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06.01.2020 |

Planetare Grenzen: Wechselwirkungen verstärken Druck auf das System Erde

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Planetare Grenzen (nach Steffen et al.)

Ein Team von Wissenschaftlern präsentierte 2009 das Konzept der planetaren Grenzen und machte neun Prozesse und Systeme aus, die für die Stabilität und Widerstandsfähigkeit der Erde entscheidend sind. Wird in diesen Bereichen die Belastungsgrenze des Erdsystems überschritten, drohen abrupte und unumkehrbare Umweltveränderungen im großen Stil. In einem Update des Konzepts konstatierten die Wissenschaftler 2015, dass die Menschheit bereits in vier Bereichen den sicheren Betriebsbereich verlassen hat: bei Klimawandel, Landnutzungsänderungen, dem menschlichen Eingriff in biogeochemische Kreisläufe (Stickstoff und Phosphor) sowie bei der Integrität der Biosphäre (Verlust der biologischen Vielfalt und Artensterben). Nun zeigt eine Mitte Dezember in der Zeitschrift „Nature Sustainability“ erschienene Studie, dass das Überschreiten der Belastungsgrenze in einem Bereich auch den Druck auf andere verstärken kann. „Wir haben festgestellt, dass ein dichtes Netzwerk von Wechselwirkungen zwischen den planetaren Grenzen besteht“, sagt Johan Rockström, Mitautor der Studie. Der Klimawandel und die Intaktheit der Biosphäre sind zwei Schüsselgrenzen – mehr als die Hälfte der Gesamtkraft aller Wechselwirkungen entfällt auf diese Bereiche. „Dies zeigt, dass wir uns davor hüten sollten, diese beiden Bereiche zu destabilisieren“, fügte Rockström hinzu.

Die Wissenschaftler quantifizierten die Wechselwirkungen zwischen den neuen Prozessen im Erdsystem. Dabei kamen sie zu dem Schluss, dass die biophysikalischen Interaktionen die direkten menschlichen Auswirkungen auf die neun planetaren Grenzen fast verdoppelt haben. Ein Beispiel dafür, wie sich der Einfluss des Menschen auf das Erdsystem wechselseitig verstärkt, ist der Zusammenhang zwischen Entwaldung und Klimawandel. Das Abbrennen tropischer Regenwälder, um landwirtschaftliche Nutzflächen auszuweiten, erhöht den CO2-Gehalt in der Atmosphäre. Die zusätzlichen Treibhausgase tragen dann zur globalen Erwärmung bei – der Schaden an den Wäldern beeinträchtigt somit auch die Klimastabilität. Der Temperaturanstieg kann wiederum Druck auf die Regenwälder ausüben, was auch mit negativen Folgen für die Landwirtschaft einhergeht. Die daraus resultierende Verstärkung der Auswirkungen ist erheblich. Es könnte aber noch schlimmer kommen, denn die Studie berücksichtigt noch keine Kipp-Punkte. So könnte sich etwa der Amazonas-Regenwald jenseits einer bestimmten Grenze schnell und nichtlinear verändern. Ein solches Kippverhalten würde die in der Studie untersuchte Wirkungsverstärkung noch mehr antreiben.

Ein weiteres beunruhigendes Beispiel für Verbindungen zwischen globalen Umweltproblemen, die den Einfluss des Menschen auf das Erdsystem verstärken, sind die katastrophalen Buschbrände, die derzeit an der australischen Südostküste wüten. „Der Klimawandel hat durch steigende Temperaturen und veränderte Niederschlagsmuster eine bedeutende Rolle bei der Schaffung der Bedingungen gespielt, die solche massiven und ausgedehnten Brände begünstigen“, sagte der Hauptautor der Studie, Dr. Steven Lade von der Australian National University. „Die Buschfeuer wiederum wirken sich auf das Klima aus, indem sie große Mengen Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre freisetzen und so durch eine sogenannte ‚Rückkopplungsschleife‘ den Klimawandel weiter anheizen.“ Dr. Lade betont zudem, dass Rauch im Gegensatz zu anderen Aerosolen auch Sonnenstrahlung absorbiert, was den Klimawandel weiter beschleunigt. „Die Schwere der Brände in Verbindung mit dem fortschreitenden Klimawandel könnte zu einer Verschiebung im Ökosystem führen, wenn sich die Landschaft dann erholt“, warnt er. „Wenn neue Ökosysteme weniger Kohlenstoff speichern als die abgebrannten Wälder, kommt es langfristig zu einem Nettoanstieg des Kohlenstoffdioxids in der Atmosphäre.“

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass ein umfassendes Verständnis der Dynamik des Erdsystems wichtig ist, damit wir auf eine nachhaltige Zukunft zusteuern können“, schreiben die Autoren. Sie verleihen der Hoffnung Ausdruck, dass ihre Erkenntnisse nun für die Entwicklung von politischen Maßnahmen zur Sicherung der Lebensgrundlagen künftiger Generationen genutzt werden. „Wir bieten unsere Untersuchung zu den Wechselwirkungen zwischen den planetaren Grenzen der Politik und der wissenschaftliche Gemeinschaft an“, schreiben sie – „als eine Zusammenfassung des aktuellen Wissensstandes, als ein Aufruf an die künftige Forschung, die Wechselwirkungen besser zu charakterisieren und als einen Rahmen, um politische Diskussionen und Pläne für eine nachhaltige Zukunft anzuregen.“ Rockström betont, dass die Ergebnisse der Studie gute Nachrichten für politische Entscheidungsträger enthalten: „Wenn wir unseren Druck auf eine planetare Grenze reduzieren, wird dies in vielen Fällen auch den Druck auf andere planetare Grenzen verringern. Nachhaltige Lösungen verstärken ihre Wirkung – das kann eine echte Win-Win-Situation sein.“ (ab)

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