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07.08.2019 |

Studie: EU-Reformpläne machen Agrarpolitik nicht nachhaltiger

Geld
Wohin gehen die GAP-Gelder? (Foto: CC0)

Die aktuellen EU-Reformvorschläge zur Agrarpolitik werden nicht für mehr Umweltschutz sorgen – im Gegenteil, es drohe gar eine Ausweitung schädlicher Subventionen. Dies ist das Fazit einer Studie, die Anfang August im Fachjournal Science veröffentlicht wurde. Das Forschungsteam unter Leitung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung, des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung und der Universität Göttingen nahm die aktuellen Reformvorschläge der EU-Kommission zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2020 unter die Lupe. Es ging der Frage nach, ob die anvisierte Agrarpolitik mit den UN-Nachhaltigkeitszielen (SDGs) vereinbar sei, der gesellschaftlichen Diskussion zum Thema Landwirtschaft Rechnung trage und die GAP verbessere. Die Wissenschaftler analysierten etwa 450 Publikationen, die eine Bewertung der aktuellen Politik nach Kriterien wie Effektivität, Effizienz und Relevanz vornehmen. Ihr Ergebnis: Die vollmundigen Bekenntnisse der EU zu mehr Nachhaltigkeit schlagen sich in den Reformvorschlägen kaum wieder. Diese seien nicht dazu geeignet, ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit zu erzielen und stellen einen klaren Rückschritt gegenüber den bisherigen Regelungen dar.

Die EU und damit auch Deutschland haben sich in verschiedenen internationalen Abkommen zu einer nachhaltigen Landwirtschaft, zum Schutz der Biodiversität und des Klimas verpflichtet. Die Forscher betonen, dass die EU-Agrarpolitik eines der wichtigsten Politikfelder sei, um diese internationalen Verpflichtungen umzusetzen. „Doch gerade hier ist wenig von dieser Absicht zu erkennen“, kritisiert das Forscherteam. „Sollte die EU es mit ihrer Verpflichtung auf die SDGs ernst meinen, müssten diese sich auch in der Landwirtschaftspolitik wiederfinden und entsprechende Indikatoren zur Erfolgsmessung definiert werden“, sagt der Ökologe Dr. Guy Pe’er von der Uni Göttingen. Doch dies sei nicht der Fall. In der jetzigen Form leiste die GAP gerade einmal einen gewissen Beitrag zu zwei der 17 SDGs (Hunger- und Armutsbekämpfung in SDG 1 und 2), obwohl sie bei mindestens neun Zielen eine große Wirkung entfalten könnte. Zu Ziel 12 (Nachhaltige/r Konsum und Produktion) etwa leiste die Agrarpolitik kaum einen Beitrag.

Des Weiteren kritisieren die Autorinnen und Autoren, dass die EU Instrumente aufrechterhalten wolle, die sich nachweislich als ineffizient, klima- und umweltschädlich sowie sozial ungerecht erwiesen hätten. Als Beispiel nennen sie die Direktzahlungen im Rahmen der 1. Säule der GAP. Rund 40 Milliarden Euro und damit etwa 70% des Agrarbudgets erhalten Landwirte allein in Abhängigkeit von der bewirtschafteten Fläche. Dies führe zu einer ungleichen Förderung: Auf gerade einmal 1,8% der Empfänger entfalle 32% der Gelder. „Für diese 1992 provisorisch eingeführten Ausgleichszahlungen fehlt inzwischen jede wissenschaftliche Begründung“, kritisiert Agrarökonom Sebastian Lakner von der Uni Göttingen. Versuche der EU, der Kritik daran mit dem sogenannten „Greening“ der Direktzahlungen zu begegnen, hätten nichts bewirkt. Die entsprechenden Auflagen seien politisch aufgeweicht worden und hätten sich als weitgehend wirkungslos herausgestellt, so die Forscher.

Dennoch will die EU-Kommission weiter an den Direktzahlungen festhalten. Mehr Nachhaltigkeit bringen soll die vorgeschlagene „Grüne Architektur“, die eine Ausweitung der Kriterien der „Guten landwirtschaftlichen Praxis“ sowie neue freiwillige Umweltschutzmaßnahmen in der 1. Säule enthalte. Den Forschern zufolge mangle es jedoch an geeigneten Maßnahmen für einen effektiven Klimaschutz. Die Gelder für die in Säule 2 vorgesehenen Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen sowie die Förderung ländlicher Räume würden künftig erheblich gekürzt, obwohl ihr Volumen schon heute nur rund ein Zehntel der 1. Säule betrage. „Der EU fehlt offensichtlich der Wille, der öffentlichen Forderung nach einer nachhaltigen Landwirtschaft nachzukommen und ihre mitbeschlossenen globalen Umwelt- und Entwicklungsziele umzusetzen“, kritisiert Pe’er. „Lobby-Interessen wiegen nicht nur schwerer als Fakten, sondern auch schwerer als der öffentliche Wille“, lautet sein vernichtendes Urteil. Das neu gewählte EU-Parlament habe nun jedoch eine große Chance, den Reformprozess im Sinne der Bevölkerung, der internationalen Verpflichtungen und basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen zu gestalten. „Es gibt ausreichend wissenschaftliche Evidenz darüber, was im Umweltbereich getan werden muss“, sagt auch Lakner. „Es sollte im Interesse der EU-Kommission liegen, dass Steuermittel in der Landwirtschaft effizient und zielgerichtet eingesetzt werden.“ (ab)

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