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25.04.2018 |

Bündnis fordert existenzsichernde Einkommen für Kakaobauern

Kakao
Kakaobauer in Kolumbien (Foto: CC0)

In vielen Kakaoanbaugebieten, besonders in Westafrika, sind Armut, Kinderarbeit und die Abholzung von Wäldern immer noch an der Tagesordnung und der sinkende Kakaopreis hat diese Probleme weiter verschärft. Trotz vollmundiger Versprechen von Kakaoindustrie und Schokoladenfirmen, für soziale und ökologische Verbesserungen in der Wertschöpfungskette zu sorgen, hat sich an den Lebens- und Arbeitsbedingungen der kakaoanbauenden Familien wenig geändert. Das ist die bittere Botschaft des Kakaobarometers 2018, das von einem zivilgesellschaftlichen Bündnis im Vorfeld der in Berlin vom 22. bis 25. April stattfindenden Weltkakaokonferenz veröffentlicht wurde. „Schokolade ist erst dann wirklich nachhaltig, wenn Kakaobauern und -bäuerinnen in Westafrika über ein Einkommen verfügen, das ihnen ein Leben in Würde ermöglicht“, betont Johannes Schorling vom INKOTA-Netzwerk, das mit einem Dutzend anderer Organisationen das Kakaobarometer herausgibt. Doch von existenzsichernden Einkommen im Kakaosektor sei die Welt noch meilenweit entfernt.

Sinkende Preise stellten die Bäuerinnen und Bauern, die Kakao anbauen, zuletzt vor große Herausforderungen. Zwischen September 2016 und Februar 2017 sackten die Kakaopreise in den Keller: Lag der Preis für eine Tonne Kakao zuvor noch über 3000 US-Dollar, so sank der Wert innerhalb weniger Monate um über ein Drittel auf unter 1.900 US-Dollar. Trotz einer leichten Preiserholung in den letzten Monaten liegt der Kakaopreis noch deutlich unter dem Durchschnitt der Jahre vor dem Preisverfall. Während sich die Schokoladenfirmen über günstige Einkaufspreise freuen, hat dies vor allem in Ghana und der Côte d‘Ivoire, wo die Einkommen von Millionen Menschen vom Kakaoanbau abhängen, gravierende Auswirkungen. Laut den Autoren des Berichts bemühten sich die nationalen Kakaobehörden zwar, über Vorabverkäufe einen staatlichen Mindestpreis zu garantieren, doch das Einkommen der Kakaobauern sank zum Beispiel in der Elfenbeinküste im März 2017 um 36%. Grund für den Preisverfall war eine überdurchschnittlich hohe Erntemenge. In der Erntesaison 2016/2017 wurden in der Elfenbeinküste rund 2 Millionen Tonnen Kakao geerntet, rund 600.000 Tonnen mehr als noch drei Jahre zuvor. Das lag daran, dass die Anbauflächen in den letzten Jahren stark ausgeweitet wurden. „Ein großer Teil der neu angelegten Plantagen befinden sich jedoch auf Flächen, die eigentlich geschützt sind“, erklärt Friedel Hütz-Adams, Kakaoexperte bei SÜDWIND und Mitautor des Kakaobarometers. „Ohne diesen eigentlich illegalen Anbau hätte es wahrscheinlich den Überschuss und den Preisverfall nicht gegeben.“

Das Herausgeber-Bündnis plädiert für einen Paradigmenwechsel in der Kakaopolitik: Um Kakaobauern aus der Armut und der Abhängigkeit von schwankenden Kakaopreisen zu befreien, müssen Politik und Unternehmen höhere Preise für Kakao garantieren. Das Kakaobarometer beklagt jedoch, dass das Einkommen der Kakaobauern und -bäuerinnen bei weitem nicht existenzsichernd ist. Zwar sei es schwierig zu beziffern, was ein Kakaobauer verdienen muss, um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können, da dies von mehreren Faktoren, wie der Region und Hofgröße, der Zahl der Haushaltsmitglieder und den Lebenshaltungskosten abhänge. Doch eine Erhebung für die Elfenbeinküste legt nahe, dass ein Kakaobauer dort 2,51 US-Dollar am Tag verdienen müsste, während es aktuell gerade einmal 0,78 US-Dollar sind. „Die Kalkulation existenzsichernder Einkommen sollte als Grundlage dafür dienen, einen Kakaopreis zu berechnen, der zumindest die dringendsten Bedürfnisse der Menschen abdeckt. Eben diese Abdeckung der dringendsten Bedürfnisse ist ein Menschenrecht, das nicht verweigert werden darf“, so Hütz-Adams. Südwind betont, das Nettoeinkommen von Kakaobauern müsse zum Mittelpunkt aller Nachhaltigkeitsbemühungen von Unternehmen, Regierungen und Nichtregierungsorganisationen werden. „Da der Sektor dies in vielen Jahren durch freiwillige Initiativen nicht geschafft hat, sollten Regierungen gesetzlich eben diese Einhaltung der Menschenrechte verpflichtend machen.“ (ab)

20.04.2018 |

Verdurazo-Protest in Argentinien: Gemüse für alle, Land für Kleinbauern

Gemüsegau
Verdurazo - Gemüse für alle im Jahr 2016 (Foto: Emergente, bit.ly/vazo16, cc: bit.ly/bync20)

Mit einem dreitägigen Gemüseaufstand haben Kleinbauern in Argentinien für den Zugang zu Land protestiert. In der Hauptstadt Buenos Aires verschenkten sie tonnenweise Gemüse und auch Obst, um auf die schwierige Lage kleiner Lebensmittelproduzenten und Landarbeiter aufmerksam zu machen. Am Dienstag begann der „Verdurazo“ auf dem Vorplatz des Nationalkongresses: 1.500 Landwirte kamen zusammen, um ein Gesetz einzufordern, das ihnen Zugang zu dem Land ermöglichen soll, das sie tagein, tagaus beackern. Aus Lastwagen, Kisten und an Ständen verteilten sie bis Donnerstag insgesamt 30.000 Kilogramm Gemüse an all jene, die auf den Platz strömten. Vor allem Rentner und Bedürftige standen wartend in langen Schlangen an, um kostenlose Salatköpfe, Tomaten, Lauch, Auberginen oder sonstige Produkte zu ergattern. In den letzten beiden Jahren hatte es bereits ähnliche Veranstaltungen gegeben.

Organisiert wurde der Protest vom Landarbeiterverband „Unión de Trabajadores de la Tierra” (UTT), der nach eigenen Angaben 14.000 Kleinbauernfamilien in 16 Provinzen des Landes vertritt. Er setzt sich für die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Kleinbauern des Landes ein und macht sich für ein Gesetz stark, das ihnen zu Landbesitz verhelfen soll: „Dieser Gesetzesentwurf ist eine Antwort auf die Bedürfnisse von hunderttausenden kleinen Produzenten, die mehr als 60% der Lebensmittel anbauen, die im Land verzehrt werden und das auf gerade einmal 13% der Ackerfläche Argentiniens“, sagte der Verband in einer Presseerklärung. „Es handelt sich um Familien, die von dem Land, auf dem Land und für das Land leben, denen der Boden jedoch nicht gehört. Sie sind gefangen durch teure und spekulative Pachtzahlungen, die den Großteil der Früchte ihrer Arbeit verschlingen. Kein eigenes Land zu besitzen bedeutet für einen Landwirt nicht nur, Pacht zahlen zu müssen – es bedeutet auch, dass er keine Wurzeln schlagen kann, keine Pläne schmieden kann und in ärmlichen Verhältnissen wohnen muss.“

Am Mittwoch stellt die UTT den Gesetzesvorschlag in einer öffentlichen Anhörung in der Abgeordnetenkammer vor. Der Text mit dem Titel „Fondo Fiduciario Público de Crédito para la Agricultura Familiar” sieht zinsvergünstigte Kredite für Kleinbauern zum Landerwerb vor. „Der Staat muss hier handeln. Wir wollen keine Geschenke“, betonte der Verband. „Wir schlagen vergünstigte Kredite vor und eine Ausweitung des von der Regierung geförderten Wohnungsprogramms Procrear auf ländliche Gebiete, damit Landwirte Zugang zu Land erhalten, das die Grundlage ihrer Arbeit ist – ebenso wie Stadtbewohner Hilfe erhalten, damit sie sich ein eigenes Heim leisten können.“ Die Organisation begrüßte, dass sich Abgeordnete und Vertreter öffentlicher Institutionen und Organisationen den Vorschlag anhörten, zeigte sich aber enttäuscht über das Fernbleiben des Ministeriums für Agroindustrie. Der Regierung wirft sie vor, große Landbesitzer und das Agribusiness zu unterstützen, während Kleinbauern marginalisiert würden. Nach Angaben des Verbands greife die Zentralregierung großen Produzenten im Jahr 2018 mit 145 Millionen Dollar unter die Arme, zum Beispiel durch Kreditvergünstigungen für von Dürren geplagte Landwirte oder die Senkung von Exportsteuern für Sojaproduzenten. „Wir werfen der Regierung vor, 145 Millionen Dollar an die Großproduzenten zu überweisen, die Futtermittel für chinesische Schweine anbauen“, sagte ein UTT-Vertreter. „Für den Rest gibt es keinen Peso. Es gibt Gelder für die Großen, die Kleinen gehen leer aus.“ Der Verband rechnet vor, dass durch 100 Millionen Pesos (5 Millionen Dollar) für das Programm „Procrear Rural” etwa 500 Kleinbauern Zugang zu 500 Hektar Land erhalten könnten, auf dem sie jedes Jahr Lebensmittel für 62,500 Familien anbauen könnten. (ab)

18.04.2018 |

Starke UN-Erklärung für die Rechte von Kleinbauern gefordert

Rechte
Mehr Rechte für Kleinbauern: auf dem Papier und in der Praxis (Foto: CC0)

Auch dieses Jahr stand der internationale Tag des kleinbäuerlichen Widerstandes am 17. April wieder ganz im Zeichen der Rechte von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern. Rund um den Globus fanden Veranstaltungen, Kundgebungen und Demonstrationen statt, bei denen Bauernorganisationen und zivilgesellschaftliche Gruppen auf die Probleme von Kleinbauern und Landlosen aufmerksam machten. Während die einen auf die Straße gingen, verhandelte in Genf eine Arbeitsgruppe des UN-Menschenrechtsrats vom 9. bis 13. April eine Erklärung für die Rechte von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen und anderen Menschen, die in ländlichen Regionen arbeiten. Seit 2012 wird daran schon gearbeitet und gefeilt, nun ging es in die fünfte und letzte Verhandlungsrunde. Im Juni 2018 soll das Endergebnis dem UN-Menschenrechtsrat zur Annahme vorgelegt werden. Mit der Rolle der EU und Deutschlands in diesem Prozess nicht unbedingt zufrieden zeigte sich ein Bündnis deutscher NGOs, zu dem unter anderem die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), die Menschenrechtsorganisation FIAN Deutschland oder das entwicklungspolitische INKOTA-Netzwerk gehören. Sie werfen der EU und Deutschland vor, die Erklärung zu torpedieren und zu verwässern.

„Leider hat sich die Bundesregierung nicht direkt in die Verhandlungen eingebracht, sondern hat sich von der EU vertreten lassen. Diese brachte vor allem Vorschläge ein, die die Wirkkraft der Erklärung schwächen würden“, kritisiert FIAN-Referentin Gertrud Falk, die die Verhandlungen beobachtete. Die EU weigere sich bisher, grundlegende Rechte von Kleinbauern anzuerkennen, wie zum Beispiel das Recht auf Saatgut, das Recht auf Land oder auf eine gesunde Umwelt, obwohl diese Rechte Voraussetzung für die Verwirklichung anderer Menschenrechte dieser Bevölkerungsgruppe seien. Der bisherige 14 Seiten und 28 Artikel umfassende Textentwurf sieht zum Beispiel in Artikel 21 das Recht auf Wasser vor. Hier etwa wollte die EU erreichen, dass der Titel in „Zugang zu Wasser“ abgeändert wird, um den rechtlichen Aspekt herauszunehmen, berichtet Falk: Das Recht auf Wasser ist viel umfassender als allein der Zugang, sagte sie gegenüber dem Deutschlandfunk: „Es geht dabei darum, dass Kleinbauern und Kleinbäuerinnen und Kleinfischer und Kleinfischerinnen vor allen Dingen natürlich auch ihre Wasserressourcen pflegen dürfen, ihre gemeinschaftlichen Nutzungsweisen daran weiter kultivieren dürfen und ausüben können, und dass Wasserressourcen wie Quellen, aber auch die Seen und Bachläufe nicht privatisiert werden, wie das leider zunehmend der Fall ist, da große Konzerne versuchen, diese Ressourcen zu privatisieren und dann für ihren alleinigen Profit zu nutzen.“

Ebenfalls ein Dorn im Auge seien der EU kollektive Rechte. Doch Kleinbauern leben und arbeiten in vielen Regionen der Welt als Gemeinschaft und pflegen auch die natürlichen Ressourcen gemeinsam. „Rechte werden ihnen oft als Gemeinschaft streitig gemacht und müssen deshalb auch als gemeinschaftliche Rechte geschützt werden“, fordert Falk. Ein weiterer strittiger Punkt ist ein Recht auf Saatgut. Bäuerin Paula Gioia, die für die AbL am Verhandlungstisch saß, erklärte dazu: „Wir Bauern und Bäuerinnen kultivieren seit Jahrtausenden Saatgut und garantieren damit eine Sortenvielfalt, die für nährstoffreiche Nahrungsmittel, biologische Vielfalt und Anpassungen an Klimaveränderungen sorgt.“ Die Agrarindustrie strebe hingegen überall auf der Welt die Vereinheitlichung von Landwirtschaft und Nahrungsmitteln an und übernehme zunehmend die Kontrolle über die landwirtschaftlichen Grundlagen wie Land, Wasser und Saatgut. „Unser Recht auf Ernährungssouveränität muss dagegen geschützt werden“, fordert Gioia. „Dazu braucht es dringend die Unterstützung auch der Bundesregierung und der EU für eine starke UN-Erklärung.“

Rechte auf dem Papier sind das eine und die Umsetzung in der Realität das andere. Dennoch ist Falk überzeugt von der Notwendigkeit des Papiers: „Diese Erklärung fasst bestehendes Völkerrecht, was Kleinbauern betrifft, zusammen und interpretiert es für ihre Bedürfnisse. Das heißt, es stärkt sehr stark das Rechtsbewusstsein, das Menschenrechtsbewusstsein dieser Gruppe, sodass sie wissen, sie können politisch diese Rechte einfordern. Die Rechte werden nicht einklagbar sein, aber die Staaten, die hinterher der Erklärung zustimmen, verpflichten sich damit politisch, diese Rechte auch umzusetzen“, sagte sie dem Deutschlandfunk. (ab)

15.04.2018 |

Vor 10 Jahren: Weltagrarbericht forderte Kurswechsel in der Landwirtschaft

Foto Chairs
Ko-Vorsitzende Judi Wakhungu, Hans Herren sowie IAASTD-Direktor Bob Watson 2008

Vor zehn Jahren am 15. April 2008 war es soweit – der Weltagrarrat verkündete in einer Presseerklärung das Ergebnis seiner vier Jahre andauernden Arbeit: Die Art und Weise, wie die Welt Lebensmittel anbaut, muss sich radikal ändern, damit Armut und Hunger besiegt werden können – nur so kann es gelingen, eine wachsende Weltbevölkerung in Zeiten des Klimawandels zu ernähren und den sozialen und ökologischen Kollaps zu vermeiden. So lautete die Kernbotschaft des International Assessment of Agricultural Science and Technology for Development (IAASTD), bekannt als Weltagrarbericht. Im Auftrag der Weltbank und der UN hatten über 400 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aller Disziplinen und Kontinente den Wissensstand über die globale Landwirtschaft, ihre Geschichte und Zukunft zusammengefasst. Sie befassten sich mit der Frage, wie durch die Schaffung, Verbreitung und Nutzung von landwirtschaftlichem Wissen, Forschung und Technologie Hunger und Armut verringert, ländliche Existenzen verbessert und gerechte, ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltige Entwicklung gefördert werden kann. Ihre Antwort lieferten sie in einem 600-seitigen globalen Bericht, fünf regionalen Berichten, einem Synthese-Bericht sowie in von Regierungsvertretern auf einer mehrtägigen Sitzung in Johannesburg Absatz für Absatz abgestimmten Zusammenfassungen, die am 11. April 2008 von rund 60 Regierungen angenommen wurden.

Der Bericht konstatiert, dass die industrielle Landwirtschaft die Lebensmittelproduktion erheblich steigern konnte, jedoch nicht alle gleichermaßen davon profitierten: Kleinbauern, Landarbeiter, ländliche Gemeinden und die Umwelt bezahlten dafür einen unzumutbar hohen Preis. „Weiter-wie-bisher ist keine Option – es schadet den Armen, es wir nicht funktionieren“, sagte IAASTD-Direktor Professor Robert Watson 2008. „Wir müssen anerkennen, dass weltweit immer mehr Lebensmittel produziert werden, aber dies nicht allen zugutekam.“ Er warnte vor einem blinden Produktionsstreben: „Ein Weiter-wie-bisher würde bedeuten, dass die Umwelt weiter zerstört wird und Arm und Reich immer stärker auseinanderdriften. Es würde uns eine Welt bescheren, in der keiner mehr leben will.“ Der Bericht forderte daher die Schaffung eines institutionellen, wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmens, um Produktivität mit der Bewahrung der natürlichen Ressourcen, wie Böden, Wasser, Wälder und Biodiversität, unter einen Hut zu bringen.

Der Weltagrarbericht räumt mit dem Mythos der Überlegenheit industrieller Landwirtschaft aus volkswirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Sicht gründlich auf und unterstreicht die bedeutende Rolle von Kleinbauern für die Welternährung. „Chancen bieten jene kleinbäuerlichen Systeme, die eine hohe Wasser-, Nährstoff- und Energieeffizienz aufweisen und die natürlichen Ressourcen und Biodiversität bewahren, ohne den Ertrag zu opfern“, ist eines der 22 Schlüsselergebnisse der globalen Zusammenfassung. Der Bericht forderte mehr Investitionen für Kleinbauern, um so den Hunger zu bekämpfen. „Das Erzielen von bedeutenden Fortschritten für die Armen erfordert das Eröffnen von Möglichkeiten für Innovation und Unternehmergeist, speziell ausgerichtet auf Bauern und Landarbeiter, denen es an Ressourcen mangelt“, lautet eine weitere Erkenntnis. „Dies erfordert zugleich Investitionen in Infrastruktur sowie die Förderung des Zugangs zu Märkten, Handelsmöglichkeiten, Berufsausbildung, landwirtschaftlichen Beratungsdiensten, Kapital, Krediten, Versicherungen und natürlichen Ressourcen wie Land und Wasser.

Die zivilgesellschaftlichen Gruppen, die am IAASTD-Prozess beteiligt waren, begrüßten die Aussagen des Weltagrarberichts, auch wenn sie nicht mit allen Schlussfolgerungen zufrieden waren, auf die sich die Regierungsvertreter geeinigt hatten. „Heute beginnt eine neue Epoche der Landwirtschaft“ überschrieben sie hoffnungsvoll ihre englische Pressemitteilung vom 15. April 2008. Die NGOs, zu denen z.B. Greenpeace, das Pestizid-Aktionsnetzwerk oder das Third World Network gehörten, nannten den Bericht ein „ernüchternde Abrechnung mit der industriellen Landwirtschaft“, die zu fundamentalen Veränderungen in der Landwirtschaft aufrufe, „um rasant steigenden Preisen, Hunger, sozialer Ungerechtigkeit und ökologischen Desastern Einhalt zu gebieten“. Ein Ausweg aus der Krise in der Landwirtschaft biete „die volle Einbeziehung lokalen und indigenen Wissens, die Stärkung von Frauen, die die Hauptlast landwirtschaftlicher Arbeit in den Entwicklungsländern tragen, und ein Forschungsschwerpunkt auf kleinbäuerliche und agrarökologische Anbaumethoden“. Die NGOs appellierten an Regierungen, internationale Organisationen und die Zivilgesellschaft, die Empfehlungen des Weltagrarberichts rasch umzusetzen. Ein Jahrzehnt ist seither vergangen – es ist also an der Zeit, an die Kernbotschaften dieses einmaligen Prozesses zu erinnern und Bilanz zu ziehen, wie es aktuell um die Umsetzung bestellt ist. (ab)

11.04.2018 |

Symposium: Agrarökologie im großen Stil für Agrar- und Ernährungswende

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FAO: Kleinbauern müssen bei Ausweitung der Agrarökologie im Zentrum stehen (Foto: CC0)

Die Agrarökologie erntet immer mehr Beachtung – nicht zuletzt, da eine Vielzahl von Positivbeispielen aus aller Welt das enorme Potenzial agrarökologischer Methoden belegen. Sie muss jedoch weiter gefördert und ausgeweitet werden, damit eine Transformation der Ernährungs- und Agrarsysteme und das Erreichen der UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) gelingt. Das ist eine der Hauptbotschaften, die vom 2. Internationalen Agrarökologiesymposium ausgeht, das vom 3. bis 5. April in Rom stattfand. Das wachsende Interesse an Agrarökologie zeigt der Andrang auf der Veranstaltung: Über 700 Teilnehmende aus aller Welt tummelten sich bei der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO), darunter Vertreterinnen und Vertreter von 72 Regierungen, 350 zivilgesellschaftlichen Gruppen und sechs UN-Organisationen.

Vorausgegangen war 2014 ein erstes Symposium zum Thema Agrarökologie bei der FAO, gefolgt von einer Reihe regionaler Treffen. Während FAO-Generalsekretär José Graziano da Silva 2014 noch davon sprach, dass mit dem ersten Forum „ein Fenster für die Agrarökologie in der Kathedrale der Grünen Revolution” geöffnet worden sei, steht nun der nächste Schritt an: „Es ist an der Zeit für eine Umsetzung der Agrarökologie im großen Stil“, sagte da Silva letzten Donnerstag in seinen Schlussbemerkungen. „Es ist uns gelungen, nicht mehr nur darüber zu reden, was Agrarökologie ist, sondern wir haben nun genaue Programmziele, die in den nächsten paar Jahren erreicht werden sollen und zudem eine starke Unterstützung seitens der Zivilgesellschaft und jener Regierungen, die hart daran gearbeitet haben, dass dieses Symposium ein Erfolg wird.“

Der Vorsitzende des diesjährigen Symposiums, Braulio Ferreira de Souza Dias, fasste am Ende der Veranstaltung zusammen, warum der Agrarökologie eine Schlüsselrolle bei der Transformation von Agrar- und Ernährungssystemen zukommt: Sie biete viele Vorteile und trage etwa zur Verbesserung der Ernährungssicherheit, Diversifizierung der Lebensmittelproduktion, Bewahrung von natürlichen Ressourcen, Biodiversität und Ökosystemfunktionen, Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit, Anpassung an den Klimawandel und dessen Abschwächung und zur Bewahrung traditioneller Wissenssysteme bei. Doch trotz vieler positiver Erfahrungen mit agrarökologischen Methoden in allen Weltregionen mangele es wichtigen Entscheidungsträgern immer noch an Bewusstsein für das Potenzial der Agrarökologie für die Bewältigung vieler Herausforderungen und das Erreichen der SDGs. Der Vorsitzende präsentierte auch seine Vision für die Ausweitung der Agrarökologie sowie eine To-Do-Liste für alle Akteure. Regierungen forderte er dazu auf, den Rahmen für die Förderung von Agrarökologie zu schaffen und „perverse Anreize“ für nicht nachhaltige Landwirtschaft abzuschaffen. „Es ist entscheidend, dass rechtliche und politische Rahmenbedingungen auf eine Art und Weise geschaffen werden, die einen echten Wandel hin zu nachhaltigen Agrar- und Ernährungssystemen auf der Basis von Agrarökologie sicherstellt und die Rechte von Bauern und ihr Zugang zu produktiven Ressourcen wie Land, Wasser und Saatgut respektiert, schützt und gewährleistet.“

In seiner Zusammenfassung forderte Dias die FAO auf, einen ausführlichen 10-Jahres-Aktionsplan für Agrarökologie zu entwickeln und mit der Umsetzung der „Scaling up Agroecology Initiative“ zu beginnen, die auf dem Symposium an den Start ging. In einem 17-seitigen Dokument wurde die Initiative vorgestellt und dargelegt, welche Rolle die Agrarökologie für die Agenda 2030 spielen kann, welche Stolpersteine einer Ausweitung im Wege stehen könnten und welche Chancen sie bietet, was die Kernarbeitsbereiche der Initiative sein werden und wie es der Initiative durch die umfassende Zusammenarbeit eines breiten Spektrums an Akteuren und Institutionen gelingen kann, die Agrarökologie im großen Stil zu verbreiten. FAO-Chef da Silva betonte auch, dass in diesem Prozess Kleinbauern weiterhin eine zentrale Rolle spielen müssen: „Wenn wir von Agrarökologie sprechen, geht es nicht um rein technische Fragen. Ich möchte den sozialen Aspekt unterstreichen: Wenn wir also sagen, dass wir die Rolle der Agrarökologie in der Arbeit der FAO verstärken werden, bedeutet dies, dass wir die Rolle von Familienbetrieben und Kleinbauern, Fischern, Viehhaltern, Frauen und der Jugend stärken werden.“ Na dann los geht's! (ab)

06.04.2018 |

IPBES: Intensivierung der Landwirtschaft in Europa heizt Artensterben an

Feld
Die Intensivierung der Landwirtschaft trägt zum Biodiversitätsverlust bei (Foto: CC0)

Die Artenvielfalt in Europa und Zentralasien nimmt weiter ab. Landnutzungsänderungen sind die Hauptursache für den Verlust an Biodiversität und Ökosystemdienst-leistungen. Aber auch schädliche Subventionen haben die Intensivierung der Land- und Forstwirtschaft vorangetrieben und so den Biodiversitätsverlust beschleunigt. Das ist die Botschaft des Regionalberichts für Europa und Zentralasien, der vom Weltbiodiversitätsrat IPBES Ende März veröffentlicht wurde – neben drei weiteren Berichten für Amerika, Asien und Pazifik sowie Afrika. Mehr als 550 Experten aus über 100 Ländern trugen drei Jahren lang den aktuellen Stand der Wissenschaft dafür zusammen. Ihr Ergebnis ist erschütternd: Mit Ausnahme einer Handvoll positiver Beispiele werden die Biodiversität und die Fähigkeit der Natur, zum Wohle der Menschen beizutragen, in allen Regionen durch gemeinsame Belastungsfaktoren beeinträchtigt, verringert und zerstört. Dazu gehören veränderte Lebensraumbedingungen, die Ausbeutung und nicht nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen, Luft-, Land- und Wasserverschmutzung, die Zunahme invasiver gebietsfremder Arten und der Klimawandel.

Die Zusammenfassung des Berichts für Europa und Zentralasien skizziert den miserablen Zustand, in dem sich die natürlichen Ökosysteme der Region befinden: Seit 1970 haben sich die Feuchtgebiete um 51% verringert und natürliches und naturnahes Grasland, Moore und Lebensräume in Küsten- und Meeresgebieten sind von Degradation betroffen. „Insgesamt 73% der schutzwürdigen Süßwasserlebensräume in der EU weisen einen ungünstigen Erhaltungszustand auf. Überall in Europa und Zentralasien werden Seen, Teiche und Flüsse verändert oder sie verschwinden ganz infolge von landwirtschaftlicher Intensivierung, Bewässerung und städtischer Entwicklung, in Kombination mit dem Klimawandel“, ist in der Zusammenfassung zu lesen. Die Autoren nennen den Aralsee als Beispiel – einst der viertgrößte See der Welt, der nun fast vollständig verschwunden ist aufgrund der Wasserentnahme für die landwirtschaftliche Bewässerung.

Von den exklusiv in Europa und Zentralasien vorkommenden Arten, die untersucht wurden, sind 28% vom Aussterben bedroht. Besonders gefährdet sind Moose und Lebermoose, von denen die Hälfte zu verschwinden droht. In West- und Zentraleuropa und in den westlichen Teilen Osteuropas sind mindestens 37% der Süßwasserfische, 33% der Süßwasserschnecken und Gefäßpflanzen sowie 23% der Amphibien aktuell vom Aussterben bedroht. Bei etwa 71% der Fischarten und 60% der Amphibien gingen die Bestände im letzten Jahrzehnt zurück – und dies erfasst nur jene Arten, deren Bestandsentwicklung bekannt ist. In Europa und Zentralasien wiesen 42% der terrestrischen Tier- und Pflanzenarten rückläufige Bestände auf. Als Hauptgründe gelten der Verlust von Lebensräumen, Degradation und Verschmutzung – vor allem durch eine nicht nachhaltige Land- und Forstwirtschaft, der Abbau natürlicher Ressourcen und invasive, gebietsfremde Arten. Monokulturen und alle Formen der Homogenisierung der Landschaft, wie die Umwandlung von Wiesen in Ackerland, und die Intensivierung der Landwirtschaft haben das Artenspektrum reduziert.

Die Autoren warnen, dass die Menschheit vor allem die materiellen Beiträge der Natur, wie Nahrung und Energie, gefördert und dabei andere Funktionen vernachlässigt habe. Der Ko-Vorsitzende des regionalen Berichts zu Europa und Zentralasien, Professor Markus Fischer, betont: „Die Menschen in der Region verbrauchen mehr nachwachsende Rohstoffe als die Region produziert.“ In Westeuropa beträgt der ökologische Fußabdruck pro Kopf 5,1 Hektar, während die Biokapazität der Subregion bei 2,2 Hektar liegt. Somit ist Westeuropa auf Nettoimporte nachwachsender Rohstoffe angewiesen und nutzt Unmengen an Ackerland in anderen Regionen, vor allem in Argentinien, Brasilien, China und den USA. „Auch wenn dies durch höhere Biokapazitäten in Osteuropa und den nördlichen Teilen West- und Mitteleuropas etwas ausgeglichen wird“, fügt Fischer hinzu. Doch auf Dauer geht die Rechnung nicht auf: „Verkürzt gesagt brauchen wir derzeit das Naturkapital auf, dabei sollten wir von dessen Zinsen leben“, erklärt er. „Wir haben die Natur in den vergangenen Jahrzehnten immer stärker dazu getrieben, ein Maximum an einer Leistung, der Produktion zu erreichen, zu Lasten der anderen Leistungen. Das müssen wir rückgängig machen.“

An politischen Handlungsmöglichkeiten mangelt es nicht, lautet die gute Nachricht des Berichts. Dazu müssen Instrumente, wie schädliche Agrar- und Fischereisubventionen, abgeschafft werden, die eine nachhaltigere Produktion verhindern. Auch die Messung des Wohlstands eines Landes am Bruttoinlandsprodukt (BIP) mit dem stetigen Streben nach Wachstum habe indirekt das Artensterben angeheizt und müsse davon abgekoppelt werden. Dazu benötigt es laut den Autoren tiefgreifende politische Veränderungen und Steuerreformen sowie neue Indikatoren, die das Wohlergehen der Menschen, die Qualität der Umwelt, Beschäftigung und Gleichheit, die Bewahrung der Biodiversität und Umweltdienstleistungen einbeziehen. Zu den politischen Optionen sagte IPBES-Präsident Sir Robert Watson: „Obwohl es keine ‚Patentlösungen’ oder universellen Antworten gibt, haben alle vier Regionalberichte als beste Optionen eine bessere Regierungsführung, die Einbeziehung von Biodiversitätsfragen in sektorale Politiken und Praktiken (z.B. Landwirtschaft und Energie), die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Technologien sowie ein erhöhtes Bewusstsein und Verhaltensänderungen ausgemacht.“ (ab)

03.04.2018 |

Fleischverzehr in Deutschland geht 2017 weiter zurück

Fleisch
Etwas weniger Fleisch landete 2017 auf deutschen Tellern (Foto: CC0)

Die Deutschen essen immer weniger Fleisch: 2017 sank die Verzehrmenge auf 59,7 Kilogramm pro Kopf, wie aus im März veröffentlichten Zahlen der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) hervorgeht. Damit liegen die Bundesbürger mit etwa 1,1 Kilo Fleisch pro Woche zwar immer noch klar über der von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlenen Höchstmenge von 300 bis 600 Gramm Fleisch und Wurst wöchentlich – vor allem, da es sich bei der Verzehrmenge um einen statistischen Durchschnittswert handelt, der auch Vegetarier und Babies einkalkuliert. Doch der rückläufige Trend der letzten Jahre beim Fleischkonsum setzt sich weiter fort. Vor zehn Jahren verzehrte jeder noch 62,4 Kilogramm Fleisch, 2016 waren es dann nur noch 60,5 Kilo.

Das Lieblingsfleisch der Deutschen bleibt Schwein: 35,8 Kilo aß jeder Deutsche davon im Schnitt. Allerdings ist hier eine sinkende Nachfrage zu verzeichnen. 2007 kamen noch 40,52 Kilo Schweinefleisch auf die Teller. Zunehmender Beliebtheit erfreut sich hingegen Geflügelfleisch: 2017 wurden 12,4 Kilo verzehrt, während es vor zehn Jahren noch 10,7 Kilo waren. Rindfleisch steht auf dem dritten Platz mit 9,9 Kilogramm, ein Plus von 12,8% gegenüber 2007. Der Fleischverbrauch – hier sind der Nahrungsverbrauch, Futter, industrielle Verwertung und Verluste, einschließlich Knochen, einbezogen – betrug im letzten Jahr 87,69 Kilogramm und damit gut 3,5 Kilo weniger als noch vor 10 Jahren.

Während in den letzten Jahren bei sinkendem Fleischkonsum im Inland trotzdem immer mehr geschlachtet wurde, zeichnet sich auch hier eine Trendwende ab: Die Fleischproduktion ging 2017 in Deutschland auf 8,48 Millionen Tonnen zurück. 2016 waren es noch 8,72 Millionen Tonnen gewesen. Die Nettoerzeugung, die Ein- und Ausfuhren berücksichtigt, betrug 2017 rund 8,8 Millionen Tonnen und lag damit 2% unter dem Vorjahreswert von 9 Millionen Tonnen. Der Rückgang lag auch daran, dass im letzten Jahr weniger Tiere aus dem Ausland in deutschen Schlachthöfen landeten – die Einfuhrmenge sank von 898.000 Tonnen im Jahr 2016 auf 851.000 in 2017. „Die zunehmenden Auflagen und Kosten für den Umwelt- und Tierschutz lassen laut Experten kaum erwarten, dass die Tierhaltung in Deutschland in nächster Zeit expandieren wird, sodass der Produktionshöhepunkt tatsächlich vorüber zu sein scheint“, schreibt die Branchenzeitschrift „Fleischwirtschaft“.

Auch der deutsche Selbstversorgungsgrad mit Fleisch ist rückläufig: Während er in den letzten Jahren aufgrund der steigenden Produktion und des sinkenden Fleischkonsums immer weiter zunahm – 2015 wurden etwa 20% mehr Fleisch in Deutschland erzeugt als verbraucht – lag der Überschuss im letzten Jahr mit einer Verbrauchsmenge von 7,26 Millionen Tonnen nur noch bei 16%. Lediglich beim Schweinefleisch blieb der Selbstversorgungsgrad mit 120% konstant hoch: 4,9 Millionen Tonnen wurden erzeugt, aber nur 4,1 Millionen Tonnen in Deutschland gegessen. Beim Geflügelfleisch konnten hingegen nur 99% der hierzulande verzehrten Menge aus heimischer Produktion bereitgestellt werden. Überhaupt keinen Appetit hatten die Deutschen jedoch auf Innereien: Der Selbstversorgungsgrad liegt hier bei 1230% und fast alle im Inland anfallenden Innereien werden exportiert. (ab)

29.03.2018 |

Bodendegradation: Bedrohung für die Menschheit und die Artenvielfalt

Dürre
Fruchtbare Böden werden knapper (Foto: CC0)

Der Verlust fruchtbarer Böden gefährdet das Wohlergehen von 3,2 Milliarden Menschen weltweit und lässt den Planeten aufgrund des resultierenden Rückgangs der Artenvielfalt auf das sechste Massensterben zusteuern. Das ist die düstere Botschaft eines UN-Berichts, der am 26. März in Medellín, Kolumbien verabschiedet wurde. Er prognostiziert, dass Bodendegradation und Klimawandel gemeinsam bis 2050 die Ernteerträge im Schnitt 10% einbrechen lassen und bis zu 700 Millionen Menschen dazu zwingen könnten, ihre Heimat zu verlassen. Der Weltbiodiversitätsrats IPBES, ein unabhängiges zwischenstaatliches Gremium, nennt menschliche Aktivitäten, allen voran die Landwirtschaft, als Hauptursache für die Auslaugung der Böden. „Die rasche Ausweitung und nicht nachhaltige Bewirtschaftung von Acker- und Weideland ist die größte direkte Ursache für Bodendegradation und verursacht erhebliche Verluste an Artenvielfalt und Ökosystemleistungen – Ernährungssicherheit, Wasseraufbereitung, Energieversorgung und andere für den Menschen wichtige Beiträge der Natur“, betont der Rat. In vielen Teilen der Welt sei bereits ein kritisches Niveau erreicht. Die Kosten der Bodendegradation beziffern die Experten allein im Jahr 2010 auf 10% des jährlichen Bruttoinlandsprodukts der Welt durch den Verlust von Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen.

An dem von 129 IPBES-Mitgliedsstaaten abgesegneten Bericht arbeiteten mehr als 100 führende Experten aus 45 Ländern über drei Jahre lang. Er stützt sich auf mehr als 3.000 wissenschaftliche, staatliche, indigene und lokale Wissensquellen und durchlief ein umfassendes Peer-Review. Die Bodendegradation wird den Autoren zufolge angeheizt durch den konsumgeprägten Lebensstil in den reichen Ländern in Kombination mit wachsendem Konsum in Entwicklungs- und Schwellenländern. „Ein hoher und steigender Pro-Kopf-Verbrauch, verstärkt durch das anhaltende Bevölkerungswachstum in vielen Teilen der Welt, kann zu einer nicht nachhaltigen Ausweitung der Landwirtschaft, zum Abbau natürlicher Ressourcen und Rohstoffe und zu Verstädterung führen – was in der Regel Bodendegradation befördert. Acker- und Weideland bedeckt heute mehr als ein Drittel der Landfläche der Erde. Natürliche Lebensräume wie Wälder, Wiesen und Feuchtgebiete wurden dafür gerodet, gerade in den artenreichsten Ökosystemen der Erde. Bis 2014 wurden mehr als 1,5 Milliarden Hektar natürliche Ökosysteme in Ackerland umgewandelt. „Feuchtgebiete hat es besonders stark getroffen“, sagte Dr. Luca Montanarella, der Ko-Präsident des Berichts. „Seit Beginn der Neuzeit sind 87% der Feuchtgebiete verlorengegangen – davon 54% seit 1900.

Der Bericht folgert, dass Bodendegradation wesentlich zum Klimawandel beiträgt. Allein die Entwaldung steuert 10% aller vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen bei. Ein anderer Faktor ist die Freisetzung von Bodenkohlenstoff: Auf das Konto der Bodendegradation gehen jährliche Emissionen von bis zu 4,4 Milliarden Tonnen CO2 weltweit zwischen 2000 und 2009. Dabei könnten Böden aufgrund ihrer Eigenschaft als Kohlenstoffspeicher einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels leisten. Laut den Autoren könnte durch Vermeidung, Verringerung und Umkehrung von Bodendegradation bis 2030 mehr als ein Drittel der Treibhausgasemissionen eingespart werden, die verhindert werden müssen, um die globale Erwärmung auf unter 2°C zu begrenzen. „Bodendegradation, Biodiversitätsverlust und Klimawandel sind drei verschiedene Gesichter der gleichen zentralen Herausforderung: die zunehmend gefährliche Auswirkung unserer Entscheidungen auf die Intaktheit der natürlichen Umwelt“, sagte IPBES-Chef Robert Watson, der auch Direktor des Weltagrarberichts war. „Wir können es uns nicht leisten, diese Bedrohungen isoliert anzugehen – jede einzelne erfordert höchste Priorität und sie müssen zusammen angegangen werden.“

Der Bericht enthält Empfehlungen für den Kampf gegen den Bodenverlust. Nötig seien politische, zwischen den unterschiedlichen Ministerien koordinierte Maßnahmen zur Förderung nachhaltigerer Praktiken des Konsums und der Produktion land-basierte Rohstoffen. Die Autoren raten zur Abschaffung „perverser Anreize“, die Landdegradierung anheizen und im Gegenzug zur Förderung positiver Anreize, die nachhaltiges Landmanagement belohnen: In jedem Ökosystem gebe es Erfolgsbeispiele für Renaturierung und es gebe viele erprobte Praktiken und Techniken, sowohl traditionelle als auch moderne, um die Auslaugung der Böden zu vermeiden und umzukehren. Optionen für Ackerflächen seien z.B. die Reduzierung von Bodenverlust und die Verbesserung der Bodengesundheit, die Nutzung salzresistenter Pflanzen, bodenschonende Landwirtschaft und integrierte Systeme mit Ackerbau, Tierhaltung und Forstwirtschaft. Verbraucher könnten das Vordringen der Landwirtschaft in natürlich Lebensräume vermeiden durch die Umstellung auf Ernährungsweisen, die Böden weniger auslaugen, wie eine Ernährung mit mehr pflanzlichen Lebensmitteln und weniger tierischem Eiweiß aus nicht nachhaltigen Quellen, sowie eine Reduzierung von Lebensmittelverlusten und -verschwendung. „Der Einsatz des ganzen Werkzeugkastens an bewährten Methoden, um Bodendegradation zu stoppen und umzukehren, ist nicht nur nötig, um Ernährungssicherheit zu gewährleisten, den Klimawandel zu reduzieren und die Artenvielfalt zu bewahren“, sagte Dr. Montanarella. „Es ist auch aus wirtschaftlicher Sicht vernünftig und zunehmend dringlich. (ab)

22.03.2018 |

UN für naturbasierte Wasserbewirtschaftung in der Landwirtschaft

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Tröpfchenbewässerung (Foto: ICRISAT, bit.ly/1_CC_BY-NC_2-0, bit.ly/ICRISAT)

Die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Gebieten, die von Wassermangel bedroht sind und der Klimawandel wird Konflikte um Wasser verschärfen. Doch Maßnahmen wie Wiederaufforstung, der Schutz von Feuchtgebieten und eine effizientere Wassernutzung in der Landwirtschaft können die Wasserversorgung und -qualität verbessern, lautet die Botschaft des UN-Weltwasserberichts 2018. Rund 3,6 Milliarden Menschen und damit 51% der Weltbevölkerung leben in Gebieten, in denen mindestens einen Monat im Jahr Wasserknappheit herrscht. 2050 könnten es bereits bis zu 5,7 Milliarden Menschen sein. Der Klimawandel wird den globalen Wasserkreislauf weiter verändern: Feuchte Regionen werden in der Regel feuchter und trockene Gebiete noch trockener. Zugleich steigt die globale Nachfrage nach Wasser, in letzter Zeit um etwa 1% pro Jahr – Tendenz steigend. Als Gründe führt der Bericht das Bevölkerungswachstum, wirtschaftliche Entwicklung und veränderte Konsummuster an. „Der Wasserbedarf von Haushalten und Industrie wird dabei voraussichtlich deutlich schneller steigen als der der Landwirtschaft, auch wenn die Landwirtschaft größter Nutzer bleiben wird“, so die Prognose.

Wenn wir so weiter machen wie bisher, drohen akuter Wassermangel und Konflikte ums Wasser, warnt der Bericht und fordert eine nachhaltige Wasserbewirtschaftung. Sein Schlagwort lautet „naturbasierte Lösungen“ – Formen der Wasserbewirtschaftung, die von der Natur inspiriert und unterstützt sind. Dazu gehören etwa der Erhalt und die Renaturierung von Ökosystemen. Doch um die ist es schlecht bestellt: „Zwar sind etwa 30% der weltweiten Landfläche noch bewaldet, doch mindestens zwei Drittel dieser Fläche ist in einem degradierten Zustand. Der Großteil der Böden weltweit, insbesondere der landwirtschaftlich genutzten, befindet sich in mittelmäßigem, schlechtem oder sehr schlechtem Zustand“, schreiben die Autoren. Das hat fatale Folgen für den Wasserkreislauf, da mehr Wasser verdunstet, weniger im Boden gespeichert wird und mehr Wasser an der Oberfläche abfließt. Die Erosion nimmt zu. Naturbasierte Lösungen in der Landwirtschaft könnten dies umkehren.

Die Landwirtschaft muss Ressourcen, vor allem Wasser, effizienter nutzen und ihren ökologischen Fußabdruck reduzieren, fordert der Bericht. Die Lösung sei eine ökologisch nachhaltige Produktion von Nahrungsmitteln: „Sie verbessert Ökosystemleistungen in Agrarlandschaften, etwa durch ein effizienteres Boden- und Vegetationsmanagement.“ Bodenstörungen müssten reduziert, die Bodenbedeckung erhalten und Fruchtfolgen eingehalten werden. Das wirke sich auch positiv auf den Ertrag aus: Umweltfreundlichere Verfahren der Wasserbewirtschaftung könnten die weltweite Agrarproduktion um etwa 20% erhöhen, schätzt der Bericht. „Landwirtschaftliche Systeme, welche Ökosystemleistungen erhalten oder wiederherstellen, können ebenso produktiv sein wie intensive Systeme mit hohem Einsatz“, betont er und verweist auf eine Analyse von Agrarförderprojekten in 57 einkommensschwachen Ländern: Diese ergab, dass die Erträge im Schnitt um 79% stiegen, wenn Wasser effizienter genutzt wird, weniger Pestizide zum Einsatz kommen und die Bodenbedeckung verbessert wird. So konnte etwa in Indien im Bundesstaat Rajasthan nach einer schweren Dürre 1986 durch gezielte Wiederaufforstung und Bodenbearbeitung der Grundwasserspiegel um mehrere Meter angehoben und die landwirtschaftliche Produktivität verbessert werden.

Die UN sieht enormes Potenzial in regengespeisten Systemen: „Diese machen den Großteil der derzeitigen Landwirtschaft und gerade der Kleinbetriebe aus und bieten somit den größten Nutzen mit Blick auf Lebensunterhalt und Armutsbekämpfung. Zumindest aus theoretischer Perspektive übersteigen die mit ihnen weltweit realisierbaren Erträge den prognostizierten Anstieg der globalen Wassernachfrage und verringern damit möglicherweise Konflikte zwischen konkurrierenden Nutzungen“, schreiben die Experten. Doch naturbasierte Lösungen würden noch viel zu selten eingesetzt, da die Rahmenbedingungen fehlten. Diese könnten zum Beispiel geschaffen werden durch Zahlungen für Umweltdienstleistungen: Diese böten monetäre und nichtmonetäre Anreize für Gemeinden, Landwirte und Landbesitzer, natürliche Ökosysteme wiederherzustellen, zu schützen und zu erhalten sowie nachhaltige landwirtschaftliche und andere Landnutzungspraktiken einzuführen. Vorteile für die Allgemeinheit wären etwa Hochwasserschutz, Erosionskontrolle und geringere Kosten für die Wasseraufbereitung. Eine Umgestaltung der Agrarpolitik sei nötig: „Dafür muss die gängige Praxis überwunden werden, dass die meisten Agrarsubventionen und wahrscheinlich der Großteil der öffentlichen Mittel sowie fast alle privaten Investitionen in landwirtschaftliche Forschung und Entwicklung darauf ausgerichtet sind, die Intensivierung der konventionellen Landwirtschaft zu fördern, welche die Wasserunsicherheit erhöht“, so die Autoren. (ab)

20.03.2018 |

Agrarexporte: Verbindliche Regeln gegen den Ausverkauf von Wasser gefordert

Soja
Der Sojaanbau in Brasilien verschlingt Unmengen an Wasser (Foto: CC0)

Der hohe Wasserverbrauch für Agrargüter, die Deutschland und die EU importieren, führt teils zu Armut und Vertreibung in den Ländern des Globalen Südens. Darauf macht das evangelische Hilfswerk Brot für die Welt im Vorfeld des Weltwassertages am 22. März aufmerksam und fordert verbindliche Regeln gegen den Ausverkauf von Wasser und einen nachhaltigen Umgang mit den globalen Wasserressourcen. Die Landwirtschaft ist für 70% der weltweiten Wasserentnahmen verantwortlich. Um die wachsende Weltmarktnachfrage nach Soja für die Fleischindustrie, Zuckerrohr für Biosprit, Baumwolle und Kaffee zu stillen, fließen enorme Wassermengen auf der Südhalbkugel ganzjährig in künstliche Bewässerung. Der intensive Düngemittel- und Pestizideinsatz belastet zudem die Wasserqualität. In vielen Regionen nimmt die Wasserknappheit zu, da die industrielle Landwirtschaft an den Wasserreserven zehrt. Aber auch die voranschreitende Urbanisierung und immer häufigere Dürren infolge des Klimawandels lassen das kostbare Gut knapp werden. „Heute tragen die Länder der Nordhalbkugel vor allem über den Agrarimport und die Ausweitung der intensiven Bewässerungslandwirtschaft erheblich zur Verschwendung und Aufzehrung wertvoller Süßwasserressourcen bei. Das muss sich ändern, gerade in sensiblen Regionen mit Wasserstress, wo mehr Wasser entnommen wird, als sich erneuert“, sagte Andrea Müller-Frank, Referentin für das Recht auf Nahrung bei Brot für die Welt.

Ein Beispiel für den enormen Wasserverbrauch für die Exportlandwirtschaft ist Brasilien, wo gerade vom 18. bis 22. März das Internationale Wasserforum abgehalten wird. Während sich dort Ministerien und multilaterale Organisationen, Wissenschaftler und die Privatwirtschaft versammeln, debattieren Kirchen, NGOs, Indigenengruppen und soziale Bewegungen beim Parallelforum Probleme wie die Privatisierung der staatlichen Wasserversorgung und Wasserknappheit. Brasilien exportiert Unmengen an Rindfleisch, Sojabohnen, Zucker, Kaffee, Baumwolle und andere Agrargüter. Nach Angaben der UNESCO verschlingt die Produktion dieser für den Export bestimmten Erzeugnisse jedes Jahr 112 Billionen Liter Süßwasser – genug, um 45 Millionen olympische Schwimmbecken zu füllen. „Eine der heftigsten indirekten Auswirkungen ist das Austrocknen vieler Flüsse und Bäche, wodurch sich die hydrographische Karte drastisch verändert. Dies ist oft unumkehrbar und verantwortlich dafür, dass viele Gemeinden nicht mehr mit Wasser versorgt werden“, sagte Bruno Pilon von der Kleinbauernbewegung Movimento dos Pequenos Agricultores. Er ist der Ansicht, dass dieses Produktionsmodell zum Scheitern verurteilt ist, da es unter anderem die Desertifikation der Böden beschleunigt. „Es ist sehr widersprüchlich, in einem Land mit den größten Wasserreserven der Welt zu leben, während dieses Produktionsmodell uns den Zugang dazu beschränkt“, kritisiert Pilon.

„Besonders stark von Wasserknappheit betroffen sind Kleinbauern. Ihre Existenz hängt davon ab, dass sie genügend Wasser bekommen“, betont auch Andrea Müller-Frank. Brot für die Welt fordert eine bessere zwischenstaatliche Zusammenarbeit in Wasser- und Ernährungsfragen. „Der Zugang zu Wasser muss international gerechter geregelt werden, um die lokale Versorgung mit Trinkwasser und damit die Ernährung langfristig zu sichern“, so Müller-Frank. Brot für die Welt sieht die internationale Gemeinschaft in der Pflicht, verbindliche Regeln zur Reduzierung des Wasserverbrauchs insbesondere in den Agrarlieferketten aufstellen. „Die Versorgung der lokalen Bevölkerung muss Vorrang haben vor der Wassernutzung für Exportgüter“, fordert Müller-Frank. (ab)

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