricht Marta Guadalupe Rivera Ferre in einem Interview über den Zusammenhang zwischen Klima, Land und dem Recht auf Nahrung. Sie war sowohl am Weltagrarbericht (IAASTD) beteiligt als auch am Sonderbericht des Weltklimarates IPCC zum Thema Klimawandel und Land von 2019 (siehe auch ihr Artikel zum Sonderbericht im kürzlich erschienenen Buch „Transformation of our food systems“ am Ende dieser Nachricht). Ihr Kapitel im Sonderbericht zeigt die genannten Zusammenhänge ebenfalls auf: „Wir haben uns Ernährungssicherheit in all ihren Dimensionen angeschaut und wie sie durch den Klimawandel beeinflusst wird, sowie den Beitrag von Ernährungssystemen zum Klimawandel in Form von Treibhausgasemissionen“, erläutert Rivera Ferre. Aber auch, wie die Landwirtschaft einen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten kann. Hier kam die Agrarökologie ins Spiel: „Wir wollten zeigen, wie einige landwirtschaftliche und agrarökologische Praktiken, wie der Humusaufbau im Boden, der Anbau von Zwischenfrüchten, Fruchtfolge, usw. sowohl zur Abmilderung als auch zur Anpassung an den Klimawandel beitragen können.“ Wenn wir den Schwerpunkt auf die Agrarökologie legen, können wir eine stärker integrierte Antwort auf den Klimawandel liefern, betont Rivere Ferre. (ab)

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