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29.01.2020 |

Sattelschwein und Skudde: Schutz für einheimische Nutztierrassen nötig

Brillenschaft
Brillenschaf: Muttertier mit wenige Tage altem Lamm (Foto: Mostpatiently, bit.ly/by-sa30)

Ob Deutsches Shorthorn, Schwarzes Bergschaf oder Sattelschwein – sie alle gehören zu den gefährdeten Nutztierrassen in Deutschland. Von den insgesamt 77 einheimischen Nutztierrassen der Großtierarten Pferd, Rind, Schwein, Schaf und Ziege gelten momentan immer noch 54 Rassen als gefährdet. Das geht aus der Roten Liste gefährdeter Nutztierrassen 2019 hervor, die von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) Anfang Januar veröffentlicht wurde. Die Liste hält aber auch positive Neuigkeiten bereit: Die Bestandszahlen einiger Nutztierrassen haben sich auch aufgrund von Haltungsprämien positiv entwickelt. Dem Rhönschaf gelang dank staatlicher Förderprämien, erfolgreicher Erhaltungszuchtarbeit, der Zusammenarbeit mit dem Naturschutz und einem umfangreichen Regionalmarketing der Absprung von der Liste – es gilt nun nicht mehr als gefährdet. Auch das Brillenschaf, das vor allem in Süddeutschland verbreitet ist, konnte von der vormals höheren Kategorie „Erhaltungspopulation“ in die geringere Gefährdungsstufe „Beobachtungspopulation“ eingeordnet werden. Es gibt nun wieder 58 Böcke und 867 Mutterschafe.

Großer Handlungsbedarf bestehe hingegen bei den Rinderrassen: 15 der 21 einheimischen Rassen sind weiterhin gefährdet. Zur Erhaltungspopulation zählen etwa das Gelbvieh, das Limpurger oder Murnau-Werdenfelser, während Angler, Glanrind und Hinterwälder zur als etwas weniger gefährdert eingestuften Beobachtungspopulation gehören. Die Autoren berichten, dass es 1930 noch rund 400.000 Glan-Donnersberger Rinder gab. „Sie galten als anspruchslose, futterdankbare und gesunde Wirtschaftsrinder und wurden als Dreinutzungsrind Milch, Fleisch und Arbeit eingesetzt. Wie bei vielen anderen Rassen auch, führte das Streben nach höherer Milchleistung in den 1950er Jahren zu einer intensiven Verdrängungskreuzung, wodurch die Zucht des Glanrindes zum Erliegen kam“, schildern sie den Ursachen für den Populationsrückgang. Heute werden noch 82 Bullen und 953 Kühe auf der Liste geführt. „Das Glanrind wird heute gerne in der Landschaftspflege eingesetzt, da die Tiere auch Hänge und Steillagen abweiden und durch den Verbiss von Dornen und Sträuchern einer Verbuschung der Kulturlandschaft entgegenwirken“, schreiben die Autoren. Das BLE empfiehlt, die bislang erfolgreichen Instrumente, wie Haltungsprämien und Projektförderung von Bund und Ländern, beizubehalten, um die heimischen Rinderrassen wieder zu stärken.

„Die Begriffe Biologische Vielfalt oder Biodiversität sind derzeit in aller Munde. Die meisten Menschen denken dabei zuerst an die Vielfalt in der Insekten- Vogel- oder Pflanzenwelt“, betont Dr. Stefan Schröder, Leiter des Informations- und Koordinationszentrum für Biologische Vielfalt (IBV) der BLE im Vorwort des Berichts. „Die biologische Vielfalt in der landwirtschaftlichen Produktion und in der Ernährung gehört aber auch dazu. Es ist die Vielfalt der verschiedenen Nutzpflanzensorten und Nutztierrassen, die unsere zukünftige Ernährung sichert“, schreibt er. „Wir haben in Deutschland eine große Vielfalt an einheimischen Nutztierrassen, die an die besonderen Gegebenheiten ihres Ursprungsgebietes bestens angepasst sind. Viele dieser Rassen sind heute leider vom Aussterben bedroht.“ Als Ursachen nennt das BLE „die weltweiten und sich beschleunigenden Konzentrationsprozesse in der Land- und Ernährungswirtschaft“. Einer offensichtlichen Produktvielfalt im Lebensmitteleinzelhandel stehe in den vorgelagerten Produktionsstufen eine immer stärkere Vereinheitlichung gegenüber. „Der Marktdruck zur kontinuierlichen Produktion großer Mengen uniformer agrarischer Rohstoffe (wie z. B. Milch oder Fleisch) führt häufig zum Verschwinden vielfältig strukturierter Landwirtschaftsbetriebe.“ Viele Nutztierrassen würden daher unwirtschaftlich.

Nicht nur in Deutschland schwindet die Vielfalt der Nutztierrassen. Nach Angaben der Welternährungsorganisation FAO werden weltweit 38 Tierarten und 8.774 Rassen in der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion genutzt. Davon sind 1.458 Tierrassen oder 17% vom Aussterben bedroht. Aufgrund der schlechten Datenlage sei zudem bei fast 60% der Nutztierrassen unklar, wie es um ihren Erhaltungszustand bestellt ist. In Europa ist bereits etwa die Hälfte aller zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch verbreiteten Tierrassen ausgestorben. Ein Drittel der bestehenden Rassen gilt als stark bestandsgefährdet. Um den Genpool zu bewahren und sicherzustellen, dass die Vielfalt seltener Nutztierrassen künftigen Generationen erhalten bleibe, seien also verstärkte Anstrengungen notwendig. Die FAO betont, dass die Erhaltung der Nutztierrassenvielfalt gerade in Zeiten des Klimawandels für die Welternährung enorm an Bedeutung gewinnen wird. (ab)

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