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25.08.2017 |

Studie: Klimabedingte Ernteausfälle treiben Indiens Bauern in den Selbstmord

Indisch
Bauer in Indien (Foto: CC0)

Die Folgen des Klimawandels fordern in Indien bereits ihren Tribut: Fast 60.000 Bauern und Landarbeiter haben sich dort in den letzten 30 Jahren das Leben genommen, da steigende Temperaturen und ausbleibende Regenfälle die Ernteerträge einbrechen lassen. Dies besagt eine Studie der University of California in Berkeley, die in der August-Ausgabe des Fachjournals Proceedings of the National Academy of Sciences erschien. Agrarökonomin Tamma Carleton wertete für die Jahre 1967 bis 2013 die offiziellen Selbstmordstatistiken für alle Bundesstaaten Indiens aus und verglich diese mit Ernteertrags- und Klimadaten. Sie kam zu dem Ergebnis, dass Dürre und ausbleibende Regenfälle während der Vegetationsperiode zu mehr Selbstmorden führten, da Bauern durch die resultierenden Missernten Einkommensausfälle erlitten und sich aus Verzweiflung das Leben nahmen. Kletterten die Temperaturen in der Hauptanbauphase so hoch, dass sich dies negativ auf die Ernten auswirkte, stieg auch die Zahl der Selbsttötungen. An Tagen mit über 20 Grad löste allein ein Anstieg um ein Grad Celsius 70 zusätzliche Selbsttötungen aus. Bei einem Anstieg um 5 Grad verfünffachte sich der Effekt. „Die Tragödie ereignet sich schon heute, es handelt sich nicht um ein Problem künftiger Generationen“, warnt Studienautorin Carleton. Doch sie prognostiziert, dass sich die Selbstmordraten künftig erhöhen werden, da die Temperaturen weiter ansteigen.

In Indien arbeitet mehr als die Hälfte der Bevölkerung in der regenabhängigen Landwirtschaft, die empfindliche reagiert auf Klimaschwankungen wie unvorhersehbare Monsun-Regenfälle, Hitzewellen und Dürre. Hitzewellen verursachen beispielsweise Ernteausfälle, die Carleton zufolge wiederum Auswirkungen auf die indische Wirtschaft haben, da schlechte Ernten die Lebensmittelpreise erhöhen, weniger Jobs in der Landwirtschaft schaffen und die Haushaltsersparnisse aufzehren. Während dieser Phase begehen erschütternd viele Menschen Selbstmord, vor allem männliche Haushaltsvorstände. „Ohne Maßnahmen, die Familien bei der Anpassung an ein wärmeres Klima helfen, wird wahrscheinlich eine steigende Zahl an Menschenleben dem Selbstmord zum Opfer fallen, wenn sich der Klimawandel in Indien verstärkt“, warnt Carleton. Höhere Temperaturen und geringe Regenfälle außerhalb der Hauptvegetationsphase führten nicht zu höheren Selbstmordzahlen, was Carleton als Beleg dafür wertet, dass die Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft in der Anbauphase in der Tat ein entscheidender Einflussfaktor sind.

In Indien hat sich die Zahl der Selbstmorde seit 1980 fast verdoppelt auf jährlich 130.000 Fälle. Der Studie zufolge sind 6,8% des Anstiegs auf die vom Menschen verursachte globale Erwärmung zurückzuführen. Carleton schätzt, dass steigende Temperaturen während der letzten drei Jahrzehnte in Indien schon für 59.300 Selbstmorde verantwortlich sind. Die Zahl könnte noch größer sein, da es in Indien eine hohe Dunkelziffer bei Selbsttötungen gibt, unter anderem auch, da ein Gesetz bis 2014 versuchten Selbstmord unter Strafe stellte. „Es war schockierend und traurig zu sehen, dass tausende Menschen mit solch schwierigen Bedingungen konfrontiert sind, die sie dazu treiben, sich selbst Schaden zuzufügen“, sagte Carleton. Doch wenn man wisse, dass die Verzweiflung ökonomische Ursachen habe, könne auch etwas dagegen getan werden. „Die richtigen politischen Maßnahmen könnten tausende Menschenleben retten“, so die Autorin. Wenn Bauern und Landarbeiter gegen größere wirtschaftliche Ausfälle durch Maßnahmen wie Ernteversicherungen und Verbesserungen auf ländlichen Kreditmärkten geschützt würden, könnte dies Selbstmorde verhindern. Die indische Regierung hat bereits ein 1,3 Milliarden US-Dollar schweres Versicherungsprogramm geplant, um die hohe Selbstmordrate zu senken. Es wird sich zeigen, ob es ausreichend und effektiv sein wird. (ab)

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