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15.11.2017 |

Neue Studie: Bio kann die Welt ernähren, aber weniger Fleischkonsum nötig

Bio
Bio kann die Welt ernähren (Foto: CC0)

Der Ökolandbau könnte eine wachsende Weltbevölkerung ernähren. Das belegt eine umfassende Studie, die im Fachjournal Nature Communications erschienen ist. Auch bei einer vollständigen Umstellung auf Bio könnten genug Lebensmittel mit der gleichen Fläche produziert werden – doch die Menschen müssten ihren Fleischkonsum auf ein gesundes Maß senken, weniger Lebensmittel vergeuden und die Fütterung in der Tierhaltung umstellen. Für die Studie nutzten Wissenschaftler des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL), der Universität Aberdeen, der Universität Klagenfurt, der ETH Zürich und der Welternährungsorganisation FAO ein Modell, das verschiedene Aspekte des Ökolandbaus einbezieht, wie einen höheren Anteil an Leguminosen, geringere Erträge, Verzicht auf synthetische Düngemittel oder weniger Bedarf an Getreide und Körnerleguminosen für Tierfutter. „Die Ergebnisse zeigen, dass die Umstellung auf Ökolandbau allein den Flächenbedarf zwar erhöht im Vergleich zur konventionellen Produktion, aber Vorteile in Bezug auf andere Faktoren hat, wie Pestizideinsatz und weniger Stickstoffüberschüsse. Wird der Ökolandbau mit ergänzenden Transformationen im globalen Ernährungssystem kombiniert, wie einer anderen Tierfütterung und geringeren Tierbeständen oder veränderten Abfallmustern, kann er dazu beitragen, mehr als 9 Milliarden Menschen im Jahr 2050 zu ernähren – und zwar auf nachhaltige Weise“, schreiben die Autoren.

„Biologischer Landbau mit seinem schonenderen Umgang mit Umwelt und Ressourcen wird oft als Lösungsweg für die aktuellen Herausforderungen vorgeschlagen. Andererseits betonen Kritiker, dass diese Umstellung zu viel höherem Landverbrauch führen würde und deshalb keine gangbare Alternative sei“, erläutert Mitautor Karlheinz Erb von der Alpen-Adria Universität Klagenfurt. Denn die Erträge im Ökolandbau fallen meist geringer aus als in der konventionellen Landwirtschaft. Die Experten berücksichtigten verschiedene Studienergebnisse zur Ertragslücke: Würde zu 100% auf Biobewirtschaftung umgestellt, stiege bei einer durchschnittlichen Ertragslücke im Ökolandbau von 8% bis 25% der Landbedarf um 16% bis 33%. Doch dies wäre verkraftbar, wenn Ackerflächen eingespart würden, die bisher „für die Katz“ – oder Kuh und Co – bestellt werden. Ein Beispiel ist die Lebensmittelverschwendung: Die FAO geht davon aus, dass ein Drittel aller Agrarerzeugnisse weltweit vergeblich angebaut wird, da sie nicht vom Acker auf die Teller der Verbraucher gelangen. Würden Lebensmittelverluste und -verschwendung reduziert – die Wissenschaftler legen je nach Szenario eine Verringerung um 25% bis 50% zugrunde – könnten die freiwerdenden Flächen dafür genutzt werden, einen großen Teil der Ertragslücke auszugleichen. Auch eine kraftfutterfreie, graslandbasierte Tierproduktion würde Ackerfläche einsparen, da Weideflächen, die nicht für den Anbau von Kulturen geeignet sind, zur Ernährungssicherung genutzt würden. Doch das ginge nur, wenn beim Fleischkonsum auf Klasse statt Masse geachtet würde.

Die Wissenschaftler liefern nicht nur Ganz-oder-gar-nichts-Szenarien. Selbst wenn die Landwirtschaft nur zu 60% auf Bio umgestellt würde und die Kraftfuttergaben und Lebensmittelabfälle halbiert würden, wäre die Ernährung der Weltbevölkerung möglich und zwar mit deutlich weniger negativen Umweltauswirkungen und Treibhausgasemissionen – allerdings mit einem Drittel weniger tierischen Produkten und dafür mit mehr pflanzlichen Kalorien. „So könnte man die Ernährung der Weltbevölkerung auch bei über 9 Milliarden im Jahre 2050 sichern, der Landverbrauch würde nicht zunehmen und die negativen Auswirkungen des heutigen intensiven Ernährungssystems wie große Stickstoffüberschüsse oder hohe Pestizidbelastung würden stark reduziert werden“, betonte Erb.

Mitautor Professor Pete Smith von der Universität Aberdeen ist zuversichtlich, dass ein Wandel möglich ist. „Diese Studie ist wichtig, denn sie zeigt, dass wir nicht auf dem Schnellzug hin zu einer immer stärkeren Intensivierung der Landwirtschaft bleiben müssen. Wenn wir gewillt sind, unseren Konsum tierischer Produkte zu verringern, Lebensmittelabfälle zu reduzieren und die verbleibenden Tiere ihrer Natur gemäß zu füttern – Wiederkäuer mit Gras und Schweine und Geflügel mit Essensresten – (…) können wir von diesem Schnellzug abspringen und mehr Menschen nachhaltig ernähren“, sagte Smith. „Wenn uns dies als Gesellschaft gelingt, können wir alle auf dieser Welt mit einem verringerten Umweltfußabdruck ernähren.“ Der Agrarwissenschaftler Andreas Bürkert von der Universität Kassel setzt weniger Hoffnung auf den Veränderungswillen der Gesellschaft: „Die Studie zeigt zwar umfassend, was prinzipiell möglich ist, aber eine weltweite Etablierung des fleischarm essenden, vernünftigen Bildungsbürgers ist unrealistisch“, sagte er dem Spiegel. „Das ist ein Wünsch-dir-was-Szenario, das nur durch große Veränderungen in der Politik und in der Bildung vorangetrieben werden könnte.“ Höchste Zeit also, diese Veränderungen einzuleiten! (ab)

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