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16.03.2018 |

Zehn Jahre Saatgutbank: 1 Million Samen lagern in der Arktis

Saatguttresor
Saatguttresor in Spitzbergen (Foto: Matthias Heyde, bit.ly/Heyde, bit.ly/ccbynd20)

Zehn Jahre ist er nun in Betrieb – der Saatgut-Tresor auf der Insel Spitzbergen in der Arktis. Seit der Eröffnung am 26. Februar 2008 wurden über eine Million Saatgutproben eingelagert – pünktlich zum 10. Jubiläum der „Arche Noah der Pflanzen“ wurde diese Marke geknackt. Die Samenbank erhielt eine Lieferung mit mehr als 76.000 neuen Saatgutproben, die im ewigen Eis zwischen dem Festland Norwegens und dem Nordpol nun für die Zukunft sicher verwahrt werden sollen. Insgesamt 1.059.646 Saatgutproben von über 5000 Pflanzenarten erreichten den tief in einem Berg liegenden Bunker und werden dort bei Minus 18 Grad gelagert. Die verschiedenen Sorten sollen so vor einem möglichen Aussterben aufgrund von Naturkatastrophen, Kriegen oder infolge des Klimawandels geschützt werden. „Es ist schlichtweg beeindruckend, dass 1 Million Saatgutproben aus aller Welt nun den Weg zum Svalbard Global Seed Vault gefunden haben“, sagte Norwegens Landwirtschaftminister Georg Dale anlässlich der Jubiläumsfeier. „Dies bestätigt die wichtige Rolle, die der Saatguttresor als weltweite Versicherung für die Lebensmittelversorgung künftiger Generationen und einer stetig wachsenden Weltbevölkerung spielt.“

Zur Zehnjahresfeier brachten Vertreterinnen und Vertreter von 23 internationalen Saatgutbanken 179 Kisten mit den 76.330 neuen Pflanzensamen nach Spitzbergen. So hatte etwa das das World Vegetable Center aus Taiwan, das Internationale Zentrum für landwirtschaftliche Forschung in Trockengebieten (ICARDA) aus dem Libanon und Marokko sowie das Internationale Kartoffelzentrum IPC aus Peru neue Saatgutproben im Gepäck. Darunter befanden sich Rücklagen von wichtigen Nutzpflanzen wie Reis, Weizen und Mais, aber auch Augenbohnen, eine wichtige Proteinquelle in Afrika und Südasien, oder Saatgutproben von Sorghum, Perlhirse und Straucherbse. Eine weniger bekannte Pflanze, von der eine „Sicherungskopie“ eingelagert wurde, ist die Bambara-Erdnuss, die ursprünglich aus Afrika stammt und sich durch eine hohe Widerstandsfähigkeit gegenüber Trockenheit auszeichnet.

Norwegen hat den Saatgutbunker gebaut. Betrieben und verwaltet wird er von „NordGen“, einem Zusammenschluss von Genbanken der skandinavischen Länder und Islands. Zuständig für die Finanzierung ist der Welttreuhandfond für Kulturpflanzenvielfalt „Crop Trust“, den neben einzelnen Ländern und Stiftungen auch Unternehmen wie Bayer und Syngenta finanzieren, was dem Projekt auch Kritik von Nichtregierungsorganisationen einbrachte. Voll ist der Bunker noch lange nicht: Er hat Kapazitäten für 4,5 Millionen verschiedene Saatgutmuster. Das Saatgut, das einmal den weiten Weg nach Spitzbergen angetreten hat, bleibt in der Regel auch dort. Eine Ausnahme gab es bis dato: ICARDA musste 2015 und 2017 Saatgut aus dem Bunker zurückfordern, darunter Weizen, Lisen, Kichererbsen und andere Pflanzen, da die eigene Saatgutbank in Aleppo aufgrund des Bürgerkriegs in Syrien Schaden genommen hatte. Dank der Rücklagen in Spitzbergen konnte das ICARDA jedoch seine Forschung und Bewahrungsarbeit an den Stützpunkten im Libanon und in Marokko wieder aufnehmen und auch einige der Sorten wieder zurück nach Spitzbergen schicken. Aufgrund der Abhebung liegen insgesamt jedoch aktuell nur 967.216 Samenproben im Tresor.

„Der Svalbard Global Seed Vault ist ein Wahrzeichen für die bemerkenswerten Schutzbemühungen, die jeden Tag rund um die Uhr und den Globus stattfinden – ein Kraftakt zur Bewahrung des Saatguts für unsere Nahrungspflanzen“, sagte die Leiterin des Crop Trust, Marie Haga. „Die Bewahrung solch einer großen Bandbreite von Samen bedeutet, dass Wissenschaftler die Chance haben werden, nahrhafte und klimabeständige Pflanzen zu züchten, die gewährleisten, dass künftige Generationen nicht nur überleben, sondern dass es ihnen gut geht.“ Doch auch der Saatguttresor benötigt Schutz: 2017 ließen ungewöhnlich hohe Temperaturen den Permafrost schwinden und Wasser drang in die Gänge ein. Die Gefrierkammern, in denen das Saatgut lagert, waren nicht betroffen, doch Norwegens Regierung kündigte an, 100 Millionen Kronen in Baumaßnahmen zu stecken, um zu verhindern, dass die Arche Noah des Saatguts infolge des Klimawandels sinkt. (ab)

13.03.2018 |

EPA erteilt Patent auf konventionell gezüchtete Melonen

Melone
Keine Patente auf Melonen! (Foto: CC0)

Und schon wieder hat das Europäische Patentamt (EPA) ein Patent auf konventionelle Züchtung erteilt – dieses Mal auf eine Melone. Im Januar erhielt die niederländische Firma ENZA Zaden ein Patent (EP 2455475) auf Melonen mit einer erhöhten Resistenz gegenüber dem falschen Mehltau (Pseudoperonospora cubensis), wie das Bündnis „Keine Patente auf Saatgut!“ am 7. März mitteilte. Dabei handelt es sich um keine Erfindung, denn die Firma hat lediglich das Erbgut von Pflanzen nach zufälligen Mutationen durchsucht – ohne den Einsatz von Gentechnik. Das Patent beruht also auf konventioneller Züchtung und wäre somit nach europäischem Patentrecht nicht patentierbar. Doch ENZA hat bereits sechs weitere Patente auf Trauben, Gurken, Soja, Zwiebeln, Tomaten und Kartoffeln erhalten, die alle die gleichen Veränderungen im Erbgut aufweisen. „Eine einzige zufällige Mutation reicht aus, um den ganzen Gemüsegarten zu patentieren. Hier geht es offensichtlich nicht um Erfindungen, sondern um Monopolisierung der biologischen Vielfalt, die für die Züchtung der Zukunft benötigt wird“, kritisierte Christoph Then für das Bündnis. Der niederländischen Firma wirft das Bündnis vor, das Patentrecht besonders systematisch zu missbrauchen, da sie in den Allgemeinen Verkaufs- und Lieferbedingungen die Verwendung des patentierten Saatguts auf nur eine Anbausaison beschränkt. „Jeglicher Tausch, jegliche Wiederverwendung, Forschung oder weitere Züchtung ist verboten. Wer Saatgut von ENZA erwirbt, hat diese Bedingungen zu unterschreiben und ist damit automatisch in deren Patente-Falle gefangen“, warnt „Keine Patente auf Saatgut!“.

Die Praxis des EPA, auch konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere zu patentieren, sorgt schon seit Jahren für Ärger. Denn – anders als bei gentechnisch veränderten Pflanzen – sind Patente auf Pflanzen und Tiere, „die aus im Wesentlichen biologischen Verfahren“, das heißt konventioneller Züchtung, stammen, untersagt. Doch das EPA legte dies anders aus und entschied 2015 in der „Brokkoli“-Grundsatzentscheidung, dass Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere weiterhin zulässig sind, auch wenn die Züchtungsverfahren als solche nicht patentierbar sind. Aufgrund des anhaltenden Drucks der EU und der Zivilgesellschaft kam es im Juni 2017 jedoch zu einer Neuregelung des EPA-Verwaltungsrates, die besagt, dass durch konventionelle Züchtung gewonnene Pflanzen und Tiere von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sind. Schon damals hatte „Keine Patente auf Saatgut!“ vor Schlupflöchern gewarnt. Denn nach der Neuregelung sind Pflanzen und Tiere patentierbar, bei denen genetische Veranlagungen und zufällige Mutationen identifiziert werden, die für die Züchtung wichtig sind. Und genau hier setzt das Patent für die mehltauresistenten Melonen an. Ein weiteres Beispiel sind die Patente auf Gerste und Bier für die Brauereikonzerne Carlsberg und Heineken. Die 2016 vom EPA gewährten Patente umfassen Gerstenpflanzen aus konventioneller Züchtung, ihre Verwendung im Brauverfahren sowie das daraus gebraute Bier. Die Patente basieren auf zufälligen Mutationen im Genom der Gerste. „Keine Patente auf Saatgut!“ hat bereits Einspruch gegen die Patente auf Gerste und Bier eingelegt. (ab)

08.03.2018 |

Frauen sind besonders stark vom Klimawandel betroffen

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Frauen im Globalen Süden produzieren den Großteil der Nahrungsmittel (Foto: CC0)

Der Klimawandel und seine Folgen verstärken die Diskriminierung von Frauen noch weiter, vor allem in ländlichen Regionen des Globalen Südens. Ihre Menschenrechte auf Nahrung und Wasser sind massiv bedroht. Darauf macht die Menschenrechtsorganisation FIAN Deutschland anlässlich des Internationalen Frauentags am 8. März aufmerksam. „Der Klimawandel verstärkt bestehende Mehrfachdiskriminierungen“, erläutert Gertrud Falk, Klimareferentin von FIAN. „Frauen bauen in der Regel die Nahrungsmittel für die Versorgung ihrer Familien an. Wenn die Ernten zurückgehen, stehen vor allem sie unter Druck, dies durch Mehrarbeit und Verzicht auszugleichen.“ Kleinbäuerinnen im Globalen Süden bauen 45-80 Prozent der Nahrungsmittel an und leiden daher besonders unter den Folgen des Klimawandels für die Landwirtschaft. Darüber hinaus sind gemäß dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) 80 Prozent der Menschen, die aufgrund des Klimawandels umsiedeln müssen, Frauen. FIAN nennt als Beispiel die Frauen der ethnischen Gruppe Garifuna in Honduras, Nachfahren westafrikanischer Sklaven. Dürren zerstören immer häufiger ihre Ernten, auch Kokospalmen und Fisch, die Grundlagen ihrer Ernährung, schwinden zunehmend. Dazu kommen noch Landvertreibungen. Viele der Frauen sehen sich dazu gezwungen, in die Städte oder in Nachbarländer abzuwandern in der Hoffnung auf eine bessere Perspektive.

Laut Weltklimarat IPCC hat der Klimawandel vor allem in den Ländern um den Äquator verheerende Folgen für die Landwirtschaft. Böden erodieren durch Dürren und Starkregen und Regenzeiten kommen nicht mehr verlässlich. In Honduras treten die Folgen bereits spürbar zutage. FIAN zitiert den Direktor des honduranischen Verbands der Produzenten von Grundnahrungsmitteln (Prograno), Dulio Medina. Dieser berichtet, dass in den letzten drei Jahren nur jeweils 450.000 Tonnen Mais geerntet wurden, während in guten Erntejahren bis zu 1,1 Millionen Tonnen erzielt werden konnten. Der Klimawandel schreitet voran und die internationale Staatengemeinschaft hat bisher nicht ausreichend darauf reagiert, kritisiert die Menschenrechtsorganisation. Deutschlands neue Regierung habe ihre früheren Klimaschutzziele sogar infrage gestellt – und das, obwohl der Weltklimarats erst jüngst davor warnte, dass die internationalen Klimaschutzmaßnahmen nicht ausreichen.

Ein weiterer Punkt, den FIAN kritisiert, ist das Fehlen von Menschen- und Gleichstellungsrechten in internationalen Klimaverträgen.„Zwar sind Staaten verpflichtet, Menschen- und Frauenrechte in allen Politikfeldern zu achten, zu schützen und zu gewährleisten. Doch weil sie bisher nicht explizit in die Klimaverträge aufgenommen wurden, stellen sie keine Kriterien für Klimaschutz- und Klimaanpassungs-Projekte sowie deren Finanzierung dar“, so Getrud Falk. Daher komme es leider auch beim Klimaschutz oft zu Menschenrechtsverletzungen, zum Beispiel durch Landvertreibungen für Staudamm- und Waldprojekte. (ab)

07.03.2018 |

Greenpeace fordert Halbierung des Fleisch- und Milchkonsums bis 2050

Fleisch
Fleisch: ein Produkt mit Folgen (Foto: CC0)

Die industrielle Fleischproduktion stellt die Menschheit vor enorme ökologische und gesundheitliche Probleme. So kann es nicht weitergehen, wenn wir künftigen Generationen den Planeten in einem Zustand überlassen wollen, der auch eine wachsende Weltbevölkerung nachhaltig und gesund ernähren kann, zeigt eine neue Studie von Greenpeace. Der Bericht, der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zu den Folgen der Produktion und des Konsums tierischer Produkte auf Umwelt und Gesundheit zusammenfasst, fordert daher eine weltweite Halbierung des Konsums von Fleisch und Milchprodukten bis zum Jahr 2050. „Der weltweite Fleisch- und Milchkonsum könnte deutlich reduziert werden“, sagte Professor Pete Smith von der University of Aberdeen im Vorwort des Berichts. Der Professor für Bodenkunde und Globalen Wandel betont, dass dies die menschliche Gesundheit verbessern, Umweltfolgen reduzieren, beim Kampf gegen den Klimawandel helfen und mehr Menschen bei geringerem Einsatz von Landflächen ernähren könnte, was auch dem Schutz der Artenvielfalt zugutekommen würde. „Nicht alle von uns müssen vegetarisch oder vegan leben – weniger und hochwertigere Fleisch- und Milchprodukte zu konsumieren leistet bereits einen wertvollen Beitrag.“

Der Bericht trägt aus aktuellen Studien eine Vielzahl von Zahlen und Fakten zusammen, so etwa zu den Treibhausgasemissionen, die dem Konsum tierischer Produkte geschuldet sind. Unser Ernährungssystem sowie landwirtschaftsbezogene Landnutzungsänderungen verursachen derzeit rund ein Viertel aller für den Klimawandel verantwortlichen Treibhausgasemissionen, schreiben die Autoren. Die Nutztierhaltung allein inklusive Landnutzungsänderungen verursacht 14% der Emissionen – genauso viel wie alle Autos, Lastwagen, Flugzeuge, Züge und Schiffe zusammen. Machen wir weiter wie bisher, werden die Treibhausgasemissionen des Ernährungssystems 2050 mehr als die Hälfte der globalen vom Menschen verursachten Emissionen ausmachen. Dann würde allein die Landwirtschaft 20,2 Milliarden Tonnen Kohlendioxidäquivalent (CO²e ) pro Jahr ausstoßen und das für 2050 anvisierte Emissionslimit von 21 Milliarden Tonnen CO²e im Alleingang erreichen. Damit würde das im Pariser Klimaschutzabkommen festgelegte Ziel, die Erderwärmung auf ein erträgliches Maß von 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, weit verfehlt.

Die Nutztierhaltung und der Anbau von Futtermitteln sind außerdem eine der Hauptursachen für die Abholzung von Regenwäldern, das Entstehen von sogenannten Todeszonen in den Meeren sowie für Gewässerverschmutzung. 80% aller Abholzungen gehen auf das Konto des Ernährungssystems, hauptsächlich durch die steigende Anzahl der Nutztiere. Doch auch Graslandschaften und Savannen müssen für Weideland und Futterproduktion weichen. 65% der weltweiten Landnutzungsänderungen zwischen 1960 und 2011 sind der Herstellung tierischer Produkte geschuldet, zitiert Greenpeace eine Studie. Die industrielle Landwirtschaft und speziell auch die Nutztierhaltung tragen maßgeblich zum Verlust der Artenvielfalt weltweit bei. Der Übergang zu einer stärker pflanzlich-basierten Ernährung könnte das bis 2060 prognostizierte Aussterberisiko mittelgroßer und großer Vogel- und Säugetierarten um rund 20 bis 40% senken, belegt eine Studie. Und auch der menschlichen Gesundheit zuträglich sein. Denn eine fleischreiche Ernährung ist weltweit einer der Hauptrisikofaktoren für vorzeitige Mortalität durch Diabetes und Krebs sowie für Herz- und Kreislauferkrankungen. „Wenn wir das Ernährungssystem rasch und systemisch neu gestalten, können wir katastrophale Klimaveränderungen und Umweltzerstörung immer noch verhindern und dabei gleichzeitig unsere Gesundheit verbessern“, sagt Philippe Schenkel von Greenpeace Schweiz.

Greenpeace fordert deshalb eine Umlagerung von Subventionen, von den industriellen Fleisch- und Milchproduzenten hin zu ökologisch produzierenden Betrieben. Dies heißt zum Beispiel keine weitere Förderung von Hühner- und Schweinemästereien sowie von Milchbetrieben, die auf einen hohen Kraftfuttereinsatz setzen. Zudem will die Organisation erreichen, dass der Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung weiter stark reduziert wird. An die Verbraucher appelliert Greenpeace, öfters zu pflanzlichen Alternativen zu greifen. Und wenn es Fleisch sein muss, sollte es von gut gehaltenen Tieren stammen. Die Studie peilt bis zum Jahr 2050 einen globalen Pro-Kopf-Verbrauch von 16 Kilogramm jährlich an, wie es auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt. Das wären auf die Woche umgerechnet 300 Gramm, bei Milchprodukten blieben noch 630 Gramm. (ab)

28.02.2018 |

Studie: Wildbienen stehen auf eine kleinräumige Agrarlandschaft

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Wildbiene bei der Bestäubung (Foto: Universität Göttingen)

Wildbienen gefallen kleinräumige Agrarlandschaften, während sie großen Feldern lieber den Rücken kehren. Dies hat ein internationales Forscherteam unter der Leitung der Universität Göttingen herausgefunden. Denn je kleiner die Äcker, desto mehr Randstreifen, Hecken und andere geeignete Lebensräume stehen den Wildbienen zum Verstecken und Nisten zur Verfügung und bieten ihnen Nahrung. Für die Studie, die am 14. Februar im Fachjournal Proceedings of the Royal Society B – Biological Sciences erschienen ist, nahmen die Wissenschaftler die Präsenz von Wildbienen auf 229 landschaftlichen Flächen in vier großen Agrarregionen in Westeuropa genauer unter die Lupe. „Wir haben untersucht, ob eine höhere Heterogenität der Anbauflächen durch kleinere Felder und mehr verschiedene Feldfrüchte einen positiven Effekt hat“, so Annika Hass, Erstautorin und Doktorandin an der Universität Göttingen. Dabei betrachtete das Team, wie sich diese Faktoren auf das Auftreten von Wildbienen und die Bestäubungsleistung auswirkten.

Die Wissenschaftler kamen zu dem Ergebnis, dass sich deutlich mehr Wildbienen auf kleineren Feldern tummelten. „Kleinere Felder führen zu mehr Feldrändern. Diese sind wichtig, da sie den Bestäubern Nistplätze und Blütenangebot bieten und auch zur Orientierung dienen können, sodass sie geeignete Lebensräume besser finden“, erläutert Annika Hass. Da mehr Wildbienen präsent waren als auf großen Vergleichsfeldern, führte dies auch zu einer verbesserten Bestäubung der angebauten Pflanzen. Für Wildbienen ist die Feldgröße offenbar sogar ausschlaggebender als die Vielfalt der Feldfrüchte. Es überraschte die Forscher, dass sich in Landschaften, in denen viele verschiedene Kulturpflanzen angebaut wurden, weniger Wildbienen aufhielten als in kleinteiligen Landschaften. „Beim Anbau vieler unterschiedlicher Pflanzen in Agrarlandschaften spielt die Auswahl der Kulturen eine große Rolle“, betont Prof. Dr. Teja Tscharntke, der die Abteilung Agrarökologie an der Uni Göttingen leitet und Mitautor der Studie ist. „Ein höherer Anteil von besonders intensiv bewirtschafteten Kulturen kann sich negativ auf Bestäuber auswirken.“

Damit Wildbienen und andere wilde Bestäuber in der Agrarlandschaft überleben können, benötigen sie ausreichend Nahrung und einen passenden Lebensraum, so die Wissenschaftler. Doch daran hakt es zunehmend. Wie eine im Fachmagazin „PLOS ONE“ im Oktober 2017 erschienene Studie zeigte, die die Gesamtmasse von Insekten in Fallen ermittelte, nahm die Zahl der Insekten in Deutschland extrem ab. Heute tummeln sich hier 76% weniger Schmetterlinge, Bienen und andere Fluginsekten als noch vor 27 Jahren. Das wirkt sich auch auf die Landwirtschaft aus, die auf die Bestäubungsleistung von Bienen, aber vor allem auch wildlebenden Insekten angewiesen ist. Viele Anbauprodukte wie Erdbeeren, Kirschen und Raps kommen ohne bestäubende Insekten nicht aus. Der Wert dieser Dienstleistungen durch wildlebende Insekten wird allein für die USA auf 57 Milliarden US-Dollar geschätzt. Die Göttinger Wissenschaftler fordern daher, dass zur Erhöhung des Vorkommens wildlebender Bestäuber Maßnahmen ergriffen werden, um ihnen mehr Lebensräume außerhalb der Felder zu bieten, wie Hecken oder Kalkmagerrasen. Da die Heterogenität der Agrarlandschaften, wie sie durch kleine Äcker gefördert wird, die Bestäubung von Pflanzen stark begünstigen kann, müsse sie in künftigen Agrarumweltmaßnahmen berücksichtigt werden, so die Forscher. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass kleinräumige Agrarsysteme die Zahl der Bestäuber und die Pflanzenvermehrung fördern. Daher sollten Agrarumweltmaßnahmen darauf abzielen, den gegenwärtigen Trend von zunehmenden Feldgrößen zu stoppen und umzukehren, sowie die Anzahl der Kulturpflanzen zu reduzieren, die auf eine besonders intensive Bewirtschaftung angewiesen sind.“ (ab)

22.02.2018 |

Bio boomt: Ökoanbaufläche wächst 2016 weltweit um 15%

Bio
Bio boomt! (Foto: CC0)

Bio boomt kräftig: Rund um den Globus wurden 2016 rund 57,8 Millionen Hektar Land ökologisch bewirtschaftet – der globale Markt für Bioprodukte brummte mit einem Umsatz von fast 90 Milliarden US-Dollar. Dies zeigt der Bericht „The World of Organic Agriculture“, der vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) und IFOAM – Organics International auf der Messe BIOFACH präsentiert wurde. Ausgewertet wurden Daten zum Ökolandbau in 178 Ländern. Die Bioanbaufläche wuchs demnach 2016 um rund 7,5 Millionen Hektar – ein Plus von 15% gegenüber dem Vorjahr. Rund 47% der Biofläche liegt mit 27,3 Millionen Hektar in Ozeanien, gefolgt von Europa mit 13,5 Millionen Hektar (23%) und Lateinamerika mit 7,1 Millionen Hektar (12%). Australien führt das Länderranking mit der größten absoluten Bioanbaufläche an (27,2 Millionen Hektar) und verweist Argentinien mit 3 Millionen und China mit 2,3 Millionen Hektar auf die Plätze. Anders sieht es bei der anteiligen Fläche aus: Hier liegt Liechtenstein mit einem Bioanteil von 37,7% an der Gesamtfläche vor Französisch-Polynesien (31,3%) und Samoa (22,4%), gefolgt von Österreich (21,9%), Estland (18,9%) und Schweden (18%). Insgesamt bringen es 15 Länder weltweit auf einen Bioflächenanteil von über 10% - ein neuer Rekord. Deutschland landete mit 7,5% Biofläche in 2016 auf Platz 23.

Weltweit gibt es dem Bericht zufolge 2,7 Millionen Bioproduzenten, davon sollen 835.000 in Indien, 210.352 in Uganda und 210.000 in Mexiko leben. Das Marktforschungsunternehmen Ecovia Intelligence schätzt den globalen Markt für Bioprodukte 2016 auf 89,7 Milliarden US-Dollar - circa 80 Milliarden Euro. Der größte Biomarkt sind die USA mit 38,9 Milliarden Euro Umsatz, es folgen Deutschland, Frankreich und China mit 9,5 bzw. 6,7 und 5,9 Milliarden Euro. Die größten Erfolge wurden in Frankreich und Irland verzeichnet – dort nahm die Nachfrage nach Bioprodukten um 22% zu. Das meiste Geld pro Kopf legten jedoch die Schweizer auf die Ladentheke: Sie ließen sich Bioprodukte 274 Euro im Jahr kosten, gefolgt von Dänemark mit 227 Euro und Schweden mit 197 Euro. In Dänemark haben Bioprodukte mit 9,7% den höchsten Marktanteil.

Auch in Deutschland befindet sich der Ökolandbau im Aufwind, wie die am 14. Februar veröffentlichten Zahlen des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) für 2017. Die deutsche Öko-Fläche vergrößerte sich demnach gegenüber dem Vorjahr um 10% auf 1.375.967 Hektar Biofläche. Damit wurde 8,2 % der gesamten Landwirtschaftsfläche von Bio-Bauern bewirtschaftet. „2017 stellten jeden Tag durchschnittlich fünf Bauern eine Landwirtschaftsfläche von etwa 500 Fußballfeldern auf Bio um“, so Peter Röhrig, Geschäftsführer des BÖLW. Es kamen 2.042 neue Betriebe dazu, insgesamt sind es nun in Deutschland 26.855 Höfe oder 8,6% mehr als im Vorjahr. Nun sei es wichtig, dass sowohl in Deutschland als auch auf EU-Ebene „das große Potential für Bio vom Acker bis zum Teller für einen nachhaltigen Umbau von Ernährung und Landwirtschaft“ genutzt werde. Der BÖLW-Vorsitzende Felix Prinz zu Löwenstein rief die gesamte künftige Bundesregierung zum „Zupacken“ auf, da viele Ressorts gemeinsam bestimmten, wie Landwirtschaft, Handel und Ernährung in Zukunft gestaltet werde. Er hob lobend hervor, dass im Koalitionsvertrag mit 2030 endlich ein konkretes Zieldatum gesetzt wird, bis wann ein Bioflächenanteil von 20% erreicht sein soll. Doch auch auf EU-Ebene muss gehandelt werden: „Die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik muss darauf ausgerichtet werden, mit den Steuergeldern stärker die Bauern zu unterstützen, die Umwelt, Tiere, Gewässer, Artenvielfalt und Klima schützen“, fordert Löwenstein. (ab)

19.02.2018 |

Vielfalt im Rampenlicht: Rote Emmalie zur Kartoffel des Jahres gekürt

Rote
Rote Emmalie (Foto: www.kartoffelvielfalt.de)

Sie heißt „Rote Emmalie“ und ist 2018 die Königin der Kartoffeln. Die längliche Sorte mit dem rötlichen Fruchtfleisch und dem würzigen Geschmack wurde letzte Woche auf der Messe Biofach in Nürnberg zur tollsten Knolle des Jahres gekürt. Mit der Auszeichnung soll auf die Kartoffelvielfalt aufmerksam gemacht werden, die zunehmend in Vergessenheit zu geraten droht, da in Supermarktregalen nur noch ein schmales Sortiment von Standard-Sorten angeboten wird. Gezüchtet wurde die „Rote Emmalie“, eine vorwiegend festkochende Sorte, vom niedersächsischen Bio-Kartoffelzüchter Karsten Ellenberg. Sie ist eine Kreuzung aus den Sorten „La Ratte“, „Baltica“, „Highland Burgundy Red“ und der alten peruanischen Landsorte „Huamantango“. Die rötliche Färbung ist dem Pflanzenfarbstoff Anthocyan zu verdanken, der in ähnlicher Form auch in Erdbeeren und Himbeeren vorkommt.

Ellenberg, der in der Lüneburger Heide seit 20 Jahren Kartoffeln züchtet und auf rund 80 Hektar über 100 Sorten anbaut, hat sich bereits mit seiner Rettungsaktion für die Kartoffelsorte Linda einen Namen gemacht. Als der Konzern „Europlant“ sie 2005 kurz vor Ablauf der Sortenschutzzeit vom Markt nehmen wollte, was für Bauern bedeutet hätte, dass sie Linda nicht mehr als Pflanzkartoffel hätten weitervermehren dürfen, gründete Ellenberg einen Freundeskreis zur Rettung der Sorte. Nach Jahren des Rechtsstreits erwirkten die Linda-Fans auch in Deutschland eine Neuzulassung der Kartoffel durch das Bundessortenamt. „Ich möchte selbst entscheiden, was ich anbauen und verkaufen will. Da möchte ich mir nichts von Saatgutkonzernen vorschreiben lassen“, sagte Ellenberg der Osnabrücker Zeitung. Es sei nicht hinnehmbar, dass bewährten Sorten vom Markt verschwinden, nur weil die Industrie keinen Gewinn mehr damit erzielen könne. „Es gibt in Europa noch etwa tausend zugelassene Sorten, aber auf dem Markt sind nur eine Handvoll.“ Denn dem Handel gehe es nicht darum, möglichst viele Sorten im Angebot zu haben, sondern vor allem billige.

Gewählt wurde die „Rote Emmalie“ von Vertretern des Arbeitskreises „Kartoffel des Jahres“, dem unter anderem der Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und der Anbauverband Bioland angehören. Zur Wahl stehen nur Kartoffelsorten, die ohne Gebühren nachgebaut werden können. Verkündet wurde die Gewinnerkartoffel von der indischen Umwelt- und Saatgutaktivistin Vandana Shiva. „Es ehrt mich, die Kartoffel des Jahres küren zu dürfen. Ich habe in den mehr als 50 Jahren, in denen ich als Wissenschaftlerin arbeite, realisiert, dass sich jedes lebendige System mit Intelligenz weiterentwickelt“, sagte sie auf der Preisverleihung. „Und ich ehre die Züchter, die dazu beigetragen haben, die einzige Wissenschaft zu betreiben, die den Namen Pflanzenzucht verdient, und das ist die Arbeit mit der Intelligenz der Natur, mit der Biodiversität, die wir erhalten haben“, sagte Shiva mit einem Seitenhieb auf die einstigen Bemühungen von Konzernen, mithilfe von Gentechnik Kartoffeln zu züchten, die z.B. mit einem erhöhten Stärkegehalt als Industrierohstoff dienen sollen. „Wir ehren heute die Vielfalt, die von der Roten Emmalie verkörpert wird“, fügte die Aktivistin hinzu. Ellenberg bedankte sich bei Shiva dafür, dass sie vor 10 Jahren auf der Abschlussveranstaltung der Slow-Food-Messe Terra Madre in Turin vor tausenden Menschen aus aller Welt zur Rettung der Linda aufgerufen und so dem Bestreben Sichtbarkeit verliehen hatte. „Wir kümmern uns weiter um die Vielfalt“, kündigte Ellenberg an. (ab)

13.02.2018 |

Frankreich: Agrarökologie statt „Neue Allianz für Ernährungssicherung“

Bauer
Mehr Förderung für Kleinbauern statt Konzerne (Foto: CC0)

Frankreich steigt aus der umstrittenen „Neuen Allianz für Ernährungssicherung“ der G7 aus. Das verkündete die Regierung am 8. Februar auf dem Treffen des interministeriellen Ausschusses für Entwicklungshilfe (Cicid). Stattdessen will Frankreich über andere Programme agrarökologische Methoden und die kleinbäuerliche Landwirtschaft fördern. Die 2012 ins Leben gerufene „Neue Allianz für Ernährungssicherung“ wird seit ihrer Gründung scharf von Entwicklungsorganisationen kritisiert, da sie unter dem Deckmantel der Hunger- und Armutsbekämpfung den Profitinteressen der internationalen Agrar- und Lebensmittelindustrie diene. Unterstützt wird die Initiative, die Projekte in zehn afrikanischen Ländern durchführt und bis 2022 insgesamt 50 Millionen Menschen in Sub-Sahara-Afrika aus der Armut befreien will, neben den G7-Staaten und weiteren Geberländern vor allem von großen Agrarkonzernen wie Cargill, Monsanto oder Louis Dreyfus. „Frankreich wird seine Unterstützung für eine integrierte ländliche Entwicklung und für landwirtschaftliche Familienbetriebe, vor allem in Afrika und insbesondere in der Sahelzone, durch eine Intensivierung der Agrarökologie, die Verbesserung der Ernährungslage der Bevölkerung sowie territoriale und sektorale Ansätze verstärken“, heißt es im Ergebnispapier des Cicid-Treffens.

Frankreich begründete den Schritt damit, dass eine Folgenabschätzung der Maßnahmen in Burkina Faso gemischte Resultate hervorgebracht habe. Die unabhängige Bewertung des Zentrums für internationale Zusammenarbeit in der Agrarforschung für Drittländer (CIRAD) fällt in der Tat wenig schmeichelhaft aus: „Die Neue Allianz in Burkina Faso ist die Geschichte einer politischen Initiative, die bei einigen Akteuren viele Hoffnungen und Enttäuschungen und bei anderen Kritik und Ängste hervorgerufen hat. Seitdem sie auf höchster politischer Ebene gestartet wurde, ging ihr schnell die Luft aus“, zitiert Le Monde aus dem Bericht. Die Studie konzentriert sich besonders auf das Bagré-Projekt, 200 km südöstlich von Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou. „Die Maßnahmen, die ergriffen wurden, um Land für potenzielle Investoren frei zu machen, haben die Ernährungssicherheit und den Lebensmittelkonsum grundlegend verändert“, so die Studie. Künstliche Bewässerung soll dort im großen Stil eingeführt werden. Die Kleinbauern, die ihre Grundnahrungsmittel im Regenfeldbau anbauen, drohen leer auszugehen. „Die Situation der Familienbetriebe ist heute sehr angespannt im Vergleich zu den Bedingungen, die Agrarkonzernen angeboten werden, was zu einem starken Gefühl der Ungerechtigkeit führt“, schreiben die CIRAD-Experten. „Die Herangehensweise dieser Initiative ist zu ideologisch und es besteht ein echtes Risiko der Landnahme auf Kosten von Kleinbauern“, zitiert die Tageszeitung Le Monde einen mit dem Vorgang vertrauten Beamten des Außenministeriums.

Deutsche Entwicklungsorganisationen begrüßten den Schritt und appellierten an die amtierende Bundesregierung, dem Beispiel des Nachbarlandes zu folgen. „Die Neue Allianz der G7 ging seit ihrem Start an den Bedürfnissen der Kleinbauern und Kleinbäuerinnen in den Mitgliedsländern vorbei“, sagte Jan Urhahn von INKOTA in einer Pressemitteilung des Forum Umwelt und Entwicklung, in dem zahlreiche deutsche NGOs vertreten sind. Die Programme seien in enger Abstimmung mit Konzernen und privaten Stiftungen, aber unter weitgehendem Ausschluss von betroffenen Kleinbauern und Kleinbäuerinnen sowie zivilgesellschaftlichen Akteuren entwickelt worden. „Der Hunger wird bis 2030 nur beendet werden können, wenn die Kontrolle der Konzerne über Land, Wasser und Saatgut zugunsten der kleinbäuerlichen Landwirtschaft zurückgedrängt wird.“, fügte Stig Tanzmann vom Hilfswerk Brot für die Welt hinzu. Doch das deutsche Entwicklungshilfeministerium hatte erst 2017 zugesagt, die Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika (AGRA) mit 10 Millionen Euro zu fördern. „Der Name ist bei AGRA Programm und steht für eine Landwirtschaft von gestern“, kritisiert Jürgen Maier vom Forum Umwelt und Entwicklung. AGRA setze stark auf die Ausweitung von Mineraldünger statt organischer Düngung und im Saatgutbereich würden bestehende bäuerliche Saatgutsysteme ignoriert. Die Organisationen rufen die Bundesregierung daher dazu auf, den Forderungen von Kleinbauern nach Ernährungssouveränität, der Verwirklichung des Menschenrechts auf Nahrung und einer umwelt- und klimagerechten Landwirtschaft nachzukommen. (ab)

07.02.2018 |

Rettet Glanrind und Skudde: 71% der heimischen Nutztierrassen gefährdet

Wollschwein
Wollschwein: Bedroht, aber wieder im Kommen (Foto: Angelika Beck)

Brillenschaf, Sattelschwein und Hinterwälder Rind haben eines gemeinsam: Sie gehören zu den gefährdeten Nutztierrassen in Deutschland. Aktuell gelten 55 der 77 einheimischen Nutztierrassen der fünf Großtierarten Pferd, Rind, Schwein, Schaf und Ziege als gefährdet, wie aus der am Montag veröffentlichten Roten Liste der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) hervorgeht. Große Sorge bereitet auch das Dominikaner Huhn: 2016 wurden nur noch 26 Hähne, 115 Hennen und 17 Züchter gezählt, von denen die Zukunft der stark gefährdeten Geflügelrasse mit dem gesperberten Gefieder abhängt. Die BLE-Liste enthält positive und negative Nachrichten: Die Bestandszahlen einiger Nutztierrassen haben sich auch aufgrund von Haltungsprämien positiv entwickelt. So haben sich die Bestände des Pinzgauer Rindes und des Merinolangwollschafes stabilisiert und konnten in die niedrigste Gefährdungsstufe eingeordnet werden. Die vor allem in Thüringen verbreiteten Merinolangwollschaf-Population brachte es 2015 wieder auf 86 Zuchtböcke. Schlecht steht es jedoch um die Skudde, das kleinste einheimische Schaf, das zur Gruppe der kurzschwänzigen, nordischen Heideschafe gehört. Es gilt aufgrund gesunkener Bestände wieder als gefährdet, da es nur noch 205 Böcke und 2.246 Mutterschafe gibt.

Bei den Schweinerassen war die Anzahl im Herdbuch eingetragener Zuchttiere insgesamt rückläufig. Doch eine zunehmend erfolgreiche Regionalvermarktung führte beim Bunten Bentheimer Schwein und den Sattelschweinen zumindest zu einem leichten Bestandsplus. So hat etwa das Schwäbisch Hällische Schwein weit über seine Ursprungsregion Hohenlohe hinaus Bekanntheit erlangt. Trotz positiver Entwicklungen bleibt die Gefährdung einheimischer Nutztierrassen laut BLE auf einem sehr kritischen Stand. „Weiterhin sind verstärkte Anstrengungen nötig, um diese Rassen sowohl als genetische Ressourcen als auch als kulturelles Erbe zu erhalten“, schreibt die Anstalt. Denn die Nutztierrassen-Vielfalt ist wichtig für die Zukunft der Landwirtschaft, nahm aber in den letzten Jahrzehnten rapide ab. Laut Welternährungsorganisation FAO sind weltweit über 7.000 Tierrassen erfasst oder gemeldet. Davon sind etwa 20% als gefährdet eingestuft. In Europa ist bereits etwa die Hälfte aller zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch verbreiteten Tierrassen ausgestorben. Ein Drittel der verbleibenden Rassen gilt als stark bestandsgefährdet.

Als Ursache für den Rückgang nennt das BLE sich beschleunigende Konzentrationsprozesse in der globalen Land- und Ernährungswirtschaft, die auch auf die Tierzucht einen deutlichen Einfluss haben. „Einer offensichtlichen Produktvielfalt im Lebensmitteleinzelhandel steht in den vorgelagerten Produktionsstufen eine immer stärkere Vereinheitlichung gegenüber“, schreiben die Experten. „Der Marktdruck zur kontinuierlichen Produktion großer Mengen uniformer agrarischer Rohstoffe (wie z. B. Milch oder Fleisch) führt häufig zum Verschwinden vielfältig strukturierter Landwirtschaftsbetriebe.“ Viele Nutztierrassen würden so unwirtschaftlich. „Wenige, züchterisch intensiv bearbeitete und spezialisierte Rassen teilen sich heute den Markt sowohl in Bezug auf die Nachfrage der Landwirte nach Nutztieren, als auch in Form der Produkte im Lebensmitteleinzelhandel“, ist in der Publikation zu lesen.

Um den bestehenden Genpool zu bewahren und sicherzustellen, dass die Vielfalt seltener Nutztierrassen künftigen Generationen erhalten bleibt, sind also verstärkte Anstrengungen nötig. Auch die FAO betont, dass die Erhaltung der Nutztierrassenvielfalt gerade in Zeiten des Klimawandels für die Welternährung enorm an Bedeutung gewinnen wird. Die genetische Vielfalt sei für die Widerstandsfähigkeit und die Anpassung an künftige Herausforderungen grundlegend. Auch die Weltnachhaltigkeitsziele (SDGs) widmen sich dem Erhalt gefährdeter Nutztierrassen: Das 2. SDG visiert im 5. Unterziel an, bis 2020 die genetische Vielfalt von Saatgut, Kulturpflanzen sowie Nutz- und Haustieren und ihren wildlebenden Artverwandten zu bewahren. (ab)

05.02.2018 |

Forscher fordern mehr Schutz für wilde Bestäuber statt Honigbienen

Biene
Ob Honig- oder Wildbienen: Sie sind wichtige Bestäuber (Foto: CC0)

Bienen sind beliebt: Das Sterben der fleißigen Bestäuber löst Besorgnis aus und prägt die Berichterstattung. Mit bienenfreundlichen Saatgutmischungen und Bienenpatenschaften leisten viele Bienenfreunde selbst einen Beitrag zur Verbesserung der Bedingungen. Doch Forscher der Universität Cambridge argumentieren nun im Fachjournal Science, das Sterben ganzer Bienenvölker sei – anders als in der Öffentlichkeit wahrgenommen – in erster Linie ein Problem für die Agrarproduktion und nicht für den Biodiversitätsschutz. Das Sterben ganzer Bienenvölker in der professionellen Bienenzucht und das Problem der schwindenden biologischen Vielfalt und der dramatische Rückgang tausender wilder Bestäuber seien zwei Paar Stiefel. Die Wissenschaftler gehen gar noch weiter mit ihrer kontroversen These: Die wie andere Nutztiere gehaltenen Bienenvölker könnten zudem selbst zum starken Rückgang der Bestände wilder Bestäuber in Europa beitragen, da sie ihren wilden Verwandten Nahrung streitig machen und Krankheiten verbreiten könnten. Gutgemeinte Schutzinitiativen zur Bienenhaltung in Städten oder schlimmer noch in Schutzgebieten fernab der Landwirtschaft würde das Schwinden wilder Bestäuber noch verstärken.

„Die weltweite Krise des Rückgangs bei Bestäubern ist vor allem mit einer Art in Verbindung gebracht worden, der Westlichen Honigbiene. Doch diese ist eine der wenigen Bestäuberarten, die kontinuierlich durch Zucht und Landwirtschaft wiederaufgestockt wird“, sagte Co-Autor Dr. Jonas Geldmann vom Department of Zoology der Universität Cambridge. „Der Schutz der Honigbiene hilft der Tierwelt nicht. Bei der Westlichen Honigbiene handelt es sich um eine kommerziell gehaltene Tierart, die in der Tat sogar negative Auswirkungen auf ihre unmittelbare Umgebung haben kann aufgrund der massiven Zahl, in der sie eingeführt wird.“ Das Schwinden der Bestände wilder Bestäuber, wie Nachtfalter oder Schwebfliege, schreitet Geldmann zufolge alarmierend schnell voran. Aktuell sind 50% aller europäischen Bienenarten vom Aussterben bedroht. Doch die Haltung von Honigbienen sei trotz ihrer wichtigen Funktion für die Bestäubung problematisch, da viele wichtige Nutzpflanzen wie Obst und Raps nur wenige Tage oder Wochen blühen, während Honigbienen je nach Region neun bis zwölf Monate aktiv seien und sich bis zu 10 Kilometer von ihren Stöcken entfernen würden. Das führe zu einer massiven „Verbreitung“ von gehaltenen Bienen in der Landschaft und könnte so wilde Bestäuber verdrängen. Die Haltung von Honigbienen entferne Pollen und Nektar aus der Umwelt – eine natürliche Ressource, die von vielen wilden Bienenarten und anderen Bestäubern benötigt wird, sagt Mitautor González-Varo.

Die Forscher betonen, dass die Aufmerksamkeit für die Honigbiene dabei helfe, das Bewusstsein für den Artenschwund zu schärfen, doch Maßnahmen müssten auch auf andere bedrohte Arten ausgerichtet werden. „Im letzten Jahrzehnt hat die Forschung zum Bienensterben und die Gefahren für die auf Bestäubung angewiesenen Pflanzen explosionsartig zugenommen. Doch es wurde wenig geforscht, um den Rückgang bei den wilden heimischen Bestäubern zu verstehen“, beklagt Geldmann. Der britische Bienenzüchterverband kritisierte die Studie. Martin Smith von der „British Beekeepers Association” sagte dem Blatt Daily Mail: „Ich halte es nicht für hilfreich, einen einzigen Bestäuber herauszupicken und ihn für den allgemeinen Rückgang der Bienenbestände verantwortlich zu machen.“ In Großbritannien habe es etwa in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg mehr als dreimal so viele Honigbienenvölker gegeben wie noch heute. Die Hauptursache, die zum Bestandsrückgang bei Bienen und anderen Bestäubern geführt habe, sei der Verlust ihres Lebensraums und nicht der Wettbewerb um Nahrung zwischen Honigbienen und wilden Bienen. „Ein Weg, um dieses Problem zu lösen, ist die Ausweitung der Lebensräume mit Pflanzen und Blumen, die Nahrung für alle Bienen bieten - zum Wohle von wilden und gehaltenen Bienen“, so Smith. (ab)

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