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19.10.2017 |

Insektensterben: Forscher warnen vor „ökologischem Armageddon“

Schmetterling
Fluginsekten wie Schmetterlinge schwinden immer schneller (Foto: CC0)

Das Ausmaß des Insektensterbens könnte noch schlimmer als befürchtet sein: In den deutschen Naturschutzgebieten tummeln sich 76% weniger Schmetterlinge, Bienen und andere Fluginsekten als noch vor 27 Jahren. Das geht aus einer Studie hervor, die am 18. Oktober im Fachmagazin PLOS ONE veröffentlicht wurde. Den Wissenschaftlern zufolge ist die Abnahme bestimmter Insektenarten schon seit Langem kein Geheimnis mehr. „Doch die Tatsache, dass die Fluginsektenbestände mit solch einer Geschwindigkeit und in so einem großen Gebiet abnehmen, ist eine noch sehr viel alarmierendere Entdeckung“, betont Hans de Kroon, Projektleiter an der Radboud University in Nijmegen. Als mögliche Ursache für den Rückgang vermuten die Forscher die landwirtschaftliche Intensivierung in den Gegenden rund um die Naturschutzgebiete. „Insekten machen etwa zwei Drittel allen Lebens auf der Erde aus“, sagte Mitautor Professor Dave Goulson von der Sussex University. „Es scheint so, als ob wir gerade weite Landstriche unbewohnbar für die meisten Formen des Lebens machen und uns gegenwärtig auf dem Weg zu einem ökologischen Armageddon befinden. Bei dem derzeit eingeschlagenen Kurs werden unsere Enkel eine überaus verarmte Welt erben.“

Für die Studie erhoben Insektenforscher aus Krefeld zwischen 1989 und 2016 an 63 verschiedenen Stellen in Naturschutzgebieten in ganz Deutschland Daten. Dort wurden die Fluginsekten in sogenannten Malaise-Fallen über die komplette Saison von März bis Oktober hinweg gefangen, die gesamte Biomasse wurde gewogen und verglichen. Wissenschaftler aus den Niederlanden, Deutschland und Großbritannien werteten dann diese umfangreiche Datensammlung aus. Ihr Ergebnis: Die Insektenmenge ging in den 27 Jahren im Schnitt um 76% zurück. Im Hochsommer, wenn die meisten Insekten unterwegs sind,fiel der Rückgang mit 82% noch stärker aus. „All diese Gebiete stehen unter Schutz und die meisten von ihnen sind Naturschutzgebiete mit Management. Dennoch hat sich dieser dramatische Rückgang ereignet“, beklagt Caspar Hallmann von der Radboud University. Laut den Wissenschaftlern sind die genauen Ursachen noch unklar, doch der Schwund könne nicht auf Veränderungen beim Wetter, der Landschaft oder Pflanzenarten allein zurückgeführt werden. „Ein Teil der Erklärung könnte daher sein, dass die Schutzgebiete, aus denen die Insekten stammen, durch die landwirtschaftlich genutzten Felder in der weiteren Umgebung beeinflusst und belastet werden.“ Die Autoren vermuten, dass die zunehmende Intensivierung der Landwirtschaft den Rückgang der Insektenbestände in den Schutzgebieten verschärft haben könnte. „Die Forschungsgebiete sind vorwiegend klein und von landwirtschaftlichen Flächen umgeben“, fügte Hallmann hinzu. „Diese Gebiete in der Nähe ziehen Fluginsekten an und sie können dort nicht überleben. Möglicherweise wirken diese Gegenden wie ein „ökologische Falle“ und gefährden die Insektenbestände in den Naturschutzgebieten.“

Die Forscher hoffen, dass ihre Erkenntnisse als Weckruf dienen, damit weiter nach den Ursachen geforscht wird und die Bestände überwacht werden. „Da ein gesamtes Ökosystem von Insekten als Nahrungsquelle und Bestäuber abhängt, stellt dies den Rückgang von insektenfressenden Vögeln und Säugetieren in einen ganz neuen Kontext“, sagt Hans de Kroon. „Wir können uns kaum vorstellen, was geschehen würde, wenn dieser Abwärtstrend weiter ungebremst voranschreitet.“ Der Studie zufolge sind etwa 80% aller Wildpflanzen auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen und 60% der Vögel nutzen Insekten als Nahrungsquelle. Der Wert dieser Ökosystemdienstleistungen durch wildlebende Insekten wird für die USA allein auf 57 Milliarden US-Dollar geschätzt. „Das Einzige, was wir nun tun können, ist mit größter Vorsicht zu agieren. Wir müssen die Dinge zurückfahren, von denen wir wissen, dass sie negative Auswirkungen haben wie der Pestizideinsatz und wir müssen das Verschwinden von blütenreichen Feldrändern aufhalten“, so de Kroon. „Aber wir müssen uns auch bemühen, unsere Naturschutzgebiete auszuweiten und den Anteil der an landwirtschaftliche Flächen grenzenden Gebiete verringern.“ (ab)

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