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07.01.2019 |

Supermärkte in Tschechien müssen nicht verkaufte Lebensmittel spenden

Supermarkt
Vernichten verboten! (Foto: CC0)

Große Supermärkte in Tschechien müssen unverkaufte Ware kostenlos an Lebensmittelbanken abgeben. Das entschied das Verfassungsgericht in Brünn Anfang Januar und wies damit den Einspruch einer Gruppe von Senatoren ab. Diese hatten gegen eine 2018 in Kraft getretene Änderung des Lebensmittelgesetzes geklagt, wonach Supermärkte mit einer Verkaufsfläche von mehr als 400 Quadratmetern unverkaufte aber noch genießbare Lebensmittel an Tafeln abgeben müssen, die diese dann an Bedürftige verteilen. Der Gesetzeszusatz bezieht sich vor allem auf Produkte mit beschädigter Verpackung oder fehlerhafter Etikettierung sowie auf Lebensmittel, die mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum versehen sind. Bei Zuwiderhandlung droht eine Geldstrafe bis umgerechnet 390 000 Euro. Die Abgabepflicht trifft aufgrund der Mindestverkaufsfläche vor allem Ketten wie Kaufland, die niederländische Ahold, die britische Tesco-Gruppe sowie Lidl und Penny.

Gegen das Gesetz hatte eine Gruppe von 25 Mitgliedern des tschechischen Oberhauses um den Unternehmer Ivo Valenta geklagt, die argumentierten, die Änderung sei nicht verfassungsmäßig, da sie eine Form der Besteuerung darstelle und einem Enteignungsverfahren kommunistischer Art gleichkomme: „Mit dem Gesetz hat der Staat erstmals Eigentümern angeordnet, ihr Eigentum jemandem anderen zu geben. Das ist nichts anderes als ein unfreiwilliges, erzwungenes Geschenk“, teilte Valenta mit. Die Richter hielten dagegen und verwiesen auf die tschechische Grundrechte-Charta, in der es heißt, dass Eigentum verpflichte. Das Gericht betonte, das Gesetz sei Teil von internationalen Bemühungen, die Lebensmittelverschwendung zu bekämpfen, das Ausmaß der Verschwendung zu begrenzen, die Umwelt zu schützen und sozial Benachteiligten zu helfen.

Marian Jurečka, der Landwirtschaftsminister war, als das Gesetz in Kraft trat, teilte auf Twitter mit, das Gesetz helfe mehr als 100.000 Menschen in Tschechien. Auch Veronika Láchová vom Verband der tschechischen Lebensmittelbanken begrüßte die Entscheidung der Richter: „Ich betrachte dies als Sieg der Vernunft über die Bürokratie. Unseren Daten nach ersparen wir den Handelsketten pro Quartal Kosten von mehreren Hunderttausend Kronen für die Vernichtung dieser Lebensmittel. Manche Einzelhandelsketten haben das schon gewusst, bevor der Staat die Abgabe zur Pflicht gemacht hat. Weitere haben das dann sehr schnell ebenfalls festgestellt“, so die Verbandssprecherin. Tschechien ist nicht das einzige Land, das Supermärkten untersagt, nicht verkaufte Lebensmittel zu entsorgen. In Frankreich gibt es bereits seit 2016 ein entsprechendes Gesetz, das Supermärkte verpflichtet, Lebensmittel an Hilfsorganisationen zu spenden. (ab)

03.01.2019 |

Kaufpreise für Agrarland in der BRD stiegen seit 2007 um 161%

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Die Kaufpreise für Agrarflächen explodieren (Foto: CC0)

Die Preise für Agrarland in Deutschland explodieren förmlich – seit 2010 haben sich die Kaufpreise mehr als verdoppelt. War damals ein Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche noch für 11.854 Euro zu haben, lag 2017 der Preis im Bundesdurchschnitt bereits bei 24.064 Euro. Das geht aus dem Mitte Dezember vom Deutschen Bauernverband veröffentlichten Situationsbericht 2018/19 hervor, der sich auf die aktuellsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes zu Kaufwerten für landwirtschaftliche Grundstücke stützt und diese in Grafiken aufbereitet. Diese Statistik wiederum beruht auf Angaben der Finanzämter oder der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte und erfasst Verkäufe von landwirtschaftlichen Grundstücken mit einer landwirtschaftlichen Nutzung von mindestens 0,1 Hektar. Im Vergleich zu 2016 betrug der Anstieg der Kaufpreise deutschlandweit satte 8 Prozent – mit 13,1% zogen die Preise in den neuen Bundesländern deutlich stärker an als im früheren Bundesgebiet mit 8,9%.

Am teuersten ist der Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche in Bayern: Käufer mussten für eine Hektar mit im Schnitt 60.864 Euro tief in die Tasche greifen. Auf den Plätzen folgten Nordrhein Westfalen mit 48.085 Euro und Niedersachen mit 33.497 Euro. Am „günstigsten“ ist ein Hektar Agrarland noch im Saarland zu haben (9.676 Euro); es folgen Thüringen (10.522 Euro) und Brandenburg (11.372). Die größten Preissteigerungen im Vergleich zum Vorjahr 2016 gab es in Bayern: Dort kletterte der Hektarpreis um 17%, während es in Sachsen-Anhalt 14,2% waren. Nur Sachsen und Schleswig-Holstein stemmten sich gegen den Trend: Die Kaufpreise sanken dort jeweils um 1,4% bzw. 0,8%.

Noch deutlicher wird die aktuelle Preisexplosion, wenn man vergleicht, wie sich der Preisanstieg für einen Hektar Agrarland im letzten Jahrzehnt entwickelte. So stiegen seither die Agrarlandpreise im Bundesdurchschnitt um 161%. Während im früheren Bundesgebiet der Anstieg mit 116% geringer ausfiel, da sich die Preise schon auf einem hohen Niveau befanden, verteuerte sich der Hektar in den neuen Bundesländern aufgrund niedrigerer Ausgangswerte um 278%. Besonders extrem war die Bodenpreisdynamik in Mecklenburg Vorpommern mit einem Plus von 349% und Brandenburg mit 276%. Waren der Hektar im Jahr 2007 noch für 4.862 bzw. 3.024 Euro zu haben, mussten Landwirte 2017 bereits 21.822 bzw. 11.372 Euro auf den Tisch legen. (ab)

28.12.2018 |

Mehr Energie vom Acker schadet der Artenvielfalt

Mis
Noch mehr Maiswüsten würden der Artenvielfalt schaden (Foto: CC0)

Die Ausweitung des Anbaus von Energiepflanzen würde der Artenvielfalt genauso schaden wie der Klimawandel. Das ist das Ergebnis einer Studie von Forschern der Technischen Universität München (TUM) und der Durham University, die im Fachblatt PNAS erschienen ist. Das Vorhaben, den Klimawandel zu begrenzen, indem Energie aus nachwachsenden Rohstoffen wie Mais, Raps, Ölpalme und Co. statt aus fossilen Rohstoffen gewonnen wird, sei ein „Holzweg“ und gefährde die Lebensräume von Wirbeltieren in gleichem Maße wie der Klimawandel. „Um den Klimawandel damit wirksam zu begrenzen, müssen wir bis 2100 auf circa 4,3 Prozent der globalen Landflächen Bioenergie-Pflanzen anbauen – das entspricht fast der 1,5-fachen Fläche aller EU-Länder zusammen. Damit schaden wir der biologischen Vielfalt, die in diesen Gebieten bisher zuhause ist, gravierend“, sagte Dr. Christian Hof, der am Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum Frankfurt forschte. „Die negativen Auswirkungen des Klimawandels, die mit maximaler Bioenergie-Nutzung verhindert werden könnten, werden diese Verluste nicht wettmachen.“

Die Studie richtet den Fokus auf die biologische Vielfalt und untersuchte auf globaler Ebene, wie Amphibien, Vögel und Säugetiere den Klima- und den Landnutzungswandel bis 2100 zu spüren bekommen. Die Forscher verglichen zwei Szenarien – eines mit maximaler Bioenergie-Nutzung, um die Erderwärmung auf etwa 1,5 Grad zu begrenzen, und ein Szenario mit minimaler Bioenergie-Nutzung, das bis 2100 einen Temperaturanstieg um etwa 3 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitraum mit sich bringen würde. Das Ergebnis: Bei beiden Szenarien sind rund 36% der Lebensräume von Wirbeltieren entweder durch den Klimawandel oder die neue Landnutzung infolge des Anbaus von Bioenergie-Pflanzen massiv gefährdet. „Die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt sind also vergleichbar. Unterschiedlich ist nur, auf wessen Konto sie gehen“, erklärt Dr. Alke Voskamp vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum. Außerdem gebe es Gebiete, in denen Wirbeltieren von einer Doppelbelastung bedroht seien, da sie sowohl unter Energiepflanzen-Plantagen als auch höheren Temperaturen zu leiden hätten. „Bei einem geringeren Temperaturanstieg bis 1,5 Grad, den wir durch die maximale Nutzung von Bioenergie erkaufen, könnten sogar größere Flächen unter dieser Doppelbelastung leiden“, so Voskamp.

„Obwohl die Auswirkungen der Ausweitung von Anbauflächen für Bioenergiepflanzen auf die Biodiversität von einer Vielzahl an Faktoren abhängen, wie der regionale Kontext, der Standort, der vorige Lebensraum sowie die Art des Energiepflanzenanbaus, zeigte sich, dass die Folgen an verschiedenen Orten negativ waren“, schreiben die Autoren. Sie räumten zwar ein, dass ihre Studie nur generelle Trends darlegen und für bestimmte Arten oder Standorte keine Aussagen treffen könne, doch sie zeige, dass die massive Ausweitung der Anbauflächen für Energiepflanzen der falsche Weg sei. „Der Klimawandel ist nach wie vor eine der größten Bedrohungen für die biologische Vielfalt und muss möglichst auf 1,5 Grad Temperaturerhöhung begrenzt werden“, sagt Hof. Doch dafür gebe es nur einen unbequemen Weg: Statt auf andere Formen der Energiegewinnung auszuweichen sei es notwendig, Energie einzusparen. „Unsere Studie fordert eine sofortige und signifikante Verringerung des Energieverbrauchs – zugunsten der Artenvielfalt und zur Erreichung der Ziele des Abkommens von Paris“, schreiben die Wissenschaftler im Abstract. (ab)

18.12.2018 |

UN-Generalversammlung sagt Ja zur Kleinbauernerklärung

Bauer
Kleinbauern ernähren die Welt (Foto: CC0)

Die UN-Erklärung für die Rechte von Kleinbauern und -bäuerinnen und anderen Menschen, die in ländlichen Regionen arbeiten, hat die allerletzte Hürde genommen: Am 17. Dezember wurde sie vom Plenum der UN-Vollversammlung in New York offiziell verabschiedet. Eine deutliche Mehrheit von 121 Staaten stimmte für die Resolution Nr. A/C.3/73/L30, bei acht Gegenstimmen und 54 Enthaltungen. Deutschland gehörte zu den Staaten, die sich der Stimme enthielten. Die UN-Erklärung stärkt die Rechte ländlicher Bevölkerungsgruppen, die weltweit zunehmend diskriminiert und kriminalisiert werden, und hält individuelle und kollektive Rechte von Kleinbauern fest, darunter das Recht auf Land, Saatgut und Wasser. Vorausgegangen waren jahrelange Verhandlungen, seit 2012 war der Text dann von einer Arbeitsgruppe des UN-Menschenrechtsrats unter dem Vorsitz von Bolivien erarbeitet worden. Im November hatte sich bei der Abstimmung im 3. Ausschuss der UN-Vollversammlung bereits eine Mehrheit für die Erklärung ausgesprochen.

Nichtregierungs-, Bauern- und Menschenrechtsorganisationen weltweit begrüßten die Annahme. Die UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet betonte die Bedeutung der Erklärung für den Schutz von Kleinbauern angesichts der schwierigen Lage, in der sie sich vielerorts befinden. „Kleinbauern und andere Menschen, die in ländlichen Gebieten leben, leiden besonders unter den Folgen des Klimawandels und von Umweltzerstörungen“, sagte sie am Dienstag. Kleinbauern rund um den Globus ernähren die Welt, doch die Wahrnehmung ihrer Menschenrechte, einschließlich ihres Rechts auf Nahrung, sei zunehmend in Gefahr. „Ich hoffe, dass diese Erklärung dazu dienen wird, dass sich Staaten auf allen Ebenen dazu verpflichten, die Rechte und die Würde von Kleinbauern und anderen Menschen in ländlichen Gebieten zu wahren und zu schützen. Diese spielen eine wichtige Rolle bei der Bewahrung unserer Kultur, Umwelt, unserer Lebensgrundlagen und Traditionen und dürfen bei der Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung nicht zurückgelassen werden“, fügte Bachelet hinzu.

Die Verabschiedung wurde auch von einem Bündnis aus 19 deutschen und internationalen Bauern-, Menschenrechts- und Entwicklungsorganisationen gefeiert. „Die Annahme der UN-Bauernrechteerklärung ist ein wichtiger Tag für die Menschenrechte. Sie fasst zum ersten Mal die Rechte von Kleinbauern und anderen Menschen, die in ländlichen Gebieten arbeiten, in einem Menschenrechtsinstrument zusammen und stellt sie so unter besonderen Schutz“, erklärte Jan Urhahn vom entwicklungspolitischen INKOTA-netzwerk. Dies sei besonders wichtig, da der Kampf um schwindende Ressourcen wie Land und Wasser sich verschärft habe und die Vielfalt von Saatgut durch die zunehmende Kommerzialisierung von wenigen Hochertragssorten und deren Eigentumsschutz bedroht werde. Paula Gioia von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und der Europäischen Koordination von Via Campesina betonte, dass die Erklärung ein wichtiges Instrument sei, denn sie gebe Staaten Leitlinien an die Hand, mit denen sie nationale Gesetze nun entlang der Rechte und Bedürfnisse von kleinbäuerlichen Erzeugern ausrichten können.

Kritik übten die Organisationen an der Bundesregierung, die sich sowohl am Montag als auch bei der Abstimmung im November und im UN- Menschenrechtsrat im September enthalten hatte. Das Bündnis mahnte, dass nun auch die Bundesregierung verpflichtet sei, sich zur Erklärung zu bekennen und sie umzusetzen. „Sie muss sich vor dem UN-Menschenrechtsrat klar zur Erklärung bekennen und einen Prozess einleiten, um die in der Erklärung definierten Rechte umzusetzen“, forderte Marion Aberle von der Welthungerhilfe. Damit die Umsetzung vorankommt, werden die Organisationen sicherlich hartnäckig am Ball bleiben. „Die schwierigen Verhandlungen haben gezeigt, dass sich ohne den Druck bäuerlicher Bewegungen weltweit und weiterer zivilgesellschaftlicher Organisationen wenig bewegt. Wir werden uns mit langem Atem für deren Umsetzung starkmachen“, erklärte Gioia. (ab)

10.12.2018 |

Rote Liste: Nährstoffbelastung gefährdet Wildpflanzen

Kornrade
Kornrade - hat die Kurve gekriegt, aber ist immer noch stark gefährdet (Foto: CC0)

Fast ein Drittel der Wildpflanzen in Deutschland ist im Bestand gefährdet – als eine der Hauptursachen gilt die hohe Nährstoffbelastung durch Düngemittel in der Landwirtschaft. Das ist das Ergebnis der aktuellen Roten Liste der Pflanzen, die das Bundesamt für Naturschutz (BfN) am 5. Dezember 2018 in Berlin vorstellte. Diese ermittelt die Bestandssituation und das Ausmaß der Gefährdung für insgesamt 8.650 in Deutschland heimische Farn- und Blütenpflanzen, Moose und Algen und untersucht sowohl lang- als auch kurzfristige Bestandstrends. Im Verlauf der letzten etwa 150 Jahre sind hierzulande 119 Pflanzenarten ausgestorben oder verschollen – mit so klangvollen Namen wie Alpen-Klappertopf oder Zwerg-Rohrkolben. Betroffen waren überwiegend Arten, die in nährstoffarmen Gewässern oder Standorten auftraten, wie das Biegsame Nixkraut oder die Dickblättrige Sternmiere, sowie um früher verbreitete Ackerwildkräuter, wie der Tataren-Buchweizen oder die Bittere Schleifenblume. „Pflanzen nehmen eine ganz elementare Rolle in den Ökosystemen ein. Ein Rückgang ihrer Artenvielfalt wirkt sich deshalb stets auch auf die große Vielfalt anderer Organismengruppen negativ aus“, warnte BfN-Präsidentin Prof. Beate Jessel anlässlich der Vorstellung des 784-Seiten-Berichts - der siebte Band in der Reihe.

Die Rote Liste belegt, dass insgesamt 30,8% aller in Deutschland vorkommenden Pflanzen in ihrem Bestand gefährdet sind. „Bei der artenreichsten Pflanzengruppe, den Farn- und Blütenpflanzen, sind insgesamt 27,5% in ihrem Bestand gefährdet und damit entweder vom Aussterben bedroht oder in unterschiedlichem Ausmaß gefährdet“, erklärte der Botaniker Dr. Günter Matzke-Hajek, ehrenamtlicher Autor der Roten Liste der Farn- und Blütenpflanzen, die 4.305 Arten umfasst. Am höchsten war der Anteil bestandsgefährdeter Pflanzen in der Gruppe der Zieralgen mit 51,2% und am geringsten bei den Schlauchalgen mit 13,3%. Für den Rückgang von fast der Hälfte der Rote-Liste-Arten sind Standortveränderungen durch Nährstoffeintrag die wesentliche Ursache. „Auffallend viele vom Aussterben bedrohte oder stark gefährdete Arten finden sich unter den typischen Arten nährstoffarmer Gewässer und anderer nährstoffarmer Standorte wie Moore, Heiden oder Extensiväcker“, sagte die BfN-Präsidentin. Ein zu hoher Nährstoffeintrag lässt nicht nur die Bestände von Wasserpflanzen wie Igel-Schlauch und Wasser-Lobelie schwinden, sondern auch Arten des Magerrasens und der Heiden, zum Beispiel die Wiesen-Küchenschelle und das Katzenpfötchen. „Unter den auf landwirtschaftlichen Flächen in der Agrarlandschaft vorkommenden Wildarten sind besonders Ackerwildkräuter durch die Intensivierung der Landwirtschaft (Herbizideinsatz, Düngung) gefährdet“, betont das BfN.

Es gibt jedoch auch positive Nachrichten, gerade was kurzfristige Bestandstrends in den letzten 10 bis 25 Jahren anbelangt. „Erfreulich entwickelt haben sich die Bestände einiger Moos- und Algenarten. Erfolge wurden hier vor allem durch Maßnahmen des technischen Umweltschutzes erzielt. Dadurch haben bei den Moosen vor allem die auf Bäumen wachsenden Arten von einer verbesserten Luftqualität, etwa durch geringere Schwefelimmissionen profitiert“, vermeldet das BfN. Auch bei 327 Farn- und Blütenpflanzen, die in den letzten 100 bis 150 Jahren zurückgingen, konnte eine weitere Abnahme in den letzten rund 20 Jahren aufgehalten und bei 18 Arten sogar umgekehrt werden. Das sei oft gezielten Artenhilfsmaßnahmen wie Ackerrandstreifen oder der Einrichtung von Schutzäckern zu verdanken. Dadurch konnten etwa die stark bedrohten Bestände der Kornrade oder der Dicken Trespe, beides früher typische Begleitpflanzen in Getreidekulturen, verbessert werden. „Gezielte Hilfsprogramme des Naturschutzes für einzelne Arten weisen zwar gute Erfolge auf, sie können aber nur die Ultima ratio sein“, sagte Jessel. Um den Artenrückgang auf breiter Front aufzuhalten, müsse auf Ebene der Landschaft, bei einer naturverträglichen Landwirtschaft und bei einer umfassenden Verbesserung der Gewässer angesetzt werden. „Die Rote Liste unterstreicht daher einmal mehr, dass ein Umsteuern in der Landwirtschaft und in der Agrarpolitik dringend erforderlich ist. Denn die zunehmende Nährstoffbelastung gefährdet immer mehr Wildpflanzen in Deutschland – sowohl an Land als auch im Wasser“, so Jessel. (ab)

07.12.2018 |

Thünen-Bericht: Böden in Deutschland droht Humusverlust

Boden
Humusreicher Boden (Foto: NRCS, CC BY 2.0, bit.ly/4_CC_BY_2-0, flickr: bit.ly/NRCS_HS2)

Humus fördert die Bodenfruchtbarkeit und die Erträge, verbessert die Wasserspeicherung und mindert die Erosionsanfälligkeit von Böden. Humus in Böden ist weltweit der größte terrestrische Speicher für organischen Kohlenstoff. Doch die erste „Bodenzustandserhebung Landwirtschaft“ zeigt, dass in Deutschland in den nächsten 10 Jahren im Schnitt 0,21 Tonnen organischer Kohlenstoff pro Hektar Ackerland und Jahr im Oberboden verloren gehen könnten, wenn sich an der Bewirtschaftung nichts ändert. Für den vom Thünen-Institut am Mittwoch veröffentlichten Bericht nahmen Wissenschaftler zwischen 2012 und 2018 in ganz Deutschland mehr als 120.000 Bodenproben und analysierten diese. Über die Karte des Landes wurden Raster mit einer Ausdehnung von acht Kilometern gezogen. An 3104 Beprobungspunkten wurden die Sauerstoffversorgung, Humusbildung und organische Kohlenstoffvorräte gemessen. Die Ergebnisse zeigen, dass im obersten Meter landwirtschaftlich genutzter Böden hierzulande insgesamt rund 2,5 Milliarden Tonnen Kohlenstoff gespeichert sind. Das ist mehr als doppelt so viel, wie derzeit in allen Bäumen (inklusive Totholz) in deutschen Wäldern bevorratet ist. Die Wald- und Agrarökosysteme speichern zusammen so viel organischen Kohlenstoff, wie Deutschland beim derzeitigen Emissionsniveau in 23 Jahren als CO2 emittiert.

Doch die Humusvorräte drohen zu schwinden, wie die Thünen-Wissenschaftler anhand von fünf Bodenkohlenstoffmodellen ermittelten, in die sie ihre Messergebnisse eingaben. „Für einen Zehnjahreszeitraum und bei langfristig gleich bleibenden Bewirtschaftungs- und Klimabedingungen“ prognostizieren sie einen Verlust an organischem Kohlenstoff in Höhe von -0,21 Tonnen organischem Kohlenstoff pro Hektar und Jahr. Die mittleren modellierten Verluste von organischem Kohlenstoff aus Oberböden unter Ackernutzung fallen in den neuen Bundesländern mit -0,27 Tonnen je Hektar und Jahr deutlich höher aus als in der Region Nord mit einem Wert von -0,22 bzw. Süd mit nur -0,09. Böden, die einen geringen Eintrag an organischem Kohlenstoff durch Pflanzenreste und organische Dünger erhalten, wiesen im Modell ein erhöhtes Risiko für eine Abnahme der Vorräte auf, heißt es weiter. „Humus wird ja gebildet aus Biomasse, die in den Boden reinkommt: Stroh, Wurzelreste, Erntereste, Kompost, organischer Dünger wie Gülle oder Stallmist“, erklärt Axel Don, Leiter der Abteilung für Agrarklimaschutz des Thünen-Instituts, der taz. „Davon bleibt einfach weniger auf dem Acker, wenn man zum Beispiel Stroh abfährt und energetisch nutzt.“ Zudem würden Landwirte schon in ihren Fruchtfolgen weniger Kleegras und Luzerne anbauen, deren Wurzeln tief in den Boden eindringen und nach der Ernte zu Humus werden können. „Luzerne gibt es quasi nur noch bei Ökobauern. Und Luzerne ist einfach eine Kulturart, die unheimlich wichtig ist für den Humusaufbau.“

Der Bericht nennt Maßnahmen, mit denen es gelingen kann, die vorhandenen Humusvorräte nachhaltig zu sichern und den Humusaufbau zu fördern. Eine davon ist der Erhalt von Dauergrünland, denn dieses speichert mit durchschnittlich 200 Tonnen pro Hektar doppelt so viel Kohlenstoff wie Böden unter Ackernutzung mit 101 Tonnen je Hektar. „Auch die gezielte Umwandlung von Acker in Dauergrünland, beispielsweise als Maßnahme für den Gewässer- und Erosionsschutz, kann durch Humusaufbau einen zusätzlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten“, schreiben die Autoren. Zudem könne der Humusaufbau auf dem Acker über den Eintrag von Pflanzenresten gefördert werden. Die wichtigsten Maßnahmen seien „der Anbau von Zwischenfrüchten und Untersaaten (Gründüngung) für eine möglichst ganzjährige Begrünung des Bodens, der Anbau mehrjähriger Kulturen wie z. B. Kleegras sowie der Verbleib von Ernteresten auf dem Acker.“ Den Autoren zufolge können durch langjährigen Zwischenfruchtanbau die Vorräte an organischem Kohlenstoff in Ackerböden in 20 Jahren im Mittel um 8 Tonnen organischen Kohlenstoff im Oberboden gesteigert werden.

Auch die organische Düngung mit z. B. Mist, Gülle oder Gärresten beeinflusse die Menge an organischem Kohlenstoff, die zum Humusaufbau zur Verfügung stehe. Organische Düngung, insbesondere von Stallmist und Kompost, kann wesentlich zum Aufbau von Humus beitragen mit langfristig 2 bis 22 Tonnen je Hektar mehr Kohlenstoff im Vergleich zu Ackerböden ohne organische Düngung. Auf der anderen Seite brächten Überschüsse an organischen Düngern, vor allem in Gegenden mit intensiver Nutztierhaltung, die Nährstoffbilanzen in einigen Regionen aus dem Gleichgewicht – mit erheblichen negativen Umweltfolgen. Vorteile bringe auch die Anlage von Agroforstsystemen, Feldgehölzen oder Aufforstungen in waldarmen Regionen, denn Agroforstsysteme speichern rund 18% mehr organischen Kohlenstoff im Boden als Äcker mit einjährigen Pflanzen.

Der Bericht betont die Vorzüge des Ökolandbaus für den Humusaufbau. „Im ökologischen Landbau wird ausschließlich organischer Dünger und kein mineralischer Dünger eingesetzt. Außerdem werden mehr Kleegras oder Luzernegras als stickstofffixierende und humusmehrende Kulturen angebaut“, heißt es im Bericht. Zusammen ergebe sich dadurch im globalen Durchschnitt eine Erhöhung der Bodenkohlenstoffvorräte um etwa 3 bis 4 Tonnen je Hektar im Vergleich zu konventionell bewirtschafteten Böden. Dagegen hätten konservierende Bodenbearbeitung oder Direktsaatverfahren, die in den USA und Südamerika weit verbreitet sind, „keinen signifikanten Einfluss auf die Humusvorräte im Bodenprofil“. Sie führten zu einer Humusanreicherung in den obersten Zentimetern des Bodens, aber zu einem Humusverlust in den darunter liegenden Bodentiefen. (ab)

30.11.2018 |

Regierungsbericht: Klimawandel wird US-Landwirtschaft hart treffen

Durre
Die Maiserträge im Mittleren Westen werden erheblich sinken (Foto: CC0)

Ein Behördenbericht warnt, dass der Klimawandel die USA hart und in allen Bereichen treffen wird – von der Landwirtschaft über die Wasser- und Energieversorgung und den Verkehrssektor bis hin zur menschlichen Gesundheit. Der Wirtschaft drohen jährliche Verluste in dreistelliger Milliardenhöhe – doch Präsident Trump will dem Bericht seiner eigenen Behörden schlichtweg nicht glauben. Die vierte Ausgabe des „National Climate Assessment“ (NCA4) wurde von 13 Ministerien und Bundesbehörden verfasst und am 23. November veröffentlicht. Mehr als 300 Experten arbeiteten an dem 1600-Seiten-Wälzer, für den über 1000 wissenschaftliche Studien ausgewertet wurden. Das Fazit: „Die Indizien für den vom Menschen verursachten Klimawandel sind überwältigend und werden immer deutlicher, die Auswirkungen des Klimawandels verschärfen sich im ganzen Land und die klimabedingten Gefahren für das körperliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Wohl der Amerikaner nehmen zu.“ Bis 2100 könne die globale Erwärmung die Wirtschaftsleistung der USA um bis zu 10% senken, sagen die Forscher voraus. Die Kosten durch Extremwetterereignisse haben seit 2015 allein 400 Milliarden US-Dollar gekostet. Den Autoren zufolge werden sich die Folgen des Klimawandels intensivieren – aber in welchem Maße hängt natürlich von den Gegen- und Anpassungsmaßnahmen ab.

Die Landwirtschaft gehört zu den am stärksten betroffenen Sektoren. „Es wird erwartet, dass steigende Temperaturen, extreme Hitze, Dürre, Brände auf Weideflächen und starke Regengüsse die Qualität und Quantität der Ernteerträge in den USA, die Viehgesundheit, die Preisstabilität und Lebensgrundlagen im ländlichen Raum zunehmend infrage stellen werden. Die erste Kernbotschaft von Kapitel 10 zu Landwirtschaft und Ernährung warnt vor einer verringerten landwirtschaftlichen Produktivität. „Die Nahrungsmittel- und Futtermittelproduktion wird in jenen Regionen zurückgehen, wo die Häufigkeit und Dauer von Dürren zunimmt. Sich verändernde Niederschlagsmuster werden, im Zusammenspiel mit hohen Temperaturen, Brände verstärken und so Viehfutter auf Weideflächen vernichten, die Erschöpfung von Wasservorräten für die Bewässerung beschleunigen und die Verbreitung und Häufigkeit von Schädlingen und Krankheiten für Nutzpflanzen und Vieh erhöhen“, so der Bericht. Zweitens werde die Degradation wichtiger Boden- und Wasserressourcen aufgrund von extremen Niederschlagsereignissen voranschreiten. Ackerflächen drohen Überflutungen, Abfluss und die Auswaschung von Nährstoffen. Das fördere die Bodenerosion, beeinträchtige die Wasserqualität in Seen und Flüssen und schade der Infrastruktur ländlicher Gemeinden.

Die dritte Kernbotschaft lautet, dass hohe Temperaturextreme die Gesundheit von Mensch und Tier enorm beeinträchtigen und Viehhaltern große wirtschaftliche Schäden bescheren wird. Die Autoren warnen auch davor, dass die Bewohner ländlicher Gemeinden aufgrund von Armut und begrenzten Ressourcen der Kommunen oft nur begrenzt auf Klimafolgen reagieren können. Der Mittlere Westen der USA wird besonders stark unter dem Klimawandel leiden. „Der Mittlere Westen ist ein bedeutender Produzent einer breiten Palette von Nahrungs- und Futtermitteln für den nationalen Verbrauch und den internationalen Handel. Der Anstieg der Luftfeuchtigkeit und des Niederschlags in der warmen Jahreszeit hat die Böden erodiert, günstige Bedingungen für Schädlinge und Krankheitserreger geschaffen und die Qualität des eingelagerten Getreides verschlechtert“, schreiben die Autoren. Sie gehen davon aus, dass steigende Temperaturen und häufigere, heftige Regenfälle die landwirtschaftliche Produktion im Mittleren Westen bis zum Jahr 2050 auf ein Niveau senken könnten, das zuletzt in den 1980er Jahren erreicht wurde. Die Erträge von Haupterzeugnissen wie Mais könnten dort zwischen 5% und 25% einbrechen.

„Wie viele Weckrufe brauchen wir denn noch?“, fragte Carol Werner, Leiterin des Washingtoner Institut für Energie- und Umwelt-Studien (EESI). „Jedes neue Ausgabe des National Climate Assessment schließt sich der vorherigen an und bestätigt, dass der Klimawandel bereits real ist und dass wir handeln müssen“, fügte sie hinzu. „Die Zeit läuft uns davon!“ Einer, der sich von Weckrufen nicht beeinflussen lässt, ist US-Präsident Donald Trump. Seine Regierung veröffentlichte den Pflichtbericht nicht wie geplant im Dezember, sondern am Freitag nach Thanksgiving, an dem sich die Amerikaner im Black Friday-Einkaufswahn befinden. Dieser Versuch, die Ergebnisse unter den Teppich zu kehren, löste Empörung bei Umweltorganisationen aus. Auf die Frage von Reportern am Montag, was er von dem Bericht halte, antwortete Trump: „ Ich hab ihn gesehen, ich habe Teile davon gelesen, es ist okay.“ Zu den enormen wirtschaftliche Folgen sagte er: „Das glaube ich nicht.“ Dann schob er die Verantwortung der USA von sich und teilte gegen China und Japan aus: „Momentan sind wir so sauber wie noch nie und das ist mir wichtig“, sagte Trump. „Aber wenn wir sauber sind und alle anderen auf der Welt schmutzig, ist das nicht so gut“, lautete sein Statement. (ab)

26.11.2018 |

Bäuerlicher Klimaappell mahnt Einhaltung der Klimaziele an

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Appell für eine klimaschonende Landwirtschaft (Foto: Katharina Schertler, Bioland)

Die Bundesregierung muss das 1,5-Grad-Ziel engagiert anpacken – etwa durch die Förderung einer klimaschonenden Landwirtschaft, den Kohleausstieg und die Einführung einer CO2-Steuer. Mit diesem „Bäuerlichen Klimaappell“ richten sich die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Bioland, Demeter und Naturland vor der anstehenden UN-Klimakonferenz in Katowice im Dezember an die Politik, um die Einhaltung der Klimaziele anzumahnen. Denn sonderlich erfolgreich ist Deutschland auf diesem Gebiet bisher nicht. Erst kürzlich offenbarte ein durchgesickerter Entwurf des Klimaschutzberichts 2018, dass die Bundesrepublik ihre Klimaziele für 2020 klar verfehlen wird: Statt bis 2020 wie geplant 40% weniger Treibhausgase als noch 1990 auszustoßen, wird wohl nur eine Minderung von 32% gelingen. Die Verbände fordern daher von der Politik: „Die zugesagten deutschen Klimaziele müssen zu 100% umgesetzt und notfalls nachgeschärft werden, um das Klimaabkommen von Paris einzuhalten. Das heißt: Reduzieren der CO2-Emissionen mindestens um 40% bis 2020 und um 55% bis 2030.“ Ein weiteres Aufschieben verschärft die Auswirkungen der Klimakrise und verteuert mögliche Gegenmaßnahmen extrem, mahnen die Organisationen.

In dem Appell warnen sie vor den Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft: „Im verheerenden Dürresommer 2018 erleben wir erneut die zerstörerischen Folgen des Klimawandels. Tausende Höfe in Europa und Deutschland – und viele Millionen weltweit – sind davon betroffen. Die Fruchtbarkeit unserer Böden, die Existenz unserer Betriebe und unsere Wälder sind massiv durch die Klimakrise bedroht. Seit langem warnen Klimaforscher, doch die Politik handelt nicht. Die Auswirkungen des Klimawandels sind ökologisch, sozial und ökonomisch unverantwortbar. Es ist Zeit, eine Wende in der Klimapolitik einzuläuten!“ Als kurzfristige Maßnahme schlagen die Verbände eine CO2-Besteuerung vor. „Die Politik darf vor den Profitinteressen von klimazerstörenden Konzernen (Kohle, Flugverkehr, Autoindustrie, Agrarindustrie etc.) nicht einknicken. Politik hat die Aufgabe, die Wirtschaft so zu regulieren, dass sie nicht zulasten des Klimas geht“, heißt es im Appell.

Auch die Land- und Lebensmittelwirtschaft muss klimaschonende Wege weiter beschreiten und ausbauen – im Ackerbau und in der Tierhaltung, betonen die Verbände. Sie fordern von Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner, auch in diesem Bereich Maßnahmen einzuleiten, wie die Reduzierung der Emissionen aus der Tierhaltung durch eine flächengebundene Tierhaltung, die Förderung eines nachhaltigen Konsums und die Eindämmung der Lebensmittelverschwendung sowie das Etablieren einer Stickstoffstrategie zur Reduzierung der Lachgasemissionen. Weitere Empfehlungen sind die Förderung der CO2-Bindung durch Humusaufbau in den landwirtschaftlichen Böden, die Ausrichtung der gesamten EU-Agrarzahlungen auf eine klimaschonende, umweltschonende und tiergerechte Landwirtschaft sowie die Ausweitung des Ökolandbaus als bewährtes und zertifiziertes Verfahren für eine umweltfreundliche Landwirtschaft. Tausende Biobetriebe nehmen bereits jetzt Verantwortung auf den Höfen für eine enkeltaugliche Zukunft wahr, betonen die Unterzeichner. Die Verbände rufen dazu auf, am 1. Dezember auf den Demonstrationen „Tempo machen beim Kohleausstieg“ in Köln und Berlin sowie auf der „Wir haben es satt“-Agrar-Demonstration am 19. Januar 2019 in Berlin auch für eine klimaschonende Landwirtschaft auf die Straße zu gehen, um die Bundesregierung laut und sichtbar an das 1,5-Grad Ziel zu erinnern. (ab)

21.11.2018 |

UN-Erklärung für die Rechte von Kleinbauern verabschiedet

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Kleinbauernrechte stärken! (Foto: CC0)

Die Vereinten Nationen haben die Rechte von Kleinbauern gestärkt: Am 19. November nahm der 3. Ausschuss der UN-Vollversammlung die Erklärung für die Rechte von Kleinbauern und -bäuerinnen und anderen Menschen, die in ländlichen Regionen arbeiten an. Eine klare Mehrheit von 119 Staaten stimmte für Resolution Nr. A/C.3/73/L30, bei sieben Gegenstimmen und 49 Enthaltungen. Die UN-Erklärung stärkt die Rechte von Bevölkerungsgruppen auf dem Land, die weltweit zunehmend diskriminiert und kriminalisiert werden, und hält individuelle und kollektive Rechte von Kleinbauern fest, darunter das Recht auf Land, Saatgut und Wasser. Sie war seit 2012 von einer Arbeitsgruppe des UN-Menschenrechtsrats unter Vorsitz von Bolivien erarbeitet worden, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass Kleinbauern und andere Menschen in ländlichen Regionen überproportional von Hunger und Diskriminierung betroffen sind. Sie bündelt und ergänzt alle Rechte des existierenden Menschenrechtskanons. Im Dezember wird sie noch formal von der UN-Vollversammlung beschlossen.

Australien, Ungarn, Israel, Neuseeland, Schweden, Großbritannien und die USA lehnten die Erklärung ab. Deutschland enthielt sich trotz vielfacher Aufforderungen von Nichtregierungsorganisationen, die UN-Erklärung zu unterstützen, und ließ die EU für sich sprechen. Diese nannte als Enthaltungsgrund der meisten EU-Mitglieder Vorbehalte gegen die Rechte auf Land, Saatgut und Ernährungssicherheit sowie gegen kollektive Rechte. „Die Annahme der Erklärung in der UN-Vollversammlung ist ein großer Schritt zur Weiterentwicklung der Menschenrechte, den Bauern und Landarbeiter sowie ihre Organisationen über viele Jahre hart erkämpft haben“, kommentierte Jan Urhahn, Agrarreferent der Entwicklungsorganisation INKOTA. „Das Abstimmungsverhalten Deutschlands und vieler anderer EU-Staaten ist hingegen eine herbe Enttäuschung. Die Sonntagsreden der Bundesregierung entpuppen sich als heiße Luft: Sie handelt gegen den eigenen Koalitionsvertrag, in dem sie sich klar für eine Stärkung der Menschenrechtsschutzmechanismen und für die Förderung von Kleinbauern und -bäuerinnen ausgesprochen hat. Das Handeln zeigt: Im Zweifelsfall steht die Bundesregierung auf der Seite der Konzerne und nicht auf der Seite der Menschen.“

Bolivien, das im Erarbeitungs- und Verabschiedungsprozess der Erklärung federführend war, begrüßte die Annahme und hob ihre Bedeutung hervor: „Wir sind der Auffassung, dass dies ein großer Schritt hin zu öffentlichen Politiken ist, die nicht nur die Rechte und Bedürfnisse von Kleinbauern anerkennen, sondern auch deren Beitrag für das Wohlergehen und die Lebensqualität der Gesellschaften, die sie durch ihre tägliche Arbeit ernähren. Wir sind sicher, dass dieses Instrument eine zentrale Rolle für die Menschenrechte und die Beseitigung von Hunger und Armut spielen wird – gemeinsam mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung.“ Auch die internationale kleinbäuerliche Bewegung La Via Campesina und die Menschenrechtsorganisation FIAN, die seit Beginn der UN-Verhandlungen an der Erarbeitung der Erklärung mitgewirkt hatten, freuten sich über den Triumph. „Nach der Zustimmung der Generalversammlung im Dezember werden wir ein neues Kapitel der Kleinbauernrechte beginnen und wir fordern, dass alle UN-Staaten sich dazu verpflichten, die Erklärung umzusetzen. Wir sind entschlossen, zu einer besseren Gesellschaft beizutragen, den Klimawandel zu bekämpfen, Hunger zu beenden und vielfältige und nahrhafte Lebensmittel für alle bereitzustellen“, sagte Ramona Duminicioiu von La Via Campesina Europe. (ab)

16.11.2018 |

Zivilgesellschaft präsentiert Maßnahmenkatalog zum Klimaschutz

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Geringere Tierbestände, Klasse statt Masse (Foto: CC0)

Deutschland muss in allen Sektoren schnell und entschlossen gegensteuern, um zumindest seine Klimaziele für 2030 noch zu erreichen. Mehr als 60 Organisationen der Zivilgesellschaft haben nun einen umfassenden Maßnahmenkatalog zum Klimaschutz vorgelegt, der am Donnerstag in Berlin präsentiert wurde. Kernforderungen der Klima-Allianz sind ein baldiger Kohleausstieg, die schnelle Umsetzung der Verkehrs- und Agrarwende sowie ein ambitionierter CO2-Preis. Dass dies dringend notwendig ist, zeigt der in Kürze erscheinende Klimaschutzbericht 2018, in dem die Bundesregierung eine Lücke von acht Prozentpunkten zum Erreichen des Klimaziels für 2020 eingestehen muss. „Deutschland wird das Klimaziel 2020 drastisch verfehlen. Für das 2030-Ziel ist das keine Option“, erklärte Antje von Broock vom Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland. „Der Klimawandel wartet nicht auf politische Entscheidungen. Bis Mitte des Jahrhunderts müssen wir weitgehende Treibhausgasneutralität erreichen. Die Bundesregierung ist dringend gefragt, ihrerseits geeignete Maßnahmen vorzulegen und sofort mit der Umsetzung zu beginnen“, fordert sie.

Das zivilgesellschaftliche Bündnis beleuchtet im „Maßnahmenprogramm Klimaschutz 2030“ unter anderem die Handlungsfelder Energie, Gebäude, Verkehr, Industrie und Landwirtschaft aus dem Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung. Der Agrarsektor trägt erheblich zum Klimaproblem bei: 2016 verursachte die Landwirtschaft fast 60% der Methan- und 80% der Lachgasemissionen – in absoluten Zahlen stieß der Sektor 72 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente aus. Laut Klimaschutzplan 2050 sollen diese Emissionen bis 2030 um 31 bis 34% im Vergleich zu 1990 auf 58 bis 61 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente sinken. „Damit fällt das mittelfristige Reduktionsziel für den Sektor Landwirtschaft weniger ambitioniert aus als in allen anderen Sektoren“, kritisieren die Autoren. Ein Großteil der Emissionen stammt aus der Tierproduktion. Die Herausforderung liege daher in einer deutlichen Verringerung der Tierbestände, so die Organisationen. Vor allem an den Hotspots mit hohen Bestandsdichten müsse angesetzt werden. „Um einen Umbau der Nutztierhaltung einzuleiten, muss die Bundesregierung verbindliche Schritte im Rahmen der nationalen Nutztierstrategie festlegen“, heißt es. Zudem müssten die gesetzlichen Grundlagen dafür geschaffen werden, dass Tierhaltungsanlagen ohne entsprechende Flächen keine Genehmigung erhalten und eine flächengebundene Tierhaltung von maximal zwei Großvieheinheiten pro Hektar verbindlich sei.

Doch laut Gerald Wehde von Bioland werde eine Reduzierung der Tierbestände nur gelingen, wenn sowohl der Konsum in Deutschland als auch der Export tierischer Lebensmittel erheblich gesenkt werden. Die Verantwortung liege hier nicht allein bei den Verbrauchern. Gefragt sei vielmehr eine staatliche Hilfestellung in Form von Anreizen, die es den Menschen erleichtern, weniger Fleisch zu essen und weniger Lebensmittel wegzuwerfen. „Als Richtschnur können die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung herangezogen werden. Die DGE empfiehlt unter anderem weniger Fleischkonsum, aus dem sich – würden sich alle an eine solche Reduzierung halten – eine Treibhausgasreduktion von etwa 22,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr ergäbe“, so die Autoren. Um die Verschwendung von Lebensmitteln entlang der gesamten Wertschöpfungskette deutlich zu reduzieren, brauche es eine nationale Strategie gegen die Verschwendung unter Einbindung der Wirtschaft. Auf Basis gesetzlicher Regelungen und Branchenverpflichtungen sollte bis 2030 eine Reduzierung der Wegwerfverluste um 60% erreicht werden.

Der Ökolandbau weist Wege aus vielen mit der traditionellen Landwirtschaft verbundenen Problemen, betont das Papier. Er diene sowohl dem Schutz des Klimas, als auch der Biodiversität, des Bodens und des Wassers sowie nicht zuletzt den Landwirten und Kunden. „Dem Motto ‚Klasse statt Masse‘ folgend muss der ökologische Landbau als klimafreundliches Anbausystem konsequent ausgebaut werden. Wir brauchen weniger Stickstoffeinsatz, mehr Dauergrünland und eine an die Fläche angepasste Zahl von Tieren sowie vielfältige Fruchtfolgen auf dem Acker“, fordert Wehde. Ende 2017 betrug der Flächenanteil jedoch erst 8%. Der Ökolandbau müsse ausgebaut und das Ziel, einen Flächenanteil von 20% zu erreichen, klar an die Zeitvorgabe 2030 geknüpft werden, betont die Klima-Allianz. Dafür brauche es die konsequente Umsetzung der Zukunftsstrategie Ökologischer Landbau mit einer Aufstockung des Budgets. Ab 2019 sollten das Budget des Bundesprogramms Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN) auf 60 Millionen Euro aufgestockt und am Bedarf des Ökolandbaus ausgerichtet werden. Die Allianz fordert auch einen schnellen Ausbau des Anteils der öffentlichen Agrarforschungsmittel für den Ökolandbau. Wehde betont zudem die Notwendigkeit, alle Hebel auf EU-Ebene in Bewegung zu setzen. „Eine Neuausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU nach 2020 muss Umweltleistungen, eine artgerechte Tierhaltung und den Erhalt vielfältiger bäuerlicher Strukturen in den Fokus der Mittelverwendung stellen. Dies bedingt eine langfristig sichere Finanzierung der Umstellungs- und Beibehaltungsprämien für ökologischen Landbau durch die EU, den Bund und die Bundesländer“, heißt es im Maßnahmenkatalog. (ab)

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