News

13.03.2019 |

Entwicklungszusammenarbeit setzt auf Agrar- und Finanzindustrie

Geld
Unterstützung für Kleinbäuerinnen statt für Agrarkonzerne (Foto: CC0)

Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit ist immer stärker mit Agrarkonzernen und der Finanzindustrie verflochten. Doch Kooperationen mit der Privatwirtschaft sind nicht dazu geeignet, Hunger und Armut strukturell zu bekämpfen, denn meist profitieren nicht die marginalisierten Bevölkerungsgruppen als eigentliche Zielgruppe, sondern die Konzerne, die dabei satte Gewinne machen. Diese Kritik an der zunehmenden Privatisierung der Entwicklungszusammenarbeit äußern die Menschenrechtsorganisation FIAN und das entwicklungspolitische INKOTA-netzwerk in einer neuen Studie. Die Autoren sprechen von einem „tiefgreifenden Politik- und Paradigmenwechsel“ in der Entwicklungszusammenarbeit (EZ). „Mit zahlreichen Projekten und Initiativen ist sie im Begriff, eine EZ, bei der staatliche und teilweise zivilgesellschaftliche Akteure im Vordergrund stehen, durch eine Politik zu ersetzen, die sich auf die Wünsche von Konzernen und der Finanzindustrie als Mittel für landwirtschaftliche Entwicklung fokussiert“, lautet das Fazit.

Im Zuge der Debatte um die UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs), die auch die Bekämpfung von Hunger und Armut vorsehen, sei es Akteuren wie der Weltbank gelungen, die Nachricht zu verbreiten, dass die Ziele ohne Investitionen des Privatsektors nicht erreicht werden können. „Im Gepäck der SDGs war die Botschaft enthalten, dass zu ihrer Umsetzung gewaltige 2,5 Billionen Dollar pro Jahr fehlen – und nur privates Geld dieses Loch stopfen könne. Diese Botschaft wird nicht hinterfragt. Sie führte zur Neuausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit und hat damit möglicherweise mehr Wirkkraft entfaltet als die Entwicklungsziele selbst“, betonte Mitautor Roman Herre, Agrarreferent von FIAN Deutschland. Der Umbau wird auch vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) vorangetrieben. Vor allem neue Finanzierungsinstrumente und -strategien, die den Privatsektor einbeziehen, seien „en vogue“. Die Autoren sehen öffentlich-private Partnerschaften (Public Private Partnerships, PPP) mit problematischen transnationalen Konzernen, neuartige Entwicklungsfonds oder die Abwicklung von Entwicklungsfinanzierungen über intransparente Finanzzentren mit Sorge. Allein die DEG, Tochter der staatlichen Entwicklungsbank KfW, habe mehr als die Hälfte ihrer 7,2 Milliarden Euro Entwicklungsgelder an Finanzinstitute vergeben. Innerhalb von 10 Jahren haben sich Kredite und Beteiligungen der DEG an Unternehmen in Finanzoasen, darunter den Kaimaninseln oder Mauritius, auf 372 Millionen Euro verfünffacht.

Kritisch beäugen die Autoren die zunehmende Kooperation mit Agrarkonzernen, die im Rahmen mehrerer Initiativen abläuft. Die bekanntesten sind die „Neue Allianz für Ernährungssicherung“ (NAFSAN) der G7-Staaten oder die „Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika“ (AGRA) der Bill und Melinda-Gates- sowie der Rockefeller-Stiftung. AGRA strebt eine Transformation in Afrika hin zu einer inputintensiven Landwirtschaft an, um damit die Einkommen von Kleinbauern und -bäuerinnen zu steigern. „Initiativen wie AGRA setzen vor allem auf den Einsatz von chemischen Düngemitteln und Hybridsaatgut und dienen damit in erster Linie den Expansionsbestrebungen großer Konzerne wie Yara und Bayer. Kleinbauern und -bäuerinnen geraten in immer stärkere Abhängigkeiten, und auch die Umwelt leidet unter dem längst gescheiterten Modell der Grünen Revolution“, warnt INKOTA-Agrarreferentin Lena Michelsen. So wurden 2017 etwa in Mosambik in den „Wachstumskorridoren“ Beira und Zambézia fast 50.000 Pakete mit Dünger und vorwiegend Hybrid-Saatgut verteilt. Von 2007 bis 2016 wurden in AGRA-Projekten fast 40.000 „Agro Dealer“ ausgebildet, mit deren Hilfe insgesamt 1,5 Millionen Tonnen synthetische Düngemittel verkauft und den Bauern inputintensive Anbaupraktiken vermittelt wurden. Die deutsche Unterstützung für AGRA wurde in den letzten Jahren ausgebaut und 2017 wurde eine Förderung von 10 Millionen Euro zugesagt, um Maßnahmen zur Ertragssteigerung in Burkina Faso und Ghana umzusetzen – „eine völlige Fehlinvestition“, so Michelsen.

Das BMZ finanziert zudem die Multi-Stakeholder-Initiative „Scaling Up Nutrition“ (SUN), deren Ziel die Bekämpfung von Mangelernährung ist, mit jährlich einer Million Euro. Zwar strebt SUN auch eine „ernährungssensible“ Landwirtschaft an, doch der Fokus liegt auf der Produktion und Vermarktung von mit Mikronährstoffen angereicherten Nahrungsmitteln. Mit am Tisch sitzen Nahrungsmittel- und Chemiekonzerne wie Unilever, Cargill, BASF, PepsiCo etc. und „können ihre Expansionsstrategien darüber legitimiert forcieren.“ Die Autoren betrachten den Fokus der EZ auf Finanzierungsinstrumente und Initiativen, die vornehmlich den Privatsektor einbeziehen, als Holzweg. Denn in den meisten Vorhaben werde ein inputintensives Agrar- und Ernährungsmodell unterstützt, das weder ökologisch nachhaltig noch sozial gerecht sei. FIAN und INKOTA appellieren daher an das BMZ, die institutionelle Förderung und Unterstützung des Agribusiness und der Finanzindustrie einstellen. Stattdessen solle das ganzheitliche Konzept der Agrarökologie zum zentralen Förderkonzept für die Hunger- und Armutsbekämpfung gemacht werden. Diese basiere auf ökologischen Prinzipien, dem politischen Ansatz der Ernährungssouveränität und dem Recht auf angemessene Nahrung. (ab)

Back to news list

Donors

Donors of globalagriculture Bread for all biovision Bread for the World Misereor Heidehof Stiftung Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz Rapunzel
English versionDeutsche VersionDeutsche Version