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22.06.2018 |

Nitratbelastung des Grundwassers: EU verurteilt Deutschland

Gülle
Zu viel belastet das Grundwasser (Foto: CC0)

Deutschland erhält die Quittung dafür, dass in der Vergangenheit zu wenig gegen Überdüngung und die Nitratbelastung des Grundwassers unternommen wurde: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) verurteilte die Bundesrepublik am Donnerstag, da sie keine verstärkten Maßnahmen zur Begrenzung des Gülleeinsatzes in der Landwirtschaft und zum Schutz der Gewässer eingeleitet hatte. „Der Gerichtshof hat mit seinem heutigen Urteil festgestellt, dass Deutschland gegen die Nitrat-Richtlinie verstoßen hat“, sagte EuGH-Sprecher Hartmut Ost der Tagesschau. Nun drohen Strafzahlungen in Milliardenhöhe. Das Problem sind zu hohe Nitratwerte in Grund- und Oberflächengewässern. Laut dem Nitratbericht 2016 der Bundesregierung lag die Nitratbelastung im Zeitraum 2012 bis 2014 an 28% der Grundwassermessstellen in Deutschland über dem Schwellenwert von 50 Milligramm pro Liter Wasser. An weiteren 8,5% der Stellen betrug die Nitratkonzentration 40 bis 50 mg. Ein Bericht der EU-Kommission vom Mai zeigte, dass die Bundesrepublik bei der Grundwasserbelastung EU-weit Spitzenreiter ist – nur in Malta werden Nitrat-Grenzwerte noch öfter überschritten als hierzulande.

Die Kommission war 2016 gegen Deutschland vor Gericht gezogen, weil die Bemühungen gegen die Gewässerverunreinigung durch Nitrat nicht verstärkt worden waren. Daraufhin wurden die Dünge-Vorschriften 2017 geändert, doch das Urteil bezieht sich auf den Zeitraum davor. Der Deutsche Bauernverband wettert daher gegen das Urteil: Es sei der Abschluss eines alten und mittlerweile in der Sache überholten Verfahrens. Doch Gerichtssprecher Ost betont, dass das Urteil begründet sei, denn „zum für dieses Verfahren maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich Mitte September 2014, hatte Deutschland keine ausreichenden Maßnahmen getroffen, um die Gewässer vor Verunreinigung mit Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen zu schützen“. Deutschland wird nun als für die Versäumnisse der Vergangenheit zur Kasse gebeten, doch es steht zu befürchten, dass die nächste Klage bald folgen könnte. Denn Kritiker der neuen Düngeverordnung bezweifeln deren Wirksamkeit.

Ein am Montag veröffentlichtes Gutachten der agrarwissenschaftlichen Fakultät der Universität Kiel, das vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) in Auftrag gegeben worden war, stellt den Neuregelungen ein schlechtes Zeugnis aus. Sie führten zu „keiner nennenswerten Reduzierung der Stickstoff-Überdüngung“, lautet das Fazit. Hauptgrund für die Unwirksamkeit des neuen Düngerechts sei die „weitgehende Missachtung aller agrar- und umweltwissenschaftlichen Fachempfehlungen“: Der Studie zufolge ermöglichen die neuen Regelungen, dass bei gleichen Ertragswerten mitunter mehr Dünger auf den Feldern ausgebracht werde als bisher. Zudem lasse die neue Dünge-Verordnung weiterhin zu, dass die Obergrenze von 170 Kilogramm Stickstoff pro Hektar selbst in ohnehin „gefährdeten Gebieten“ weiterhin überschritten werde.

Der Verfasser der Studie, Professor Friedhelm Taube von der Universität Kiel, der auch Mitglied im Sachverständigenrat des Bundeslandwirtschaftsministeriums ist, kritisierte, dass zahlreiche Schlupflöcher die Wirksamkeit positiver Regelungen wieder zunichtemachten. „Es gibt eine Regelung, die sich damit beschäftigt hat, wie man mit Nährstoffüberschüssen - gerade beim Stickstoff - in Intensivregionen umgehen soll“, sagte Taube dem NDR. „Die Experten hatten vorgeschlagen, dass dort ein maximaler Überschuss an Stickstoff pro Hektar und Jahr von 120 bis maximal 130 Kilogramm – schon ein großes Entgegenkommen an den Sektor – akzeptabel ist. Und was steht jetzt drin mit allen Schlupflöchern und Ausnahmegenehmigungen? Bis über 200 Kilo, also fast eine Verdopplung. Das hat nichts mit seriöser Politik fürs Allgemeinwohl zu tun, sondern das ist eine Politik, die einige wenige befördert und die große Breite guter Landwirtschaft bestraft“, empörte sich Taube.

Der Bundesregierung wirft er vor, dass wissenschaftliche Erkenntnisse auf taube Ohren stießen. Es sei nicht akzeptabel, dass das Bundeslandwirtschaftsministerium eine Arbeitsgruppe einsetzt, die ein Jahr lang mit 30 Leuten Vorschläge erarbeite – darunter auch Vertreter, die dem Agrarsektor nahe stehen und Vorschläge machen, die für diesen vergleichsweise milde sind – und dann würden diese Empfehlungen ignoriert. Wenn die Politik aufgrund von Einflussnahmen bestimmter Gruppen später etwas ganz anderes entscheide, das alles nochmal komplett aufweiche, sei dies problematisch. Es sei „klassisches Politikversagen, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse in Gesetzestexten nicht mehr erkennbar sind“, sagte er dem NDR. Martin Weyand vom BDEW forderte eine Kehrtwende in der Landwirtschaftspolitik. „Die europäische Agrarpolitik darf die Landwirtschaft nicht länger für die Missachtung des EU-Rechtes bezahlen.“ Eine Umweltorientierung im Rahmen der Reform der Agrarpolitik se überfällig, damit Böden und Wasserressourcen auch für künftige Generationen gesichert werden, so Weyand. Er forderte verursachungsgerechte und umweltgerechte Lösung: „Es wäre ein Schildbürgerstreich, wenn der Verbraucher die Milliarden-Strafzahlungen an Brüssel zahlen müsste, die eine direkte Folge einer verfehlten Landwirtschaftspolitik sind.“ (ab)

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