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07.05.2020 |

Lateinamerika: Die Corona-Pandemie trifft indigene Gemeinschaften hart

Frau
Die Teller vieler Indigenen in Lateinamerika bleiben pandemiebedingt leer (Foto: A. Beck)

Die indigenen Völker Lateinamerikas sind angesichts der Corona-Pandemie einem hohen Risiko ausgesetzt und ihr ohnehin oft begrenzter Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung könnte sich noch weiter verschlechtern, warnen Menschenrechtsorganisationen und Indigenenverbände. Die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (CIDH) der Organisation Amerikanischer Staaten rief daher die Regierungen Lateinamerikas dazu auf, entschlossene Maßnahmen zu ergreifen, um die Gesundheit der indigenen Gemeinschaften zu schützen und spezifische Antworten für diese Gruppe zu entwickeln, die ihre Weltsicht und kulturelle Vielfalt respektieren. Die Kommission verweist darauf, dass nach Angaben der Weltbank 43% der indigenen Bevölkerung Boliviens, Brasiliens, Ecuadors, Guatemalas, Mexikos und Perus an moderater Armut leiden, während dies nur bei 21% der nicht-indigenen Bevölkerung dieser Länder der Fall ist. Der Anteil derer, die an extremer Armut leiden, ist bei indigenen Völker dreimal so hoch. Auch von Unterernährung sind indigene Gemeinschaften überproportional betroffen: In Guatemala sind etwa 60% der indigenen Kinder unter 5 Jahren chronisch unterernährt und damit fast doppelt so viele wie in der nicht-indigenen Bevölkerung. Die Coronakrise trifft diese verletzlichen Gruppen daher besonders hart, warnt die Kommission.

Auch der Fondo para el Desarrollo de los Pueblos Indígenas de América Latina y El Caribe (FILAC) betont, dass COVID-19 die Lage der indigenen Völker, die ohnehin unter einem hohen Prozentsatz an Armut, Mütter- und Kindersterblichkeit, Eisenmangel, Unterernährung und Infektionskrankheiten wie Malaria, Tuberkulose und Dengue-Fieber leiden, noch weiter verschärfe. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie werden die bereits durch Ungleichheit und Diskriminierung geprägte Situation der indigenen Gemeinschaften verschlimmern, warnt FILAC in einem Bericht. Sie seien nicht nur durch das Virus bedroht, sondern auch durch Konflikte und Gewalt im Zusammenhang mit knappen Ressourcen, wie Trinkwasser, Nahrungsmitteln und Land. Für viele Indigene ist der Verkauf und Kauf von Lebensmitteln durch die Schließung von Wegen und Märkten erschwert, der Zugang zu sozialen Sicherungsprogrammen aufgrund fehlender Papiere nicht möglich und Informationen zur Vorbeugung gegen COVID-19 nicht in den jeweiligen indigenen Sprachen verfügbar. In Lateinamerika gibt es laut FILAC mehr als 800 indigene Gemeinschaften, denen 45 Millionen Menschen oder knapp 10% der Bevölkerung des Kontinents angehören – ihr Anteil ist von Land zu Land unterschiedlich hoch. 462 Gemeinschaften gehören mittlerweile weniger als 3000 Personen an.

Für den Bericht hat FILAC Daten von 30 Indigenenverbänden und Informationen der Regierungen zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die indigene Bevölkerung der einzelnen Länder zusammengetragen. Zwar sei die Datenlage lückenhaft, doch es zeige sich, dass das Virus nun auch bei vielen indigenen Gemeinschaften angekommen ist. Für das Amazonasgebiet meldet der Verband Coordinadora de las Organizaciones Indígenas de la Cuenca Amazónica (COICA) in einem Bericht vom 26. April insgesamt 679 bestätigte COVID-19-Fälle und 40 Todesfälle in den neun Ländern des Amazonasgebiets. Für Mexiko registriert das Instituto Nacional de Pueblos Indígenas (INPI) 110 bestätigte Fälle bei Indigenen, während die Regierung 209 Fälle zählt. Doch getestet und gezählt werden nur die Mitglieder indigener Gemeinschaften, die Zugang zum Gesundheitssystem haben. Doch genau da liege das Problem, denn viele Gemeinschaften leben in abgelegenen Gebieten und weit entfernt von der nächsten Stadt, sodass die Gesundheitsversorgung oft nicht gewährleistet sei.

Auch beim Zugang zu Informationen und Bildung seien viele indigene Gemeinschaften in Corona-Zeiten benachteiligt. Der Sender Telesur berichtet, dass zum Beispiel in Peru 4 Millionen Menschen leben, die eine andere Sprache als Spanisch sprechen. Auch wenn einige Aufklärungsmaterialien und Informationsbroschüren übersetzt wurden, besteht ein weiteres Problem: Viele indigenen Gemeinschaften haben weder Internet noch Strom noch elektronische Geräte, um Informationen zu erhalten. Oder um auf die offizielle Unterrichtsplattform „Aprendo en casa“ zugreifen zu können. So seien indigene Kinder ohne Internet, die bisher eine Schule besucht hatten, vom Online-Unterricht ausgeschlossen. Telesur berichtet von einem weiteren Problem: Viele arme Familien verlassen die Städte, da sie aufgrund der coronabedingt seit Mitte März geltenden Ausgangssperren mit ihrer Arbeit im informellen Sektor, zum Beispiel als Straßenverkäufer, nichts mehr verdienen und Hunger leiden. Dazu gehören auch viele Indigenen, die nun aus Lima flüchten und wieder zu ihren Gemeinschaften aufs Land oder in die Wälder zurückkehren - möglicherweise mit dem Virus im Gepäck. (ab)

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