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12.10.2018 |

WHI 2018: Schnellere Fortschritte im Kampf gegen den Hunger nötig

Kind
Die Ernährungslage ist in vielen Ländern mies (Foto: CC0)

Die Bekämpfung des Hungers kommt zu langsam voran: Noch immer ist die Ernährungssituation in 51 Ländern ernst oder sehr ernst. Flucht und Vertreibung leisten einen traurigen Beitrag dazu. Das zeigt der aktuelle Welthunger-Index (WHI), der von der Welthungerhilfe und Concern Worldwide veröffentlicht wurde. Zwar habe es seit der Jahrtausendwende Fortschritte gegeben – die WHI-Werte sanken seit dem Jahr 2000 im globalen Schnitt um 28% und auch die Kindersterblichkeit halbierte sich. Doch die Zahl der Hungernden kletterte 2017 auf 821 Millionen Menschen, wie die Welternährungsorganisation FAO unlängst verkündete. Etwa 124 Millionen Menschen leiden unter akutem Hunger, ein krasser Anstieg gegenüber 80 Millionen vor zwei Jahren. „Wenn das Tempo bei der Bekämpfung des Hungers gleichbleibt, wird es 50 Ländern nicht gelingen den Hunger bis 2030 abzuschaffen“, warnt der Bericht und fordert mehr Anstrengungen bei der Hungerbekämpfung.

Die Werte des WHI umfassen drei Dimensionen von Hunger: unzureichende Kalorienaufnahme, Unterernährung bei Kindern (Auszehrung und Wachstumsverzögerung) sowie Kindersterblichkeit. Auf einer 100-Punkte-Skala wird die Hungerlage in einem Land als niedrig (unter 10), mäßig (10 - 19,9), ernst (20- 34,9), sehr ernst (35-49,9) oder als sehr gravierend (<50) eingestuft. „Der Welthunger-Index 2018 zeigt, dass die weltweite Hungersituation nach wie vor in die Kategorie ernst einzustufen ist – und das, obwohl der WHI-Wert von 29,2 im Jahr 2000 auf aktuell 20,9 gesunken ist“, schreiben die Autoren. „Trotz dieser Verbesserungen bleibt die Frage, ob die Welt das Ziel 2 für nachhaltige Entwicklung (SDG) der Agenda 2030 erreichen wird: den Hunger bis 2030 weltweit zu beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung zu gewährleisten und eine nachhaltige Landwirtschaft zu fördern.“ Nur 40 der 119 Länder auf der Hungerrangliste verzeichneten niedrige Hungerwerte – von den 79 Ländern mit mäßiger bis gravierender Hungersituation werden es beim jetzigen Tempo nur 29 Länder schaffen, den Hunger auf ein niedriges Niveau zu drücken.

Dem WHI 2018 zufolge ist die Hungersituation in der Zentralafrikanischen Republik gravierend: Das Land leidet seit 2012 unter Instabilität, religiös motivierter Gewalt und einem Bürgerkrieg. In sechs Ländern sind die Hungerwerte sehr ernst: im Tschad, in Haiti, Madagaskar, Sierra Leone, im Jemen und in Sambia. Ernst ist die Lage in 45 Ländern, darunter Sudan, Afghanistan und Timor-Leste. Einige Länder konnten gar nicht erst in die Liste aufgenommen werden, da nicht für alle WHI-Indikatoren Daten vorliegen. Doch in sieben dieser Länder (Burundi, Demokratische Republik Kongo, Eritrea, Libyen, Somalia, Südsudan und Syrien) sind Hunger und Unterernährung besorgniserregend hoch. Angola, Ruanda, Äthiopien und Myanmar gehören 2018 zu den Vorreitern mit einer Verbesserung des WHI-Wertes um mehr als 45%.

Schwerpunkt des Berichts ist der Zusammenhang zwischen Flucht, Vertreibung und Hunger. In Ländern mit bewaffneten Konflikten ist der Hunger doppelt so hoch wie andernorts. „Schätzungsweise 68,5 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht, darunter 40 Millionen Binnenvertriebene, 25,4 Millionen Flüchtlinge und 3,1 Millionen Asylsuchende. Hunger ist eine anhaltende Gefahr, die das Leben zahlreicher vertriebener Menschen bedroht und Einfluss auf die Entscheidungen hat, wann und wohin sie fliehen“, schreibt Gastautorin Laura Hammond von der University of London. Sie kritisiert, dass sich zu Hunger und Flucht Fehlannahmen hartnäckig halten und Politik beeinflussen. So werde Hunger oft als Folge umweltbedingter oder natürlicher Ursachen verstanden, obwohl er – genau wie Flucht und Vertreibung – in der Regel das Ergebnis politischer Prozesse sei. Naturkatastrophen wie Dürren, Überschwemmungen und extreme Wetterereignisse führten nur dann zu Hunger und Vertreibung, wenn Regierungen nicht vorbereitet oder willens seien zu reagieren. Zudem leiste die internationale Gemeinschaft bei Flucht und Vertreibung meist nur humanitäre Hilfe und hoffe, dass die Vertriebenen in Kürze in ihre Herkunftsgebiete zurückkehren können. Doch Vertreibung sei meist ein lang anhaltender Zustand, dem die Menschen über viele Jahre oder Generationen ausgesetzt sind.

Der Bericht betont, dass Hilfe vor allem vor Ort nötig sei. „Die Mehrzahl der Flüchtlinge bleibt in ihrer Heimatregion und braucht dort auch Unterstützung“, betont Welthungerhilfe-Präsidentin Bärbel Dieckmann. „Für die Geflüchteten ist nicht nur die Grundversorgung wichtig, sondern auch die Möglichkeit, dass sie Zugang zu Beschäftigung und Bildung bekommen. Humanitäre Hilfe allein reicht nicht aus.“ Außerdem fordert der WHI die Stärkung der Widerstandsfähigkeit von Vertriebenen, damit ihre Existenzgrundlagen in ihrer Heimat stabilisiert, lokale Märkte unterstützt und die Menschen eigenständig und unabhängig werden. „Hunger, Flucht und Vertreibung sind schmerzhafte Realität für Millionen von Menschen, aber dieser Missstand hat die nationalen Regierungen noch immer nicht zu jener politischen Führung und den Maßnahmen bewegt, die so dringend benötigt werden“, kritisieren Mathias Mogge von der Welthungerhilfe und Dominic MacSorley von Concern Worldwide im Vorwort. Noch beunruhigender sei, dass das Thema Flucht zu einem Blitzableiter für einen neuen politischen Diskurs erwachse, der eher kompromissloser als humanitärer werde. „Der diesjährige WHI ist nicht nur ein erneuter Aufruf zum Handeln gegen Hunger, Flucht und Vertreibung, sondern auch ein dringender Appell zur Wiederbelebung der Menschlichkeit im Umgang mit der erschütternden Tatsache, dass – in einer Welt des Überflusses – nach wie vor die Menschenrechte von Millionen Bedürftigen verletzt werden, die jeden Abend hungrig zu Bett gehen müssen.“ (ab)

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